Hinter Gittern gefertigt: Design-Tasche aus Stadelheim

Über die neue Website haftsache.de kann man jetzt Handgemachtes bestellen – aus Bayerns Gefängnissen.
von  Anja Perkhuhn
Schlosser, Schneider, Schreiner: Häftlinge in bayerischen Justizvollzugsanstalten – auch Stadelheim – stellen Produkte her, die man jetzt auch online kaufen kann.
Schlosser, Schneider, Schreiner: Häftlinge in bayerischen Justizvollzugsanstalten – auch Stadelheim – stellen Produkte her, die man jetzt auch online kaufen kann. © Tobias Hase/dpa

München - Schwupps, liegt das Produkt "Feuerkorb, groß" im digitalen Einkaufskorb von Winfried Bausback. Der bayerische Justizminister schaut kurz triumphierend in die Runde, dann geht’s aber gleich weiter: Salz- und Pfefferstreuer, Schaufel und Kralle für die Gartenarbeit, eine Tasche aus Filz mit Leder.

Am Ende hat Bausback so Waren im Wert von 353 Euro beisammen, klickt auf "Bestellen" – und hat damit nicht nur ein paar schöne Dinge gekauft, sondern auch das System gestärkt, in dem Häftlinge in Bayerns Gefängnissen als Schlosser, Schneider oder in der Holzwerkstatt Produkte herstellen und sich dadurch etwas Geld verdienen – und Wertschätzung.

Bayerns Häftlinge arbeiten für Hunderte Unternehmen

Strafgefangene sind per Gesetz "verpflichtet, eine ihren körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit auszuüben" – viele, sagt Elke Wiesbauer, wollen aber sowieso von sich aus unbedingt arbeiten. Die gelernte Damenschneider-Meisterin ist "Justizvollzugsbeamtin im Werksdienst" in München, sie arbeitet in der Frauenanstalt der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim, wo unter anderem die Laptoptaschen oder Schlüsselanhänger aus Filz entstehen. "Sie wollen arbeiten, um etwas Geld zu verdienen, aber auch, um aus den Zellen rauszukommen, beschäftigt zu sein, etwas zu lernen."

Die Idee mit den Laptoptaschen stammt aus der Gefängnisschneiderei in Aichach, Bausbacks neuer Feuerkorb wurde in Landsberg am Lech gefertigt. Bayerische Strafgefangene arbeiten für hunderte von Unternehmen – als die "verlängerte Werkbank" bezeichnet Bausback die Arbeitsbetriebe innerhalb der JVAs. Die Produkte, die dort entstehen, konnte man bisher nur als Geschäftskunde kaufen – seit gestern geht das nun aber auch als Privatmensch über die Website www.haftsache.de.

In anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Sachsen gibt es solche Knast-Onlineshops schon lange. Luxus-Vogelhäuschen gibt es da zu kaufen, Häkelmützen, Pflanzen aus einer Baumschule, in der Häftlinge arbeiten, Richter-Roben aus der Schneiderei der JVA Celle oder – klassisch nordisch – Sanddorn-Produkte wie einen Tee aus der JVA für Frauen in Vechta mit dem wunderbaren Namen "Justiz-Irrtum".

Bayerns JVAs geben sich seriöser

Die Produktpalette aus Bayerns JVAs ist da etwas seriöser: Gartenbänke (280 Euro), Pfannen (65 Euro) und Filzlatschen (27 Euro) gibt es da, Weinständer (95 Euro) und Tisch-Aufsätze für Bierkästen (60 Euro) – aber auch das Brettspiel "Reg di ned auf!" (30 Euro) und ein Schaukelpferd (125 Euro).

"Die Gefangenen erfahren Wertschätzung", sagt Bausback, "während der Arbeit und dann noch einmal, wenn die Produkte fertig sind und verkauft werden. Und die ist für jeden Menschen wichtig." Oft würden die Häftlinge vom ersten bis zum letzten Schritt des Fertigungsprozesses alles machen.

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Das stimmt nicht immer ganz so, sagt Elke Wiesbauer aus der Münchner Frauen-JVA, aber im Fall der Laptoptaschen gebe es eine Frau, bei der es tatsächlich so ist. !Die hatte aber schon Vorkenntnisse, das haben wir ganz selten. Die meisten werden von uns angelernt."

Ein Drittel der Gefangenen ohne Schulabschluss

Die Hälfte von Bayerns Strafgefangenen habe keine abgeschlossene Berufsausbildung, sagt Bausback, "ein Drittel ist ohne Schulabschluss. Es ist von zentraler Bedeutung, dass diese Defizite möglichst noch während der Haftzeit ausgeglichen werden." Darum bedeute die Ausbildung für viele ein neues Standbein – ein wichtiger Faktor für die Resozialisierung. 2015, sagt er, haben bayerische JVAs insgesamt 958 Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt – 322 davon für jugendliche Straftäter.

Vom Gewinn, den die verkauften "Haftsache"-Produkte bringen, wird nicht etwa die jeweilige Gefängnis-Kasse aufgebessert – die Einnahmen reduzieren die Ausgaben der Steuerzahler für den Justizvollzug.

Und es entsteht übrigens doch nicht komplett alles hinter Gittern: Die Designs stammen von Mitarbeitern der Unternehmen, für die die Arbeitsbetriebe tätig sind, und von Industrial-Design-Studenten der TU München. Aber das sollte man vielleicht einfach nicht so – Verzeihung – sträflich genau nehmen.

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