Datenschutz-Expertin zur Videoüberwachung: "Schritte zur Komplettüberwachung"

Wie viel Überwachung es im öffentlichen Raum in Bayern gibt? Unklar. Das kritisiert Verena Osgyan von den bayerischen Grünen. Die Landtagsabgeordnete ist in der Fraktion für das Thema Datenschutz zuständig.
AZ: Frau Osgyan, brauchen wir mehr Kameras?
VERENA OSGYAN: Wir Grünen haben immer gesagt: Wenn ein konkreter Anlass besteht – ein Kriminalitätsschwerpunkt, ein Großereignis – stellen wir uns Maßnahmen nicht in den Weg, die mehr Sicherheit bringen können.
Aber?
Für uns ist die Frage, und die wurde nie schlüssig beantwortet: Wie ist das Sicherheitskonzept hinter den flächendeckenden Maßnahmen der letzten Jahre? Wo haben Kameras Erfolge gebracht – wo nicht? Solange das nicht dargelegt wird, können wir nicht mehr Überwachung gutheißen. Vor allem nicht in Konzerthallen, in Einkaufszentren. Das sind Schritte zur Komplettüberwachung des öffentlichen Raums.
Joachim Herrmann argumentiert mit dem "Sicherheitsgefühl der Bevölkerung". Was bekommen Sie für Rückmeldungen in dieser Hinsicht?
Die sind sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen, die fühlen sich besser da, wo es Kameras gibt. Da geht es in der Regel um besonders sensible Bereiche wie Bahnhöfe. Die Rückmeldungen zu Kameraüberwachung im öffentlichen Raum ist kritischer: Es gibt da bei vielen ein großes Unbehagen darüber.
Mehr Kameras sollen helfen, Straftaten schneller aufzuklären. Das wäre doch gut.
Für mich ist das oft nur eine Scheinsicherheit, wenn kein schlüssiges Sicherheitskonzept vorliegt. Geschehen an diesen Plätzen Gewaltverbrechen oder geht es eher um Vandalismus? Ist da das Eindringen in die Privatheit der Bürger und Bürgerinnen gerechtfertigt? Sitzen irgendwo Personen, die die Kamerabilder beobachten und auch eingreifen? Werden die Aufnahmen gespeichert? Wie sind die Löschfristen?
Das wissen Sie alles nicht?
Wir wissen so gut wie nichts. Der letzte umfassende Überblick ist von 2012. Wir arbeiten gerade eine neue Anfrage aus.
Dem normalen Bürger ist es vielleicht egal, dass er mal beim Gehen gefilmt wird.
Es gibt da sehr unterschiedliche Studienergebnisse. Und im Moment bahnt sich bei dem Thema noch relativ wenig konkret an, aber es geht mit zunehmenden technischen Möglichkeiten in einen rechtlichen Grenzbereich. Zum Beispiel bei der Gesichtserkennung.
"Aber ich mache ja nichts Illegales", sagt der Bürger.
Selbst wenn jemand nicht in einer Datei gespeichert ist, können seine Bewegungsmuster erkannt und mit anderen Informationen verknüpft werden. Oder er ist am Rande einer Demo, mit der er nichts zu tun hat – wird ihr aber zugeordnet. Die Eingriffstiefe mit Kameraüberwachung ist viel höher, als es vielen vielleicht bewusst ist.