Invasion von Ausflüglern? Berg-Idyll in Gefahr
München/Garmisch-Partenkirchen - Heimische Urlaubsorte wappnen sich für eine "zweite Welle". Angesichts des Teil-Lockdowns mit geschlossenen Hallenbädern, Fitnessstudios und Museen könnte es über die Weihnachtsferien erneut eine Invasion von Ausflüglern geben.
Zum einst von den Vereinten Nationen ausgerufenen Internationalen Tag der Berge am 11. Dezember sind diesmal mehr denn je die heimischen Berge im Fokus.
"Wir rechnen damit, dass viel los sein wird - sofern es erlaubt ist", sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV). "Es wird einen großen Druck auf die Natur geben." Menschen etwa, die den Weihnachtsurlaub sonst anderweitig verbringen, in südlichen Regionen beim Tauchen zum Beispiel, "werden sich überlegen, in die Berge zu gehen", sagt der Sprecher der DAV-Sektion München, Markus Block.
Angst vor Autostaus, Müll durch Brotzeiten und keine Einnahmen
Gemeinden in Bayern fürchten den Müll- und Verkehrskollaps. Besucher können nicht in Gaststätten einkehren oder übernachten. Das heißt: Autoschlangen durch die Orte, Brotzeitpapier in der Landschaft, Notdurft hinterm Busch - und für die Einheimischen: kein müder Euro.
Skitouren und Schneeschuhgehen, seit Jahren im Trend, boomen. Touren-Ausrüstungen sind gefragt wie nie. "Bei Tourenski- und Bindungen können wir gar nicht so viel produzieren, wie vom Handel bestellt wurde", hieß es beim Skihersteller Völkl. Fraglich, ob der Umstieg von der Piste ins Gelände mühelos funktioniert.
Wegen Corona-Pandemie: Draußen keine Lawinen-Kurse
Während in schwer erreichbaren Skigebieten wie an der Zugspitze die Lifte stehen und Pisten leer bleiben, ziehen weiter unten die Tourengeher bergan. Die Retter seien "einsatzklar", sagt der Sprecher der Bergwacht Bayern, Roland Ampenberger. Am vergangenen Wochenende seien bereits viele Tourengeher unterwegs gewesen. Die Bergwacht verzeichnete aber nur vereinzelt Unfälle.
Skilehrer und Bergführer warnen, ohne Lawinenkenntnisse auf Tour zu gehen. "Ganz ohne Ausbildung diesen Winter ins Gelände zu gehen, ist sicher nicht der richtige Weg", sagt der Bergführer und Gründer des Lawinencamp-Bayern, Alexander Römer. Wegen der Pandemie dürfen keine Lawinen-Kurse draußen stattfinden. Römer rief deshalb dazu auf, vor der ersten Tour wenigstens an einem Onlinekurs teilzunehmen.
Bergführer Thomas Stephan aus Baden-Baden sieht zudem erneut die Wohnmobile anrollen. "Es ist vielen noch nicht bewusst, dass sie keinen Winterurlaub machen können. Ich könnte mir vorstellen, dass viele mit ihren Wohnmobilen durch Bayern fahren und übernachten, um dann Skitouren zu gehen." Ein Problem dürfte erneut die Sanitärlage sein.
Parkplätze werden eventuell teurer, um Kosten zu decken
Wo es möglich sei, würden die Toiletten der Lifte geöffnet, sagt Antonia Asenstorfer, Sprecherin des Liftverbundes Alpen Plus. Teils steigen die Parkgebühren. "Wenn wir die Parkplätze räumen und streuen, müssen wir unsere Kosten decken."
Matthias Stauch, Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn sowie des Verbands Deutscher Seilbahnen, fürchtet bei einem ungeordneten Andrang "die absolute Katastrophe". Schon im Frühjahr habe es Chaos gegeben. "Das wird im Winter nochmal getoppt werden." Es fehle die "organisierte Infrastruktur" wie beim Betrieb der Bahnen.
"Es liegt mir fern, als Bürgermeister eines Tourismusortes die Leute aufzufordern, zuhause zu bleiben", sagt der Bayrischzeller Rathauschef Georg Kittenrainer (CSU). Skischulen, Liftbetreiber, Hoteliers und Gastronomen treffe es "sehr hart". Zugleich rechne er mit großem Andrang - notfalls "müssen wir uns etwas überlegen". Wenn die Sicherheit es erfordere, weil Parkplätze überfüllt und Abstände nicht einzuhalten seien, müsse eventuell die Polizei einschreiten.
Auch draußen gilt: Abstand halten
Auch beim Naturschutz könnten manche Outdoorsportler mehr Rücksicht nehmen. Eine Studie von DAV und Tourismusforschern der Uni München im Spitzinggebiet ergab, dass sich die Hälfte der rund 360 befragten Tourengeher nicht über Schon- und Schutzgebiete informierte. Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Richard Mergner, hofft durch die Pandemie auf ein Umdenken beim Wintersport. Die Pandemie zeige "die Brüchigkeit des herkömmlichen Geschäftsmodells Pistenskilauf".
Auch draußen gilt: Abstand halten. Clemens Wendtner, Chefarzt für Infektiologie in der München Klinik Schwabing, rät zu dreifachem Mindestabstand zum Vordermann - um nicht in dessen Aerosol-Fahne zu laufen.