Ein Jahr nach der Flut: "Bei Regen komisches Gefühl"

Neubeginn nach der Hochwasser-Katastrophe. Im Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf mussten 100 Häuser abgerissen werden. Die Flut-Angst aber bleibt bei vielen Betroffenen.
dpa/az |
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In Passau wird am Abend des 3. Juni der Rekordpegel von 12,89 Meter gemessen.
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Als die Flut geht bleibt der Schlamm.
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Viele Häuser wurden bei der Flut zerstört.
dpa 23 Viele Häuser wurden bei der Flut zerstört.
Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist groß: In der vom Hochwasser schwer betroffenen Stadt Deggendorf sammelt der Kreisjugendring (KJR) Sachspenden für die Flutopfer.
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Wenig später ist nur noch die Heckklappe zu sehen.
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Die Isar-Auen werden überschwemmt.
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Die Isar-Auen werden überschwemmt.
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Neubeginn nach der Katastrophe. Im Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf wird ein Jahr nach der Flut rege gebaut. Etwa 100 Häuser mussten abgerissen werden, noch in diesem Sommer können die Menschen in ihre neuen Häuser. Die Angst aber bleibt bei vielen Betroffenen.

Deggendorf – Es hat tagelang geregnet in Fischerdorf. Dunkle Erinnerungen werden daher wach bei den Menschen im Deggendorfer Stadtteil. Vor einem Jahr stand das Dorf bei der größten Flutkatastrophe seit Jahrzehnten in Bayern mehr als drei Meter unter Wasser. „Ich habe heute gedacht: Genauso hat es vor einem Jahr angefangen. Ich habe bei Regen noch immer ein komisches Gefühl“, sagt Betty Weinberger.

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Gemeinsam mit ihrem Ehemann Luitpold sitzt die 75-Jährige im neuen Esszimmer, in dem vor einem Jahr das Wasser noch zwei Meter hoch stand. An Umzug oder Aufgabe haben die beiden nie gedacht. „Es ist mein Elternhaus. Da kriegt mich auch die Flut nicht raus“, sagt der 74-jährige Mann energisch. Mit Hilfe der vier Kinder und ihrer Ehepartner wurde das Haus wieder hergerichtet.

Luitpold Weinberger führt akribisch Tagebuch. „Fünf Monate und vier Tage nach der Flut konnten wir wieder in unser Haus“, erzählt er. In seinem Computer dokumentiert er alles: wann der neue Estrich, die neuen Böden verlegt und die Möbel geliefert wurden. Auch wenn die Handwerker zu spät oder gar nicht kamen, hat er es aufgeschrieben. „Für so wenig Quadratmeter waren Fliesenleger gar nicht zu kriegen“, berichtet er. Kurzerhand hat er das meiste alleine gemacht: Wände verputzt, Fliesen und Holzböden verlegt sowie Türen und Rahmen abgeschliffen.

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Für die neue Einrichtung hat das Ehepaar 21 500 Euro staatliche Hilfe bekommen. Gelangt hat das nicht. Das Ehepaar musste den gesamten Hausrat ersetzen: in der Küche, im Ess-, Wohn- und Schlafzimmer. Das Bad musste komplett renoviert werden. Geblieben war dem Ehepaar nicht viel, nicht mal die Kleidung. Aber als Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse hat der 74-Jährige einen Wecker behalten. Er stand auf dem Nachttisch als Anfang Juni das Wasser kam. Stehengeblieben ist er um 01.25 Uhr. Da war das Ehepaar bereits vor den Fluten geflüchtet.

Während die Weinbergers ihr Haus retten konnten, stehen die Seidlers vor dem kompletten Neuanfang. Das Bild ihres umspülten Hauses mit der grünen Hecke ging um die Welt – ein Sinnbild der Katastrophe. „Ich war dabei, als das Haus abgerissen wurde. Das tat schon weh“, sagt Dietmar Seidler. Ein Jahr nach dem Hochwasser steht der Rohbau, der nach den Plänen des alten Gebäudes errichtet wurde. „Das Haus steht jetzt aber fast 80 Zentimeter höher. Das war eine Vorgabe der Behörden“, erklärt der 75-Jährige.

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Nach der Erfahrung aus dem Vorjahr hat das Landratsamt klare Bedingungen für die Neubauten gemacht. So müssen hochwassersichere Heizungsanlagen eingebaut, die Elektroverteilung im Dachgeschoss angebracht werden und ein Rettungsgeschoss vorhanden sein. Zudem wurden Gasleitungen gelegt, nachdem vor allem das Heizöl aus den zerborstenen Tanks im Vorjahr für die immensen Gebäudeschäden verantwortlich gemacht wurden. „Wir schreiben die Heizart nicht vor. Ich rate aber dringend davon ab, Ölheizungen einzubauen“, sagt Landrat Christian Bernreiter (CSU).

Nicht ganz freiwillig wählte Josef Straßer eine dritte Variante des Neuanfangs. Nachdem sein Elternhaus, in dem er 30 Jahre gelebt hatte, abgerissen werden musste, durfte er an gleicher Stelle nicht neu bauen. Die Stadt bot ihm ein Tauschgrundstück 500 Meter entfernt an. „Ich habe angenommen, weil ich als alter Fischerdorfer nicht weit weg wollte. Einen alten Baum verpflanzt man nicht so einfach“, sagt der 62-Jährige.

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Jeden Tag kommt der städtische Kraftfahrer nach der Arbeit zum Neubau und kontrolliert die Arbeiter. Er hatte zum Glück eine Elementarversicherung. „Wenn sich die Kosten für die Möbel im Rahmen halten, zahle ich nicht drauf.“ Mitte Juli will er gemeinsam mit seiner Frau einziehen. Seit einem Jahr wohnen sie etwa fünf Kilometer entfernt zur Miete in einer kleinen Wohnung.

Einen konkreten Wunsch hat Straßer für den Umzugstag: „Meinen Rosenstock will ich dann mitnehmen. Ihm geht es derzeit nicht gut.“ Bei dem Hochwasser waren alle Pflanzen in seinem Garten eingegangen. Nur an dem einen Strauch blühte selbst in der größten Katastrophe eine rote Rose. Deshalb hatte er den Stock ausgegraben. Damals hatte er gesagt: „Wenn die Rosen es schaffen, dann ich auch.“ Er scheint auf einem guten Weg zu sein.

 

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