Horror-Crash: "Noch so jung - Leben schon versaut"
Um die 17-Jährige, die betrunken einen tödlichen Unfall verursacht hat, entbrennt eine Diskussion. Warum hat sie die Unfallstelle verlassen? Dafür hat ein Experte hier eine Erklärung parat.
SCHONGAU In Sichtweite der Unfallstelle haben Freunde einen Strauß Wiesenblumen an die Leitplanke gestellt. Daneben lehnt ein Kreuz aus dünnen Ästchen. Hier starb Benjamin L. (35), Wirt der Jugendkneipe Lilith’s in Schongau. Er hatte am Pfingstsamstag ein 17-Jähriges Mädchen, das zuvor in seiner Kneipe Schnaps getrunken hatte, ans Steuer seines BMW Z4 gelassen (AZ berichtete). Der Roadster kam von der Straße ab, überschlug sich mehrmals.
Benjamin L. war vermutlich sofort tot. Die Fahrerin wurde nur leicht verletzt. Dass sie anschließend von der Unfallstelle weglief, ohne sich um ihren Beifahrer zu kümmern oder Hilfe zu holen, sorgt jetzt für hitzige Diskussionen.
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Einige Jugendliche, die das Mädchen vom Sehen aus der Kneipe kannten, werfen der 17-Jährigen vor, sie sei weggelaufen, um sich der Verantwortung zu entziehen. „Sie lässt ihren Mitfahrer unversorgt zurück. Der ging es doch nur darum, Party zu machen”, sagt eine Schongauerin. Anderen tut das Mädchen leid. Die Mutter eines 18-Jährigen Kneipengastes: „Sie ist noch so jung, und ihr Leben ist schon versaut. Wie konnte dieser Mann sie fahren lassen?”
Die Polizei geht davon aus, dass das Mädchen im Schock davonlief. Peter Zehentner, Leiter des Kriseninterventionsteams (KIT) in München, sagt: „Weglaufen ist eine typische Schockreaktion. Beim Zugunglück von Eschede gab es Überlebende, die anschließend ihr Gepäck aus dem Zug geholt haben und mit dem Bus zum nächsten Bahnhof gefahren sind”, sagt der 44-Jährige. „Das Gehirn schaltet in Extremsituationen auf den Grundmodus, da geht es nur noch ums Überleben. Die Entscheidung heißt Flucht oder Angriff. Oft wird die letzte normale Tätigkeit oder Handlungsidee – zum Beispiel ,ich wollte nach Hause’ – einfach wieder aufgenommen. Erst viel später begreifen diese Menschen, was eigentlich passiert ist.”
Die Polizei, die erst stundenlang mit Hunden und zwei Hubschraubern nach der Fahrerin gesucht hatte, traf das junge Mädchen nachmittags zu Hause an. Unmittelbar nach dem Crash war sie zuerst zu Verwandten gelaufen, die sie dann zu ihren Pflegeeltern gebracht hatten. Als sie die Todesnachricht erfuhr, brach sie weinend zusammen.
Die Polizei ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Die Höchststrafe: fünf Jahre Gefängnis.