Schock nach Horror-Unfall: Das sagt der Psychologe
Über die möglichen Folgen für die junge Todesfahrerin (17), die den Horrorunfall am Hohen Peißenberg verursachte, sprach die AZ mit Trauma-Experte Markos Maragkos von der LMU.
München - Am Pfingstwochenende kommt es am Hohen Peißenberg im Landkreis Weilheim-Schongau zu einem schrecklichen Unfall: Wirt Benjamin L. (35) lässt eine 17-Jährige, die keinen Führerschein hat, ans Steuer seines Z4. Das Mädchen verliert die Kontrolle über den Wagen, baut einen Unfall, bei dem der Wirt stirbt. Die 17-Jährige wird nur leicht verletzt und läuft weg. Erst Stunden später wird sie ermittelt. Ist die junge Fahrerin im Schock weggerannt - wovon die Polizei derzeit ausgeht? Wie wird sie das Erlebte bewältigen können? Die AZ sprach mit Trauma-Experte Dr. Markos Maragkos von der Hochschulambulanz der LMU.
Herr Dr. Maragkos, eine 17-Jährige ist nach dem Unfall weggelaufen, ohne sich um ihren Beifahrer zu kümmern. Ist Weglaufen eine typische Schockreaktion?
MARKOS MARAGKOS: In extremen Situationen kann die Logik quasi ausgehebelt werden. Das ist der evolutionsbiologische Fluchtreflex, da will man einfach nur weg. Es gibt aber Menschen, die auch in solchen Situationen noch bewusst handeln können. Ich bin sehr vorsichtig mit dem Beurteilen.
Das Mädchen hat den Tod eines Menschen verursacht. Welche Folgen kann so ein Trauma haben?
Hier kann man von einem schweren traumatischen Ereignis sprechen. Grundsätzlich hängt es unter anderem von der Schwere des Ereignisses ab, welche Folgen das für den Einzelnen hat und auch davon, wie das Ereignis subjektiv empfunden wird. Zudem spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel, ob der Mensch psychisch bereits vorbelastet ist, wie alt er ist, ob seine Lebensbedingungen stabil sind und ob er ein Mann oder eine Frau ist.
Unfall: Beifahrer tot - Fahrerin geht heim
Welche Rolle spielt das Geschlecht?
Frauen entwickeln doppelt so oft Posttraumatische Belastungsstörungen wie Männer. Eine Erklärung dafür ist, dass sie sensitiver auf Stress reagieren. Auch das ist evolutionsbiologisch bedingt: Frauen mussten während der Brutpflege bei Gefahr schneller reagieren. Ein Mann konnte sich das nicht leisten. Wenn er einem Tier auflauerte, begab er sich ja schon in große Gefahr.
Welche Symptome kann ein Trauma auslösen?
In diesem Fall wären typische Symptome, dass Autos, schnelle Strecken und der Ort des Geschehens vermieden werden. Es kann zu Konzentrationsschwierigkeiten kommen, Schlafstörungen, erhöhter Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit. Typisch sind ungewollte Bilder, die vor dem geistigen Auge auftauchen. Das Gehirn speichert alles, was zu dem Zeitpunkt passiert ist. Auch die Uhrzeit oder ob es geregnet hat. Vielleicht hat der Mann noch etwas gesagt oder gestöhnt, bevor er starb. All das kann wieder auftauchen.
Können die Symptome von allein wieder verschwinden?
]Statistisch gesehen, haben fast alle Menschen mindestens ein traumatisches Erlebnis im Leben. Etwa ein Drittel der Posttraumatischen Belastungsstörungen geht nach einem Jahr zurück. Darauf zu hoffen, ist aber wie Roulette. Wenn die Störungen sechs bis zwölf Monate bestehen, können sie chronisch werden.
Wie kann man mit so einer Schuld - wenn sie es als solche empfindet - weiterleben?
]Schuld ist nicht identisch mit Verantwortung. Wichtig ist es, nicht trotz der Schuld, sondern mit der Schuld weiterzuleben. Aus meiner Sicht wäre es wichtig, wenn die junge Frau jetzt begleitet würde und gegebenenfalls Hilfe sucht bei einem Trauma-Therapeuten oder Psychologischen Psychotherapeuten.
Interview.: Nina Job