Direktkandidaten für die Landtagswahl: Anti-Aging bei der CSU
München - Es ist eine Zahl, die in der CSU immer noch Angst auslöst: Nur 31,7 Prozent der Zweitstimmen hat die Partei bei der vergangenen Bundestagswahl geholt. Und das nach der ohnehin schon missratenen Landtagswahl mit 37,2 Prozent. Die Zeiten von "50 + x" scheinen damit endgültig vorbei zu sein.
Nur 15 Prozent der unter 24-Jährigen wählten CSU
Bei der Bundestagswahl 2021 gaben nur 15 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ihre Zweitstimme der CSU. 21,1 Prozent entschieden sich für die Grünen, 19,5 Prozent für die FDP.
Viele finden, dass die CSU ein Verjüngungsprogramm braucht. Hinter vorgehaltener Hand ist da von Meuterei oder zumindest konzertierter Aktion der Jungen Union (JU) die Rede, mit dem Ziel, die Landtagsfraktion zu verjüngen.
Verjüngungsprogramm: 22 der 80 aufgestellten Direktkandidaten sind neu
Von den 80 bisher aufgestellten Direktkandidaten sind 22 neue Köpfe dabei. Wobei die Verjüngung relativ zu sehen ist: Nur vier Kandidaten sind unter 40. Einer davon ist aber tatsächlich sehr jung: Kristian von Waldenfels tritt mit 22 Jahren im Hofer Land an.
Der JU-Vorsitzende in Bayern, Christian Doleschal, beschwichtigt den Eindruck einer Rebellion im Gespräch mit der AZ. Aber es ist ihm anzuhören, dass ihn der Generationenwechsel freut: "Es gibt einen Schub an Verjüngung!" Wichtig sei das, schließlich dürfe man die Bindungswirkung an die jüngere Generation nicht verlieren. Insgesamt wolle man professioneller und vor allem digitaler werden.
Doleschal: Karriereweg meist über JU geführt
Nicht jedem gefällt es, welche Kandidaten jetzt zum Zuge kommen. "Was man kriegt, sind Leute, die bis auf die JU noch nicht viel vom Leben gesehen haben", sagt ein langjähriger Landtagsabgeordneter.
Dem widerspricht Doleschal entschieden: "Das habe ich ja noch nie gehört und das stimmt so auch nicht." Es sei in der CSU eben immer so gewesen, dass der Karriereweg meist über die JU geführt habe.
Zumal ein Großteil der Kandidaten fundierte Erfahrung in der Kommunalpolitik habe und sich nicht verstecken müsse. In der Tat sind viele Bürgermeister unter den Nominierten und die Bewerber kommen aus unterschiedlichen Berufen.
Konrad Baur: Keine Ausbildung oder vollendetes Studium
Mancherorts rümpfen langjährige CSU-Mitglieder auch die Nase ob der unkonventionellen Lebensläufe. Etwa in Traunstein, weil der dortige Direktkandidat Konrad Baur mit seinen 33 Jahren weder über eine abgeschlossene Berufsausbildung noch über ein vollendetes Studium verfügt. Gewählt wurde Baur mit 99 Prozent der Stimmen – es gab jedoch auch keinen Gegenkandidaten.
Frauen bleiben in der Minderheit
Die Kandidatenübersicht hat jedoch einen entscheidenden Makel: Nur 16 Kandidatinnen sind bislang nominiert. Also bleiben Frauen bei der CSU wieder deutlich in der Minderheit. "Ja leider Gottes", räumt Doleschal ein.
Einige Frauen, darunter die frühere Justizministerin Beate Merk, treten nicht mehr an. Die Nürnberger Abgeordnete Barbara Regitz ist in einer Kampfabstimmung unterlegen. Nun kann man sagen, das ist eben Politik.
Es hat aber schon ein Geschmäckle, wenn man sich die Stimmkreise genauer ansieht: In zwei von sechs Stimmkreisen, in denen die Grünen ein Direktmandat gewinnen konnten und der Wahlkampf entsprechend schwierig werden dürfte, sind nun zwei Frauen für die CSU nominiert.
Doleschal verweist auf die JU-Kandidatin Jenny Schack. Dass Schack aber den Masken-Vermittler Sauter ablösen soll und nun Vertrauen zurückerobern muss, sagt er nicht.
"Wir hatten vor 20 Jahren schon einen besseren Frauenanteil"
Für Ulrike Scharf, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales und Vorsitzende der Frauenunion in Bayern, ist die geringe Zahl an Frauen nicht überraschend. "Ja, damit müssen wir rechnen. Vor 20 Jahren hatten wir als CSU-Fraktion schon mal einen besseren Frauenanteil im Landtag", sagt Scharf der AZ. "Meine Partei ist immer noch eine Männerdomäne und es ist für Frauen schwer, sich durchzusetzen. Frauen müssen es sich aber auch zutrauen, zu kandidieren und ihren Anspruch anmelden. Junge Männer haben da keine Probleme und treten an."
Ob es nicht ein Fehler gewesen sei, dass gerade die JU sich gegen eine Quote ausgesprochen hatte? "Wichtiger ist, dass wir es als Partei schaffen, mehr Frauen als Vorsitzende zu etablieren. Denn oft ist es so, dass Kreisvorsitzende eben auch das Mandat bekommen. Da hilft dann eine Quote im Vorstand herzlich wenig", sagt Doleschal. Auf 40 Prozent sollte die Quote in Kreisvorständen 2019 erweitert werden, für den engeren Vorstand sogar auf 50 Prozent. Tatsächlich waren es gerade junge Frauen in der JU, die sich mit Händen und Füßen gegen die Einführung gewehrt hatten. "Eigentlich müsste man sie alle noch mal anrufen und fragen, ob das im Rückblick richtig war", sagt Scharf.
Nachgefragt bei Nicola Gehringer, Landesgeschäftsführerin der JU: "Ich lehne eine Frauenquote nach wie vor ab." Das werde sich vermutlich auch nicht ändern, auch wenn sie das von vielen älteren Parteifrauen zu hören bekomme. "Das Problem ist einfach, dass die CSU sehr viele Direktmandate gewinnt."
Auf der einen Seite sei das ja gut so. Nur: "Dadurch ziehen die Stimmkreislisten nicht." So haben die CSU weniger Einflussmöglichkeiten als andere Parteien. Gehringer glaubt, dass Frauen oft der Mut fehlt, zu kandidieren. Das sei aber nur ein Aspekt und diesen würde keine Frauenquote lösen.
Scharf will weiter für die Quote kämpfen – wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Dass Frauen die CSU dennoch guten Gewissens wählen können, findet sie schon. Es gehe hier um zweierlei Dinge.