Der verschwundene Archaeopteryx

1956 entdeckt ein Steinbruchbesitzer den Urvogel. Seit dem Tod des Finders ist das Fossil, das der Mann zeitweise unter seinem Bett versteckt hatte, verschollen. Hat er es aus Wut zerstört?
von  Helmut Reister
Das versteinerte Skelett eines Archaeopteryx. Nur zwölf dieser Fossilien wurden bislang gefunden – von einem fehlt jede Spur.
Das versteinerte Skelett eines Archaeopteryx. Nur zwölf dieser Fossilien wurden bislang gefunden – von einem fehlt jede Spur. © imago

Das National History Museum in London hütet die Steinplatte seit über 150 Jahren wie einen Schatz. Das Museum für Naturkunde in Berlin hat sich eine gesichert oder zum Beispiel auch das Paläontologische Museum in München. Zu den wenigen weiteren Auserwählten, die sich mit dem Abdruck eines 150 Millionen Jahre alten Archaeopteryx schmücken können und dadurch in die Zeit zurückversetzt werden, als sich Landtiere zu Vögeln erhoben, gehört seit kurzem auch das Dinosaurier-Museum in Denkendorf. Es ist eine Sensation, zweifellos.

Die Nummer acht auf der Liste der lediglich zwölf jemals gefundenen Exemplare, die nun den Weg auf verschlungenen Pfaden nach Denkendorf gefunden hat, war 20 Jahre ein Phantom.

"Ausgebuddelt" wurde das Urzeit-Objekt bereits Ende der 1980er Jahre auf dem Gemeindegebiet von Daiting. Doch wer der Finder war, der Eigentümer oder wo es aufbewahrt wurde, ist bis heute unklar. Auch, wer überhaupt davon wusste.

Erster belastbarer Hinweis auf Existenz 1997

Der erste belastbare Hinweis auf die Existenz des Urvogels tauchte 1997 in Form eines Abgusses auf, das Original blieb verschwunden. Bis das auftauchte, vergingen weitere zwölf Jahre: 2009 auf den Münchner Mineralientagen präsentierte es Fossilienhändler Raimund Albersdörfer.

Er ist ein europaweit bekannter Experte für fossile Fundstücke und durchaus geschäftstüchtig. Am Dinosaurier-Museum in Denkendorf ist er nicht ganz unmaßgeblich beteiligt.

Zu Grundlage seines Geschäfts gehört, dass er den materiellen Wert eines versteinerten Urzeit-Relikts präzise taxieren kann. Seine Antwort auf die naheliegende Frage, was ein Archaeopteryx kostet, fällt als gequältes Lachen ziemlich ungenau aus. Am Ende ist ihm der Satz zu entlocken, dass es im Einzelfall auch in den Millionenbereich gehen könnte – etwa bei einem privaten Sammler. Das grundsätzliche Problem, das sich bei derartigen Überlegungen stellt: Auf dem weltweiten Fossilen-Sammlermarkt waren Archaeopteryx-Exemplare noch nie zu finden. Oder doch?

Zumindest ein Wackelkandidat ist das "Maxberger Exemplar", die Nummer drei auf der Liste. Das Fossil gilt als verschwunden. Der Urvogel wurde 1956 von dem Steinbruchbesitzer Eduard Opitsch entdeckt und befand sich bis zu dessen Tod in seinem Besitz.

Fossil unter dem Bett aufbewahrt

Etliche Jahre war das Fossil ein Ausstellungsstück im Maxberger Museum, doch nach einem Zerwürfnis bewahrte Opitsch es die letzten Jahre seines Lebens daheim unter dem Bett auf, in ein Tuch eingewickelt.

Dort hat es sich nach Aussagen eines Freundes auch noch eine Woche vor dem Tod von Eduard Opitsch befunden. Mit dessen Ableben im Jahr 1991 verschwand auch der Urvogel. Unauffindbar, selbst nach Ermittlungen der Polizei. An diesem Zustand hat sich bis heute nichts geändert.

Zu den möglichen Szenarien, die vor allem in den Jahren nach dem Verschwinden rings um Solnhofen gehandelt wurden, gehört die eigentlich indizienlose These, dass Opitsch den Urvogel vor seinem Tod zerstört hat.

Fossilien-Experte Raimund Albersdörfer, der ja selbst einen Archaeopteryx besitzt, glaubt nicht an den bald 30 Jahre zurückliegenden Gewaltakt. Er ist überzeugt, dass es den Opitsch-Urvogel nach wie vor gibt. "Irgendwann", ist er sicher, "taucht er auf dem Markt auf." Und den kennt Raimund Alberndörfer wie kein anderer.

Ein Spaziergang durch die Welt der Dinosaurier

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