Es wurde entschärft! Das steht jetzt im neuen Polizeiaufgaben-Gesetz
München - Die Emotionen gingen im Jahr 2018 hoch in Bayern, als die damals noch allein regierende CSU die Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) vorstellte. Zehntausende protestierten gegen zu weitgehende Befugnisse, zu lange Ingewahrsamnahmen und Videos aus Privatwohnungen.
Polizeiaufgabengesetz: Im Koalitionvertrag wurden Entschärfungen vereinbart
Das Gesetz wurde trotzdem verabschiedet, doch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) setzte eine Kommission zur Überarbeitung des Regelwerks ein. Im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern vom November 2018 wurde die Entschärfung mehrerer Bestimmungen vereinbart. Mit gehöriger Verspätung legt die Staatsregierung dem Landtag am 24. Februar die Novelle zur Novelle des PAG zur Ersten Lesung vor. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich am Dienstag überzeugt, dass damit den beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof und beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Klagen die Grundlage entzogen wird.

PAG-Kommission hatte Einführung des Begriffs "drohende Gefahr" beanstandet
Nicht nur die Demonstranten, sondern auch die PAG-Kommission unter Leitung des ehemaligen bayerischen Verfassungsgerichtshofspräsidenten Karl Huber hatten besonders die Einführung des Begriffs "drohende Gefahr" in das Polizeirecht beanstandet. Er ist zwar auch in der Novelle enthalten, wird aber genauer definiert und gegenüber der "konkreten Gefahr" abgegrenzt. Der Katalog der Anlässe, bei denen die Polizei zur Abwehr einer "drohenden Gefahr" einschreiten kann, wurde gekürzt - nicht immer zur Freude des Vollzugsdienstes, wie Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer erklärte.
So dürfe die Polizei bei einem Einbruch nicht mehr irgendwie verdächtig herumstreifende Personen kontrollieren, sondern könne sie nur beobachten. Beim Eingreifen zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung müssen die Beamten künftig abwägen, ob der Verdächtige ein schweres oder weniger schweres Delikt im Sinn hatte. "Alles was ohne körperliche Berührung geht, wird künftig durch die drohende Gefahr nicht mehr geschützt", so Schmidbauer.
Herrmann: Aufregung über PAG enthaltene Regelung sei unbegründet
Stein des Anstoßes war zudem die theoretische Möglichkeit im alten PAG, Personen zu ihrem eigenen oder zum Schutz von Rechtsgütern, unbegrenzt in "Gewahrsam" zu nehmen. Der von Kritikern bezeichnete "Ewigkeitsgewahrsam" ist nach der Novelle auf höchstens zwei Monate begrenzt. Nach dem ersten Monat muss ein Richter entscheiden, ob die Voraussetzungen für ein weiteres Einsperren des "Gefährders" gegeben sind.
Die Aufregung über die im bisherigen PAG enthaltene Regelung, wonach ein Richter den Gewahrsam theoretisch immer wieder verlängern kann, war unbegründet, sagte Herrmann. Vom Juli 2018 bis zum November 2020 sei es in Bayern in gerade einmal 18 Fällen zu Gewahrsamnahmen von länger als 14 Tagen gekommen. Zwei Mal seien die Betroffenen 90 Tage festgehalten worden.
Weitere Änderung betrifft von Polizisten getragene Body-Cams in Wohnungen
Die dritte wesentliche Änderung betrifft den Einsatz von Body-Cams in Wohnungen. Die von Polizeibeamten getragenen und von diesen nach Bedarf einzuschaltenden Aufzeichnungskameras können auch bei einem Einsatz in Wohnungen Aufnahmen machen, was möglicherweise gegen den grundgesetzlichen Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung verstößt. In das Gesetz wurde jetzt ein Richtervorbehalt für die Verwendung solcher Aufnahmen eingefügt.
Der Streit ist damit aber nicht vom Tisch. Das Bündnis "noPAG" hat bereits angekündigt, an seiner Verfassungsklage festzuhalten. Die Änderungen reichten nicht aus, um den "verfassungswidrigen Kern des Gesetzes" zu beseitigen. Auch Grüne und SPD im Bayerischen Landtag hatten sich bereits ablehnend zur Novelle geäußert. Beide Fraktionen hatten verfassungsrechtliche Schritte gegen das PAG eingeleitet.