Feldkirchen: Leben in der Zeltstadt
Feldkirchen - Dicht an dicht steht hier ein Zelt neben dem andern. Es ist, als befände man sich in einer riesigen weißen Beduinenstadt. Nur sind die Stoffzelte nicht in der kargen Wüste Afrikas, sondern auf einer großen Wiese neben der Gäubodenkaserne mitten in Niederbayern.
Aber eines haben die künftigen Bewohner dieser Zeltstadt mit dem nomadischen Wüstenvolk gemein: Sie sind auf der Durchreise. Bis zu 5000 Flüchtlinge sollen in Feldkirchen vorübergehend Platz finden können (AZ berichtete). Eine Zwischenstation soll es werden, das Zeltlager, das seit einigen Tagen emsig im Auftrag des Bundes gebaut wird.
Bei einem großen Ansturm von Asylsuchenden soll es als Auffanglager dienen, eine Art „Wartebereich“, bevor es nach zwei bis drei Tagen in die zuständigen Bundesländer weitergeht. Dementsprechend spartanisch schauen die vorübergehenden Unterkünfte aus.
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„Es sind Katastrophenschutzzelte mit Feldbetten, gebaut auf Gras. Das war’s“, erklärt Jürgen Zosel vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) Straubing-Bogen knapp. Kein Tisch, kein Schrank, keine Heizung. Momentan reichen noch Schlafsäcke. Ein beheizbares Wintercamp mit Schotterboden soll noch entstehen.
Es sind Dimensionen wie in Kriegs- und Katastrophengebieten
Zum Essen geht es in die Sporthallen der Kaserne. Die werden gerade mit hunderten Biertischgarnituren ausgestattet. Sanitäre Einrichtungen sind in Containern untergebracht. Und die Wege zwischen den Zelten werden mit Hilfe von Notstromaggregaten ausgeleuchtet.
Zosel und seine Kollegen sind unterstützend vor Ort und vermitteln Kontakte wie zu Wäschereien oder Sicherheitsfirmen. Den Aufbau der Zeltstadt leiten internationale Spezialisten, die bereits Flüchtlingslager in aller Welt gebaut haben. 300 Zelte mit 1500 Betten stehen bereits.
„Es ist unglaublich, was hier innerhalb weniger Tage aus dem Boden gestampft wurde“, ist Feldkirchens Bürgermeisterin Barbara Unger sichtlich beeindruckt von der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter von Deutschem Roten Kreuz (DRK), Technischem Hilfswerk (THW) und Bundeswehr.
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Das sind Dimensionen, wie man sie sonst nur von Kriegs- oder Katastrophengebieten kennt, bestätigt Jörg Max Haas vom DRK. „Dass wir einmal die Hilfe vom Internationalen Roten Kreuz erhalten, um in Deutschland solche Lager zu errichten, hätte wohl keiner geglaubt. Das hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben.“
Die Bürgermeisterin von Feldkirchen war dabei, als am Wochenende die ersten 140 Flüchtlinge ankamen. In erster Linie Familien mit Kindern und junge Menschen. „Jeder von ihnen hatte nur einen kleinen Rucksack oder eine Plastiktüte dabei“, berichtet Unger. „Das war ihre ganze Habe.“ Für mehr wäre auch kein Platz.