Freistaat zahlt 100.000 Euro Haftentschädigung zu wenig an unschuldigen Manfred Genditzki
München – Für 13 Jahre im Gefängnis sitzen, obwohl man die Tat nicht begangen hat, lässt sich durch Geld nicht aufwiegen. Und trotzdem muss Manfred Genditzki (64) um seine Haftentschädigung kämpfen.
Genditzki wurde fälschlicherweise vorgeworfen, eine Rentnerin in der Badewanne ertränkt zu haben. Davon ist er 2023 freigesprochen worden. Gesetzlich steht ihm deshalb Geld zu: für jeden Tag Haft 75 Euro (368.700 Euro insgesamt).
100.000 Abzug bei Haftentschädigung
Obendrauf kommen noch Zahlungen wegen Verdienstausfall, entgangene Rentenbeiträge und sonstige finanzielle Verluste, die durch die Zeit im Gefängnis entstanden sind – doch eigentlich wären es rund 100.000 Euro mehr gewesen als er letztendlich bekommen hat.
Die wurden ihm aber abgezogen wegen "Kost und Logis", wie seine Anwältin Regina Rick der AZ sagt. Das heißt, für das Essen, die Zelle und den Lohn, den er für seine Arbeit in der Gefängniswäscherei erhalten hat, muss er selbst blechen.
Abzug gesetzlich nicht verpflichtend
Das Kuriose: Im Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen sind solche Abzüge nicht geregelt. "Es gibt da Richtlinien, aber die sind nicht zwingend", sagt Rick. Bayern legt diese im Fall Genditzkis demnach möglichst streng aus.
Das Vorgehen des Freistaats empfindet sie deshalb als "zynisch", gerade weil ein Gesetzesentwurf vorliegt, der vorsieht, dass derlei Vorteilsausgleiche gar nicht mehr abgezogen werden dürfen. "Das ist ja auch grotesk, es geht doch keiner freiwillig ins Gefängnis", ärgert sich Genditzkis Anwältin.
Genditzki und seine Anwältin klagen auf 750.000 Euro Schmerzensgeld
Weiter sagt sie: "Es wäre schön gewesen, wenn die Strafjustiz alles so genau genommen hätte, als sie Herrn Genditzki hinter Gitter gebracht hat. Jetzt wird jeder Cent dreimal umgedreht."
Rick geht gegen die Abzüge rechtlich vor. Zudem reichte sie im April diesen Jahres eine Amtshaftungsklage ein, die von Bayern Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 750.000 Euro einfordert (AZ berichtete). "In anderen Ländern würde Herr Genditzki Millionen kriegen", sagt seine Anwältin.
Anwältin: "Der Freistaat leugnet seine Verantwortlichkeit"
Auf eine Nachfrage der AZ an die Generalstaatsanwaltschaft München, unter welchen Umständen so ein Schmerzensgeld geltend gemacht werden könnte, meldete sich die Behörde bis Redaktionsschluss nicht.
"Dass diese Haft Herrn Genditzki gesundheitlich und psychisch geschadet und seine Familie extrem darunter gelitten hat, versteht sich von selbst", sagt Rick. Doch: "Der Freistaat leugnet seine Verantwortlichkeit bis zur letzten Patrone."
- Themen: