Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung: Söder will Bayern ein "Update" verpassen
München - Als Fan des Feuilletons kennt man Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sonst nicht. Am Donnerstag klang er fast so: ",Warten auf Godot' ist nicht Bayern-like!"
Bei seiner Regierungserklärung im Landtag überraschte Söder nicht nur mit seiner Anlehnung an Samuel Beckett, sondern in vielerlei Hinsicht. Er will Bayern "ein Update" verpassen, einen massiven Schub im Dreigestirn von Modernisierung, Digitalisierung und Entbürokratisierung.
Alle 50 Neuerungen und rund 100 Vorschläge stellte der Ministerpräsident zwar nicht im Detail vor, aber doch viele. Er sieht seine Initiative als Reaktion auf die Ampel und gibt vertraute Töne von sich: Die Regierung in Berlin verstärke den Verdacht, dass sie "bewusst den Norden bevorzugt und den Süden Deutschlands benachteiligt".
Zumal: "Bayern finanziert schließlich die halbe Bundesrepublik über den Länderfinanzausgleich!"
Söders "Update" - Ein Überblick
Entbürokratisierung: Mindestens zehn Prozent aller Verwaltungsvorschriften will Söder ersatzlos streichen. Ohnehin hatte er bereits angekündigt, die Paragrafenbremse verschärfen zu wollen. Das bedeutet, dass für ein neues Gesetz künftig zwei existierende wegfallen sollen.
Außerdem sollen neue Gesetze eine Art Mindesthaltbarkeitsdatum bekommen: Nach fünf Jahren fallen sie entweder weg oder werden verlängert.
Erst am Mittwoch hatte der Haushaltsausschuss über den Bericht des Obersten Rechnungshofs diskutiert. Dieser monierte unter anderem, dass Bayern sehr viele Förderprogramme auflegt und dadurch enorm viel Bürokratie generiert.
Digitalisierung: Auch die Verwaltung soll laut Söder einen Schub bei der Digitalisierung erhalten - natürlich lässt er nicht unerwähnt, dass Bayern in dem Bereich eh schon führend sei.
Baurecht: Es fehlen Wohnungen, auch in Bayern. Entsprechend soll das Baurecht abgespeckt und vereinfacht werden: keine Baugenehmigungen mehr für Dachausbauten oder die Umwandlung von Büroflächen zu Wohnraum, flexiblere Abstandsflächen. Gestrichen werden sollen Stellplatzpflichten, erhöht hingegen die Bagatellgrenzen.
Staatliche Aufträge: Söder wagt sich an ein ganz heißes Eisen: Das bislang sehr strenge Vergaberecht soll deutlich gelockert werden. Die Grenzen, ab denen große Ausschreibungsverfahren verpflichtend sind, sollen kräftig angehoben werden.
Ehrenamt: Veranstaltungen von Vereinen sollen künftig im Wiederholungsfall nur noch angezeigt und nicht mehr neu genehmigt werden müssen.
Söder will runden Tisch für Bürgerentscheide
Bürgerentscheide: Ein Pensionär soll's richten: Um Bürgerentscheide "weiterzuentwickeln", will Söder einen runden Tisch einführen - unter Leitung des früheren Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU). Dieser hatte sich aus der Politik zurückgezogen. Dass Bürgerentscheide vieles blockieren, ist Söder ein Ärgernis.
Erneuerbare Energien: Mehr als 85 Wasserkraftwerke sollen ab 2030 zurückgekauft werden. Und das laue Lüftchen der bayerischen Windkraft will der Ministerpräsident beschleunigen, die viel kritisierte 10-H-Regelung aber beibehalten. Windkraftbetreiber sollen sich mit den Kommunen über eine Beteiligung einigen: entweder mittels vergünstigter Stromtarife oder über eine Beteiligung der Bürger.
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) ist zwar wegen einer Konferenz mit den Ländern nicht im Landtag während Söders Rede, doch sein Chef lobt ihn explizit: "Der jüngste Einsatz für den Wind, auch gerade in Marktl, ist vorbildlich und lobenswert."
Beobachter lesen Söders Offensive jedoch auch als implizite Kritik und Eingriff in Aiwangers Aufgabenbereich.
Söder will die Mittelstandsfinanzierung reformieren
Stromtrassen: Keine Rede von "Monstertrassen", sondern: "Überirdisch wo möglich, unterirdisch wo nötig", sagt Söder. Das soll den Bau schneller und billiger machen, bedeutet aber eben auch, dass damit die überirdische Trasse die Regel wird.
Fachkräfte: Ganz ohne Anglizismen geht es in Bayerns Wirtschaftspolitik selten: Eine "Fast Lane" (engl. schnelle Spur) soll es für Fachkräfte aus dem Ausland bei der Regierung von Mittelfranken geben. Diese soll ausländischen Fachkräften und der Wirtschaft als Ansprechpartner dienen.
Zudem soll es für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse nur noch je eine zentrale Stelle pro Beruf geben. "Ohne Fleiß kein Preis", sagt Söder. Dem Fachkräftemangel, der auch Bayerns Beamtenapparat trifft, setzt der Ministerpräsident unbequeme Botschaften entgegen. 36 Prozent der Mitarbeiter in den Ministerien nutzen Home Office, 42 Prozent der Staatsdiener seien in Teilzeit, im Schuldienst sogar teils über 50 Prozent. "Obwohl die Wahrheit ist, dass wir in einigen Bereichen auch Personalmangel haben. So richtig passt das nicht zusammen!"
Dass diese Forderung nicht auf viel Gegenliebe treffen wird, ist dem Ministerpräsidenten bewusst, noch in der Rede appelliert er an den Beamtenbund.
Förderung: Söder will die Mittelstandsfinanzierung reformieren. Die Förderbank LfA soll ausgebaut, mögliche Fördersummen sollen verdoppelt werden. Für Start-ups soll ein neuer Super-Risikokapitalfonds geschaffen werden. Und um die Abwanderung von Firmen ins Ausland zu bremsen, soll es einen neuen sogenannten Transformationsfonds geben, um Unternehmen zum Bleiben zu bewegen und bei Transformationsprozessen zu unterstützen.
"Das weiß-blaue Imperium schlägt zurück!"
"So, das war jetzt vorläufig", sagt Söder über sein "Update". Finanziert sollen seine Pläne aus vorhandenen Mitteln, Umschichtungen und Resten werden. Für 2025 rechnet er mit Kosten von rund 200 Millionen Euro.
So ganz ohne die Söder-typischen "Star Wars"-Anleihen geht's dann doch nicht: "Das weiß-blaue Imperium schlägt zurück!"
Der Grüne Johannes Becher sagt: "Es kommt auf die Taten an", auch wenn vieles gut klinge. Nur habe Söder schon viele gute Vorschläge gehabt: "Und wie das halt mit Vorsätzen zum Abspecken so ist: In der Ankündigung scheint der Geist willig, doch in der Umsetzung ist das Fleisch schwach!" Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag kritisiert zudem, dass vieles nix Neues sei und "seit Jahren diskutiert" werde: Planungssicherheit, bezahlbare Energie und die Anerkennung von Fachkräften etwa. "Das hat mich gewundert", sagt Becher.
Dass die untere Verwaltungsebene "einfach mal entscheiden und nicht so genau hinschauen" solle, findet Becher nicht gut.
Denn am Ende seien die Politiker weg, wenn die untere Verwaltungsebene bei Fehlern den Kopf hinhalten müsse.
"Es reicht nicht, wenn man immer nur darüber redet"
Ausgerechnet die bayerische Bekämpfung von Cannabis sieht Becher als "politisch motivierte Bürokratie" und rieb das Söder als "unglaubwürdig" unter die Nase.
Becher spricht sich zudem für Bürokratieabbau, nicht jedoch für "Demokratieabbau" mit Hinblick auf eine Veränderung bei Bürgerentscheiden aus.
SPD-Fraktionschef Florian von Brunn ätzt, Söders Plan sei vielleicht "als Karriereturbo" für ihn selbst gedacht. In der Hinsicht sei der Ministerpräsident deutlich aktiver: "Armin Laschet kann sich noch gut dran erinnern." Der CDU-Kandidat war von Söder im Wahlkampf eher demontiert als unterstützt worden. Einige Fakten ordnet Brunn anders ein: Etwa dass der frühere CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber die Wasserkraftwerke privatisiert habe und dass der von Söder beschriebene Bauturbo, etwa der beschleunigte Dachgeschossausbau, von Kanzler Olaf Scholz (SPD) stamme. Zumal die CSU die Windkraft verhindert habe.
"Es reicht nicht, wenn man immer nur darüber redet", sagt Brunn und verweist auf die 10.000 Wohnungen der BayernHeim sowie die Kitaplätze, die viele Frauen hinderten, Vollzeit zu arbeiten. Wie Becher spricht auch Brunn den fehlenden Hochwasserschutz an. Bayern müsse sich wieder mehr am Allgemeinwohl, denn an Einzelinteressen orientieren. "Daran werden wir Sie messen!" so Brunn.