"Ein Foul" – Aiwanger und Kaniber zoffen sich um den Wassercent
München – Eine Geldquelle im wahrsten Sinne des Wortes haben Freie Wähler und die CSU in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt: "Um die Kostbarkeit unseres Trinkwassers zu unterstreichen und um dieses noch besser zu schützen, führen wir einen zweckgebundenen Wassercent ein."
Mit den Einnahmen sollen ausschließlich wasserwirtschaftliche Vorhaben und Maßnahmen des effektiven Wasserschutzes sowie der nachhaltigen Wasserbewirtschaftung finanziert werden, heißt es weiter. Schon jetzt ist klar, dass es nicht nur bei einem Cent pro Kubikmeter bleiben wird - der Begriff ist eher symbolisch zu sehen.
Andere Bundesländer haben Wassercent
Nur in Bayern, Thüringen und Hessen gibt es den Beitrag bisher nicht, in allen anderen Bundesländern schon. In Baden-Württemberg etwa müssen Privathaushalte zehn Cent pro Kubikmeter zahlen, 1,5 Cent die Industrie.
Eigentlich sind Verträge, auch Koalitionsverträge zum Vertragen da. Nur in der Realität, da sieht es oft ganz anders aus. Alles Auslegungssache, denken sich offenbar Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). In zwei separaten Interviews in der "Passauer Neuen Presse" haben sie sich öffentlich gestritten.
Der Streit zwischen Kaniber und Aiwanger entzündet sich an den Bauern. Denn nach Aiwangers Vorschlag müssten die den Wassercent bezahlen, sofern sie ihr Wasser aus der öffentlichen Versorgung beziehen.
Kaniber kritisiert außerdem, dass die Getränkeindustrie "voll" für den Wassercent aufkommen müsse, "der für die Wasserkategorie Tiefengrundwasser enorm hoch ist". Das wäre laut Kaniber ein Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu anderen Bundesländern.
Wasser-Euro statt Cent?
Der "Wasser-Euro" statt eines Wassercents sei zu hoch, zumal große Wasserverbraucher mit eigenem Brunnen bevorzugt würden.
Grundsätzlich sei Kaniber aber dafür, dass auch die Bauern den Wassercent zahlen müssen.
Sie solle nicht so tun, als müsse sie die Landwirte, Hauptklientel der Freien Wähler, und die Wirtschaft beschützen, wirft Aiwanger in der "PNP" wiederum Kaniber vor. Sogar von einem "Foul" Kanibers spricht er. Wenn es nach Aiwanger geht, sollen Landwirte oder Unternehmer, die einen eigenen Brunnen haben und daraus ihr Wasser beziehen, "nichts zahlen müssen, er verursacht ja damit auch keine Kosten für die Allgemeinheit". Bei diesen kleinen seien die Kosten eh schon sehr hoch, teilweise würden sie auch bezuschusst.
Gleiches gelte für Industriebetriebe, "die vielleicht Wasser zur Kühlung des Betriebes aus dem Fluss" holen. Stattdessen sehe der Vorschlag der Freien Wähler vor, "von allen Wasserbeziehern, die den Wasserhahn aufdrehen, die an einer Leitung hängen und nicht ihren eigenen Brunnen haben, einen Betrag X einzusammeln".
So sollten die Wasserversorger bayernweit zukunftsfähig gehalten werden, "damit nicht am Ende irgendein Investor die Wasserversorger aufkauft", sagte Aiwanger. Die CSU habe keinen Plan, findet er.
Klaus Holetschek motzt elegant
Stimmt das? Nachgefragt bei Fraktionsvorsitzendem Klaus Holetschek. Der motzt erst einmal über Aiwanger, wenn auch eleganter. Er sei verwundert, dass sich zum Wassercent nur noch der Wirtschaftsminister und nicht das eigentlich zuständige Umweltministerium äußere.
"Es stellt sich schon die Frage, ob Hubert Aiwanger, bevor auf er auf unsere Landwirtschaftsministerin losgeht, sich nicht besser um den eigentlichen Konflikt mit dem Umweltministerium, das von seiner eigenen Partei geführt wird, die eigentlich eine ganz andere Lösung wollte, kümmern sollte", sagt Holetschek.
Aiwanger und Klimaschutz: Vorfall um die Windräder
Er spielt darauf an, dass Aiwanger öffentlich den Zeitrahmen der Klimaschutzziele infrage gestellt hatte – also jener Ziele, die sein eigener FW-Kollege und Umweltminister Thorsten Glauber festgelegt hatte.
Zudem wurde in der Vorwoche bekannt, dass dem Wirtschaftsministerium ein "Fehler" unterlaufen ist und die Anzahl der Windräder im Klimabericht verkehrt ist. Für den Grünen-Abgeordneten Martin Stümpfig stellt sich die Frage, ob es sich dabei um Betrug oder einen Fehler handelt.
In Bezug auf den Wassercent denkt Aiwanger für Holetschek wohl zu klein, denn für die CSU sei klar, dass es eine Gesamtstrategie brauchte, "die wir von Seiten der Freien Wähler immer noch vermissen".
Freie Wähler: "Wir haben geliefert!"
Das will wiederum Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler, nicht auf sich sitzen lassen. So wie er es darstellt, habe eher die CSU was verpennt: "Wir Freie Wähler haben geliefert!" Einfach und unbürokratisch nennt er den Vorschlag.
Leider schweige sich die CSU "bis heute darüber aus, welche Vorstellungen sie hat - obwohl es Ministerpräsident Markus Söder höchstselbst war, der den Wassercent vor drei Jahren in einer Regierungserklärung ankündigte."
Nur: Ministerpräsident Markus Söder sagte bei einer Kabinettssitzung, dass Umweltminister Glauber einen Vorschlag für den Wassercent geliefert habe, es jedoch Änderungswünsche aus der Fraktion der Freien Wähler gegeben habe.
Alles viel zu spät für die Grünen
Dass bereits zu viel Zeit schon auf der Strecke geblieben sei, findet auch Claudia Köhler, haushaltspolitische Sprecherin der Grünen. "Eigentlich war ein Gesetzesentwurf ja schon vor der Sommerpause angekündigt – da ist aber wieder nix gekommen", sagt Köhler.
Abgesehen von dem Schutz geht es auch um Einnahmen für den Staatshaushalt in Zeiten ohnehin knapper Kassen. Der Wassercent ist dabei kein Tropfen auf dem heißen Stein: Die Grünen haben einen eigenen Gesetzesvorschlag eingebracht, der 2025 laut Köhler 120 Millionen Euro Einnahmen bringen könnte.
Mehrbelastung von 5 bis 8 Euro pro Jahr
"Der Normalverbraucher im Haushalt wäre nur mit fünf bis acht Euro pro Jahr mehr belastet", sagt Köhler. Die Großverbraucher und wasserintensive Industrien wären mehr belastet.
In Baden-Württemberg wurden Landwirte 2010 von der Abgabe befreit. Eine mögliche Folge: Laut dem baden-württembergischen Umweltministerium ist die Wasserentnahme von 2010 bis 2020 massiv gestiegen. Genaue Zahlen liegen jedoch laut einem Bericht des SWR nicht vor, weil die Entnahmen nicht gemessen werden.
Übrigens ganz ähnlich wie in Bayern – eine Anfrage der Grünen sowie Recherchen des BR und der "Mainpost" haben ergeben, dass die Datenlage unklar ist.