CSU nach Bundestagswahl: Parteivorstand unter Horst Seehofer berät in München

München - CSU-Chef Horst Seehofer hat die Verantwortung für das schlechteste CSU-Bundestagswahlergebnis seit 1949 übernommen - einen Rücktritt lehnt er aber weiterhin ab. Das verlautete am Montag aus Teilnehmerkreisen der CSU-Vorstandssitzung in München (aktuelle Infos im Liveblog). Als Konsequenz auf das desaströse Ergebnis will Seehofer den CSU-Vorstand auch über die Fortsetzung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag abstimmen lassen. Gleichzeitig kündigte er aber bereits an, an der ersten Unions-Fraktionssitzung in Berlin teilnehmen zu wollen.
Die CSU war am Sonntag nach Auszählung aller Wahlkreise auf nur noch 38,8 Prozent abgestürzt. Das bedeutet ein dramatisches Minus von mehr als zehn Prozentpunkten im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 (49,3 Prozent). Die CSU gewann aber alle 46 Direktmandate im Freistaat.
Rücktritt? - Seehofer will angeblich Vertrauensfrage stellen
An einen Rücktritt denkt Seehofer nicht: "Wenn jemand das anders will, dann soll er es sagen", sagte er schon vor Beginn der Sitzung. Teilnehmer gehen davon aus, dass Seehofer im Verlauf der Sitzung auch über die Vertrauensfrage abstimmen lassen will.
Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin kündigte Seehofer erneut einen harten Kurs seiner Partei an. Eine Regierungsbildung sei ohne die CSU nicht möglich, betonte er, fügte aber sofort an, dass die CSU verantwortungsvoll mit der Situation umgehen werde. "Für uns geht's vor allem um einen klaren Kurs Mitte-Rechts für die Zukunft", sagte er. An der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag will Seehofer aber weiter festhalten. Er halte es nicht für den richtigen Weg, diese aufzukündigen, sagte der Ministerpräsident nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur. Auch darüber will Seehofer den Angaben zufolge im Vorstand entscheiden lassen. Die CSU müsse jetzt nachweisen, dass sie die eigenen Wahlversprechen mit aller Konsequenz weiterverfolge.
CSU-Politiker: Ohne Obergrenze Gang in die Opposition
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kündigte unterdessen an, von der Schwesterpartei CDU eine intensive Debatte über den künftigen politischen Kurs der Union einfordern zu wollen. Rückendeckung für einen harten Kurs erhielt Seehofer noch vor der Sitzung von zahlreichen Vorstandsmitgliedern. "Ohne eine Obergrenze, die auch Obergrenze heißt, brauchen wir nicht aus Berlin zurückzukehren", sagte JU-Landeschef Hans Reichhart. Ohne Obergrenze für Flüchtlinge müsse die Partei den Gang in die Opposition antreten - auch wenn in der Folge gar keine Koalitionen mehr möglich wären. "Dann muss es eben Neuwahlen geben", betonte er. CSU-Vize Manfred Weber sagte: "Wir müssen jetzt unseren Kampfanzug anziehen."
Die von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vollzogene Positionierung der Union zur politischen Mitte sei gescheitert, ein "weiter so kann es jetzt nicht mehr geben", sagte CSU-Vize Barbara Stamm. "Eine Volkspartei braucht die ganze Bandbreite der Bevölkerung." Die Begrenzung auf die politische Mitte reiche nicht aus.
Innenminister Herrmann: "CSU muss eine Partei der Mitte bleiben"
Der CSU droht aber nach Ansicht von Spitzenkandidat Joachim Herrmann (Was wird aus ihm?) jetzt kein genereller Rechtsruck. "Wir müssen die rechte Flanke schließen, das heißt aber nicht, dass wir nach rechts rücken", sagte der bayerische Innenminister. Die CSU müsse weiter eine Partei der Mitte bleiben. Bei der Wahl habe sie nicht nur Stimmen an die AfD verloren, "sondern genauso viele an die FDP". Bayerns Finanzminister Markus Söder hat indes eine schonungslose Analyse der Ursachen gefordert: Das CSU-Ergebnis sehe so aus, dass man "ganz logischerweise nicht zur Tagesordnung übergehen kann, insbesondere deswegen, weil wir nächstes Jahr die Landtagswahl haben". Er sei aber gegen "Hau-Ruck- und Schnell-Analysen". "Das Wahlergebnis gestern hat Deutschland verändert und ein Stück weit auch Bayern und die CSU", sagte Söder. Die CSU stehe als kleinste Partei im Bundestag vor einer "epochalen Herausforderung", auch wegen des Erstarkens der AfD. "Wir müssen jetzt sehr aufpassen, dass die AfD nicht das wird, was die Linkspartei für die SPD ist: eine dauerhafte strukturelle Veränderung der Parteienlandschaft."
Zu seinen eigenen Karriereambitionen äußerte sich Söder, der als potenzieller Nachfolger Seehofers gilt, nicht. Eine offene Revolte gegen Seehofer zum jetzigen Zeitpunkt wurde CSU-intern ausgeschlossen. "Ich würde uns dringend davor warnen, über einen personellen Neuanfang auch nur nachzudenken", sagte Stamm.
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