"Es ist deprimierend": Frust auf Berghütten in Bayern – erste Betreiber ziehen Konsequenzen

Die Hütten in Bayerns Bergen sind geschlossen, doch Winterräume bieten auch zu dieser Jahreszeit Obhut. Doch sie werden missbraucht.
Maximilian Neumair |
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Der voller Flaschen und Müll hinterlassene Winterraum der Rappenseehütte. Foto: DAV Allgäu-Kempten
Der voller Flaschen und Müll hinterlassene Winterraum der Rappenseehütte. Foto: DAV Allgäu-Kempten © AV Allgäu-Kempten

Oberstdorf - Brennende Stühle, mit Exkrementen verschandelte Kuscheldecken und haufenweise Schnapsflaschen und Müll. So wurde laut Wirt Jochen Krupinski der Winterraum der Mindelheimer Hütte (Kreis Oberallgäu) hinterlassen, wie er im Gespräch mit der AZ erzählt.

Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen kuriosen Einzelfall. So berichtet auch Andreas Greiner, Mitbetreiber der Rappenseehütte (Kreis Oberallgäu), der AZ, dass bei ihm die zum Winterraum angrenzende Tür aufgebrochen und Geld aus der Kasse entwendet worden sei. Immer wieder werden frei zur Verfügung stehende Räumlichkeiten in den nicht im Winter betriebenen Berghütten für Partys missbraucht.

Ein Phänomen so alt wie das Konzept des Winterraums selbst, sagt Robert Kolbitsch vom Deutschen Alpenverein (DAV) der AZ. "Es kommen halt immer mehr Leute in die Berge, deswegen werden auch die Winterräume beliebter." Wesentlich drastischer drücken es Sylvia Socher und Andreas Greiner, die Betreiber der Rappenseehütte, aus: "Wir sind der Meinung, dass der Winterraum dem 'Ansturm auf die Berge' nicht mehr gewachsen ist."

Missbrauchte Winterräume: "Verschmutzungen in und um die Hütte sind zum Teil erheblich"

Aber was ist überhaupt ein Winterraum? Dabei handelt es sich um ein frei zugängliches Hüttenzimmer, in dem Selbstversorger auch im Winter in den Bergen übernachten können. Betten mit Decken, ein Ofen mit Brennholz oder gar ein Gaskocher gehören zur typischen Ausstattung. Die Übernachtungsgebühr (sieben bis 15 Euro pro Person und Nacht) wird auf Vertrauensbasis in die Hüttenkasse gelegt.

Doch da ist der Haken: Vertrauen. Denn wenngleich sich der DAV um die Erhaltung der Winterräume kümmert, muss man dort (meistens) kein Mitglied sein, um Zutritt zu erlangen. Das öffnet natürlich Tür und Tor für all jene, die den Raum nicht nur zum Übernachten nutzen wollen. "Nur die Hälfte der Winterraumgäste hat die fällige Übernachtungsgebühr bezahlt. Die Verschmutzungen in und um die Hütte sind zum Teil erheblich", berichten die Betreiber der Rappenseehütte.

Auch Michael Turobin-Ort, Geschäftsführer der DAV-Sektion Allgäu-Kempten, bestätigt die sinkende Zahlungsquote. "Es geht nicht ums Geldverdienen, sondern darum, die laufenden Kosten decken zu können", sagt er. Die Hüttenwirte müssten etwa das Brennholz kaufen oder im eigenen Wald hacken und den Berg hochbringen.

Winterräume bieten die Möglichkeit, im Winter ein lauschiges Plätzchen in den Bergen zum Übernachten zu finden. Doch weil immer mehr Leute in die Berge kommen, werden die zunehmend missbraucht, wie hier auf der Rappenseehütte. Foto: imago
Winterräume bieten die Möglichkeit, im Winter ein lauschiges Plätzchen in den Bergen zum Übernachten zu finden. Doch weil immer mehr Leute in die Berge kommen, werden die zunehmend missbraucht, wie hier auf der Rappenseehütte. Foto: imago © IMAGO/Panthermedia

Verwüstete Winterräume statt zurückgelassener Gebühren

"Dieser Missbrauch führt zu Unmut, auch bei den Sektionen, weil der Erhalt dieser Winterräume sehr aufwendig ist. Das passiert ehrenamtlich", sagt Kolbitsch. "Es geht nicht gegen Partys", stellt er klar, "sondern um Rücksichtnahme auf andere". Eigentlich selbstverständlich – doch die verwüstet hinterlassenen Winterräume sprechen eine andere Sprache.

Das sorgt für Frust unter den Betreibern. Die Rappenseehütte würde gerne darauf umsteigen, dass Winterräume gebucht werden müssen. Die Mindelheimer Hütte hat ihren Winterraum sogar schon seit Corona gänzlich verschlossen und dabei soll es laut Krupinski auch bleiben. "Es ist nur deprimierend", sagt der Wirt. Um die Kollektivstrafe tut es ihm jedoch leid: "Die Guten sind die Vielen. Es ist nur ein ganz kleiner Prozentteil, der das auslöst."

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Trotz vielfachem Vandalismus: DAV will Winterräume weiterhin offenhalten

"Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass Herr Krupinski dichtgemacht hat, ist das nicht das, was wir als Alpenverein im Sinne unserer Mitglieder und der Bergsteiger wollen", sagt Turobin-Ort vom DAV Allgäu-Kempten. Auch Kolbitsch ist unzufrieden mit diesen Schließungen. "Wir sind im Austausch mit den Sektionen. Da sollte man einen Weg finden, damit man das offen hält", sagt er. Denn Winterräume zur Verfügung zu stellen, sei nicht nur wichtig, sondern "gehört zum Alpenverein dazu".

Zwar gibt es auch vor verschlossenen Winterräumen einen frei zugänglichen Schutzraum. Der ist aber nicht zur Übernachtung geeignet, weil Betten und Heizmöglichkeiten fehlen. Die einzelnen DAV-Sektionen bestimmen für sich, wie sie den Zugang zu ihren Hütten gestalten. "Wir können nur unterstützen, auch wenn es zu Vandalismus kommt. Die Beseitigung dieser Schäden wird von uns mitgefördert", sagt Kolbitsch vom DAV. Das heißt, der Dachverband zahlt alle anfallenden Reparaturen.

Doch die Diskussionen um die Aufrechterhaltung der Winterräume im DAV reißen laut Kolbitsch nicht ab. Socher und Greiner von der Rappenseehütte gehören zu den Kritikern: "Der DAV sollte das Winterraumkonzept überdenken und sich fragen, ob immer mehr Menschen im Winter in unserem Naturschutzgebiet 'Allgäuer Hochalpen' unterwegs sein müssen."

Vielerorts ist der Zugang bereits jetzt nur noch über einen vorher abzuholenden Schlüssel möglich. "Finde ich schade, dass es sowas braucht. Eigentlich ist das Schöne, dass jeder schnell hinkann und nicht erst vorher einen Schlüssel organisieren muss", sagt Turobin-Ort. An Maßnahmen gegen den Missbrauch bleibt sonst nur noch der Appell an die Vernunft. Darauf setzt der DAV.

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  • Mallory am 21.11.2023 14:59 Uhr / Bewertung:

    Auf die Vernunft der Besucher der Winterräume zu appellieren ist, wie die Vorfälle zeigen, völlig sinnlos. Wenn es sich beim Partyvolk herumgesprochen hat, dass man in den offenen Winterräumen kostenlos Party und Saufgelage abhalten kann, finden sich jede Menge Nachahmer. Und nach dem Motto "irgendein Hüttentrottel wird den Dreck schon wegräumen" werden die Räume dann vermüllt zurückgelassen.
    Vorschlag: Der Schlüssel für den Winterraum wird von der zuständigen Sektion nur nach Voranmeldung und Hinterlegung einer Kaution ausgehändigt. Wer während größerer Berg-, Skitour im Winter in einem Winterraum übernachten möchte, weiß/plant dies schon im Voraus. Wer aufgrund von Wettereinflüssen spontan Schutz sucht, kann sich ja vorübergehend im Vorraum zum Winterraum aufhalten. Fürs Feiervolk ist dieser Bereich uninteressant.

  • Minale am 20.11.2023 11:56 Uhr / Bewertung:

    Finde das sehr schade und ärgerlich. Wenn ich einen Wintererraum betrete, freue ich mich und halte Ordnung. Und so machen es auch die Meisten, steht ja drin dass es ein Einzelfall ist, und eben wahrscheinlicher, weil eben mehr in die Berge heutzutage gehen. War schon in der silvretta und in Vorarlberg drin und da sah es top aus. Darum umso mieser, wenn dieses Angebot, das so viele dankbar nutzen, nun verschwindet, natürlich zurecht. Aber hier wieder die saublöden aussagen, es würde an der Erziehung liegen, heute seien alle verkommen, etc. - wie arrogant ist das eigentlich? Wer lesen kann ist klar im Vorteil, denn es wird ausdrücklich erwähnt, dass es ein Einzelfall ist. Aber Hauptsache auf Junge wettern und rumstänkern. Das finde ich genauso widerwärtig wie die Sauerei die sie hinterlassen haben.

  • Conrad am 20.11.2023 14:17 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Minale

    Man kann sich leider nicht vorstellen, dass ein erfahrener Bergsteiger oder auch etwas Älterer diesen Dreck hinterlässt.
    Also können es nur die Jungen sein, die dort Party feiern.
    ( Denn diese Sorte hat keine Erziehung mehr , da kann einer dagegenreden wie er will,)

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