Ig-Nobelpreis: Dr. Kristina Suchotzk mit einer Studie über das Lügen

Das besagt eine kürzlich ausgezeichnete Studie einer Würzburger Psychologin und ihrer Kollegen. Warum sich Ältere schwerer tun mit dem Flunkern – und wieso Schwindeln nicht immer negativ sein muss.
Sandra Bauer |
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Im AZ-Interview Dr. Kristina Suchotzki: Auf dem kleinen Bild ist Pinocchio zu sehen, der gerade nicht lügt, wie seine Nase zeigt. Menschen kann man es meist nicht ansehen, wenn sie flunkern, sagt die Expertin.
dpa Im AZ-Interview Dr. Kristina Suchotzki: Auf dem kleinen Bild ist Pinocchio zu sehen, der gerade nicht lügt, wie seine Nase zeigt. Menschen kann man es meist nicht ansehen, wenn sie flunkern, sagt die Expertin.

Würzburg - Die 35-jährige Dr. Kristina Suchotzki ist Psychologin an der Uni Würzburg und hat das Ziel, mit ihrer Forschung Lügen-Detektionsmethoden zu verbessern. Das Interview.

AZ: Frau Suchotzki, was wollten Sie mit Ihrer Studie über das Lügen erreichen?

Dr. Kristina Suchotzki: Wir wollten herausfinden, wie sich das Lügen über die Lebenszeit hinweg entwickelt. Wie oft und wie gut wir in welchem Alter lügen.

Wie haben Sie das gemacht?

Wir haben in einem Wissenschaftsmuseum in Amsterdam Besucher angesprochen. Insgesamt haben über 1000 Leute mitgemacht. In einem Fragebogen wollten wir wissen, wie oft die einzelnen Altersgruppen lügen. Und dann wollten wir noch herausfinden, wie gut sie lügen. Dafür haben wir ihnen Fragen gestellt, die sie mal ehrlich und mal mit einer Lüge beantworten sollten – und haben gemessen, wie lange sie für die Antwort brauchen.

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Was ist herausgekommen?

Durchschnittlich lügt jeder etwas über zwei Mal am Tag. Es scheint so, dass Leute im jungen Erwachsenenalter am häufigsten und am besten lügen. Besonders oft lügen Teenager zwischen 13 und 17 Jahren. Weniger häufig und gut lügen dagegen Kinder und ältere Menschen.

Woran liegt das?

Um zu lügen braucht man bestimmte kognitive Fähigkeiten. Das heißt, man muss in der Lage sein, eine bestimmte automatische Reaktion zurückzuhalten, nämlich die Wahrheit zu sagen. Man spricht von Reaktionshemmung. Diese Fähigkeit ist bei kleineren Kindern noch nicht so sehr ausgeprägt, deshalb plappern sie mitunter gerne Geheimnisse aus, und bei älteren Leuten wird sie dann auch wieder schlechter.

Kann man denn einem Menschen ansehen, dass er lügt?

Das ist nicht mein Forschungsschwerpunkt, aber ich weiß, dass es sehr viele Studien gibt, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Die Wissenschaftler haben versucht zu ergründen, ob eine bestimmte Gestik oder Mimik darüber Aufschluss gibt, ob jemand lügt oder nicht. Die meisten sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das allerdings nicht der Fall ist.

Warum nicht?

Weil einfach die individuellen Unterschiede beim einzelnen Menschen viel zu groß sind, als dass man Verhaltensweisen verallgemeinern könnte. Im Gegenteil: Man hat sogar herausgefunden, dass Verhaltensweisen, die viele typisch für Lügner halten, eben nicht aufs Lügen hindeuten. Zum Beispiel, wenn jemand nach links oben schaut oder den Blickkontakt vermeidet.

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Und wenn eine Antwort länger dauert?

Das ist wiederum tatsächlich etwas, worauf immer mehr geachtet wird. Die Tatsache, dass Lügen offenbar anstrengender ist, wird immer öfter in Betracht gezogen.

Die Forschung ist da aber noch ganz am Anfang. Im experimentellen Kontext, so wie bei uns, kann man schon feststellen, dass Lügen meistens länger dauert. Aber das Problem ist hier: Die Personen haben freiwillig mitgemacht und auf ein bestimmtes Zeichen hin gelogen. Um zu wissen, ob man die Erkenntnis auch einmal in der Praxis, wie etwa bei der Polizei, anwenden kann, dafür ist noch wesentlich mehr Forschung nötig.

Mal ganz ehrlich: Lügen Sie denn selbst auch manchmal?

Ich könnte jetzt natürlich sagen "Ich lüge nie.“ Das wäre aber definitiv gelogen. Das spannende am Lügen ist ja: Es ist nicht immer negativ.

Wie meinen Sie das?

Es gibt in unserer Gesellschaft einfach sehr oft die Situation, in der es unhöflich wäre, die Wahrheit zu sagen. Man muss also praktisch lügen. Das nennt man in der Forschung "white lies“ – Lügen, die praktisch gut sind. Wenn Sie zum Beispiel gefragt werden: "Sehe ich heute nicht total fertig aus?“ Da sagt man doch nicht die Wahrheit, falls es tatsächlich so ist. Da möchte man doch lieber etwas Nettes sagen – und lügt.

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