Flüchtlinge im Erdinger Fliegerhorst: "Eiskalt erwischt"

5000 Flüchtlinge am Fliegerhorst – und der Erdinger Bürgermeister war nicht eingeweiht: „Ein Affront!“, findet er.
von  Natalie Kettinger
Auf dem Erdinger Fliegerhorst sollen 5.000 Flüchtlinge untergebracht werden.
Auf dem Erdinger Fliegerhorst sollen 5.000 Flüchtlinge untergebracht werden. © Bjoertvedt

München - Der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) ist sauer. Stinksauer. Oder wie er selbst sagt: „mächtig verstimmt über ein Informationschaos, wie man’s nicht oft erlebt“. Von dem Entschluss des Bundes, auf dem Erdinger Fliegerhorst bis zu 5000 Flüchtlinge unterzubringen (AZ berichtete), sei er „eiskalt erwischt worden“, sagt der Rathaus-Chef. Von offizieller Seite habe niemand mit ihm darüber gesprochen.

Auch der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) kritisierte, dass er nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden gewesen sei. „Uns sind bis zur Stunde weder vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch vom Innenministerium irgendwelche Informationen zugegangen“, sagt Max Gotz gestern. Er habe auf informellen Kanälen von dem geplanten „Warteraum Asyl“ erfahren – zu einem Zeitpunkt, als Rotes Kreuz und THW bereits mit den Vorbereitungen begonnen hatten.

„Ein Affront!“, findet Gotz, stellt aber klar: „Wir sträuben uns nicht gegen diese Entscheidung. Die Unterbringung so vieler Flüchtlinge ist eine historische Aufgabe für unser Land.“

Auf dem Fliegerhorst soll, wie in Feldkirchen bei Straubing, ein Drehkreuz entstehen, von dem aus die Migranten innerhalb weniger Tage aufs Bundesgebiet verteilt werden. Das Innenministerium will so die Anlaufstellen in Grenznähe entlasten. Die Entscheidung über die Standorte habe man gemeinsam mit dem Freistaat Bayern getroffen, so ein Sprecher zur AZ. Weitere dürften in Kürze folgen: Insgesamt will der Bund die Erstaufnahmeeinrichtungen um insgesamt 40 000 Plätze entlasten. Als „Puffer“ zur Registrierung und Erstversorgung der Flüchtlinge sollen noch mehr Wartezentren geschaffen werden – in Grenznähe, „mit einem Schwerpunkt in Bayern“.

„Wir wissen nicht einmal, wann es losgeht“

Um die neuen Sammellager mit Schlafplätzen ausstatten zu können, haben Rotes Kreuz und Lufthansa gerade 15 000 Feldbetten aus Nordamerika eingeflogen.

Im Erdinger Fall scheint das Betten-Problem also gelöst. Andere bleiben: Die Kaserne gehört zwar dem Bund. Betrieben werden soll die Unterkunft von 100 bis 120 Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration. Und für die Sicherheit des laufenden Betriebes – auf dem Fliegerhorst sind rund 1600 Soldaten der Luftwaffe stationiert – sorgt das Heer.

Aber die Erdinger rechnen damit, dass täglich bis zu 100 Busse mit Flüchtlingen das Haupttor anfahren werden. „Außerdem handelt es sich um eine offene Einrichtung“, sagt Max Gotz.

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„Die Menschen werden raus- und reingehen. Das ist auch eine Sicherheitsfrage. Aber über diese Dinge wurde noch gar nicht gesprochen.“ Das verunsichere die Bevölkerung unnötig. „Dabei sollte man die Betroffenen möglichst bald einbinden.“

Das Telefon im Rathaus stehe nicht mehr still. „Aber ich kann keine belastbaren Informationen weitergeben. Wir wissen nicht einmal, wann es losgeht.“

Diesntagnachmittag lässt Max Gotz dann völlig entnervt eine Pressemitteilung verschicken, zur Weiterleitung an die Bevölkerung: „Da sich die Einrichtung im Fliegerhorst im Aufbau befindet und offenbar logistische Probleme zu lösen sind, gaben die zuständigen Behörden trotz Nachfragen auch an die Stadt Erding bisher keine konkreten Informationen weiter“, schreibt der Oberbürgermeister darin. „Darüber hinaus ist die Kommune nicht für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig.“

Wer Fragen zum Thema habe, möge sich bitte an das Bundesinnenministerium, das Bundesamt für Migration oder die Regierung von Oberbayern wenden. Telefonnummern und E-Mail-Adressen liefert die Pressestelle der Stadt Erding gleich mit. Die Zahl der Flüchtlinge, die aus Österreich nach Bayern einreisen, ist währenddessen wieder gestiegen. Laut Bundespolizei kamen allein am Montag 11 000 Menschen neu im Freistaat an.

Auch deshalb wurde nun ein Gebäude zum Notquartier umfunktioniert, das überregional bekannt ist: In der Passauer Dreiländerhalle, in der sich die CSU stets zur Aschermittwochs-Kundgebung trifft, sind nun 617 Schutzsuchende untergebracht.

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