Invasion von Ausflüglern? Berg-Idyll in Gefahr

Viele drängt es in die Alpen. Einheimische und Umweltschützer erwarten harte Zeiten für die Natur und Chaos auf Parkplätzen.
sd |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
4  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Für Wintersportler wird es eine schwierige Saison. Heimische Wintersportorte wappnen sich für die "zweite Welle". (Symbolbild)
Für Wintersportler wird es eine schwierige Saison. Heimische Wintersportorte wappnen sich für die "zweite Welle". (Symbolbild) © Angelika Warmuth/dpa

München/Garmisch-Partenkirchen - Heimische Urlaubsorte wappnen sich für eine "zweite Welle". Angesichts des Teil-Lockdowns mit geschlossenen Hallenbädern, Fitnessstudios und Museen könnte es über die Weihnachtsferien erneut eine Invasion von Ausflüglern geben.

Zum einst von den Vereinten Nationen ausgerufenen Internationalen Tag der Berge am 11. Dezember sind diesmal mehr denn je die heimischen Berge im Fokus.

"Wir rechnen damit, dass viel los sein wird - sofern es erlaubt ist", sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein (DAV). "Es wird einen großen Druck auf die Natur geben." Menschen etwa, die den Weihnachtsurlaub sonst anderweitig verbringen, in südlichen Regionen beim Tauchen zum Beispiel, "werden sich überlegen, in die Berge zu gehen", sagt der Sprecher der DAV-Sektion München, Markus Block.

Angst vor Autostaus, Müll durch Brotzeiten und keine Einnahmen

Gemeinden in Bayern fürchten den Müll- und Verkehrskollaps. Besucher können nicht in Gaststätten einkehren oder übernachten. Das heißt: Autoschlangen durch die Orte, Brotzeitpapier in der Landschaft, Notdurft hinterm Busch - und für die Einheimischen: kein müder Euro.

Skitouren und Schneeschuhgehen, seit Jahren im Trend, boomen. Touren-Ausrüstungen sind gefragt wie nie. "Bei Tourenski- und Bindungen können wir gar nicht so viel produzieren, wie vom Handel bestellt wurde", hieß es beim Skihersteller Völkl. Fraglich, ob der Umstieg von der Piste ins Gelände mühelos funktioniert.

Wegen Corona-Pandemie:  Draußen keine Lawinen-Kurse 

Während in schwer erreichbaren Skigebieten wie an der Zugspitze die Lifte stehen und Pisten leer bleiben, ziehen weiter unten die Tourengeher bergan. Die Retter seien "einsatzklar", sagt der Sprecher der Bergwacht Bayern, Roland Ampenberger. Am vergangenen Wochenende seien bereits viele Tourengeher unterwegs gewesen. Die Bergwacht verzeichnete aber nur vereinzelt Unfälle.

Skilehrer und Bergführer warnen, ohne Lawinenkenntnisse auf Tour zu gehen. "Ganz ohne Ausbildung diesen Winter ins Gelände zu gehen, ist sicher nicht der richtige Weg", sagt der Bergführer und Gründer des Lawinencamp-Bayern, Alexander Römer. Wegen der Pandemie dürfen keine Lawinen-Kurse draußen stattfinden. Römer rief deshalb dazu auf, vor der ersten Tour wenigstens an einem Onlinekurs teilzunehmen.

Bergführer Thomas Stephan aus Baden-Baden sieht zudem erneut die Wohnmobile anrollen. "Es ist vielen noch nicht bewusst, dass sie keinen Winterurlaub machen können. Ich könnte mir vorstellen, dass viele mit ihren Wohnmobilen durch Bayern fahren und übernachten, um dann Skitouren zu gehen." Ein Problem dürfte erneut die Sanitärlage sein.

Parkplätze werden eventuell teurer, um Kosten zu decken

Wo es möglich sei, würden die Toiletten der Lifte geöffnet, sagt Antonia Asenstorfer, Sprecherin des Liftverbundes Alpen Plus. Teils steigen die Parkgebühren. "Wenn wir die Parkplätze räumen und streuen, müssen wir unsere Kosten decken."

Lesen Sie auch

Matthias Stauch, Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn sowie des Verbands Deutscher Seilbahnen, fürchtet bei einem ungeordneten Andrang "die absolute Katastrophe". Schon im Frühjahr habe es Chaos gegeben. "Das wird im Winter nochmal getoppt werden." Es fehle die "organisierte Infrastruktur" wie beim Betrieb der Bahnen.

"Es liegt mir fern, als Bürgermeister eines Tourismusortes die Leute aufzufordern, zuhause zu bleiben", sagt der Bayrischzeller Rathauschef Georg Kittenrainer (CSU). Skischulen, Liftbetreiber, Hoteliers und Gastronomen treffe es "sehr hart". Zugleich rechne er mit großem Andrang - notfalls "müssen wir uns etwas überlegen". Wenn die Sicherheit es erfordere, weil Parkplätze überfüllt und Abstände nicht einzuhalten seien, müsse eventuell die Polizei einschreiten.

Auch draußen gilt: Abstand halten

Auch beim Naturschutz könnten manche Outdoorsportler mehr Rücksicht nehmen. Eine Studie von DAV und Tourismusforschern der Uni München im Spitzinggebiet ergab, dass sich die Hälfte der rund 360 befragten Tourengeher nicht über Schon- und Schutzgebiete informierte. Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Richard Mergner, hofft durch die Pandemie auf ein Umdenken beim Wintersport. Die Pandemie zeige "die Brüchigkeit des herkömmlichen Geschäftsmodells Pistenskilauf".

Auch draußen gilt: Abstand halten. Clemens Wendtner, Chefarzt für Infektiologie in der München Klinik Schwabing, rät zu dreifachem Mindestabstand zum Vordermann - um nicht in dessen Aerosol-Fahne zu laufen.

Lesen Sie auch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
4 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Hanswurst am 11.12.2020 09:46 Uhr / Bewertung:

    Öffnet die Parkplätze und verlangt 10€. Bezahl ich gerne. Ist billiger als ein Skipass und die Kinder sind trotzdem im Schnee...

  • jamei am 11.12.2020 11:22 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Hanswurst

    10Euro kann jeder bezahlen!!! Da hilft nur Parkplätze dicht machen und keiner darf rein. Können sich die Leute nicht mehr daheim beschäftigen? Raus gehen geht auch am Wohnort, Spiele, Basteln, Musik hören, Fernsehen oder miteinnander reden ...........Im Übrigen, die Berge, kämen dann auch zur Ruhe und die Natur freut sich. Deutschland ist doch Spitzreiten in Sachen Umwelt oder? Bin selbst im Gebirge aufgewachsen und empfinde diese Invasionen, die die Berge stürmen gruselig.

  • Ludwig III am 11.12.2020 09:33 Uhr / Bewertung:

    Man nennt es Wachstum. Das bringt mehr Menschen. Auch in die Alpen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.