CSU-Führungsfrage und Koalitionsverhandlungen: Seehofers Schicksalswochen

Jamaika-Gespräche und der interne Streit um seine Person: Der angeschlagene CSU-Chef muss liefern – und bittet um Zeit.
München - Entgegen seinen Gewohnheiten nicht besonders auskunftsfreudig zeigte sich CSU-Chef Horst Seehofer gestern am Rande einer Parteivorstandssitzung. "Ich bin sehr gelassen und schweige", sagte er vor Journalisten zur Personaldebatte, die in seiner Partei ausgebrochen ist.
Je höher der Druck, umso wohler fühle er sich, hatte Seehofer vor Wochen einmal bemerkt. Wenn dem so ist, müsste er sich in den kommenden Tagen pudelwohl fühlen. Gleich heute nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts fliegt er nach Berlin, wo er bis Samstag versuchen muss, die CSU-Interessen in den Jamaika-Gesprächen mit FDP und Grünen hochzuhalten.
Zuvor hatte sich der Parteivorstand in der Sitzung zusammengerauft. Man setzt nun – zumindest offiziell – wieder auf Einigkeit, Personaldebatten soll es erst wieder nach dem Parteitag, der Mitte November stattfinden könnte, geben. "Es geht nur mit allen", soll Markus Söder nach Teilnehmerangaben im Vorstand gesagt haben. Seehofer habe erklärt, es sei logisch, dass in der Partei diskuiert werde, aber in den Parteigremien solle man sich doch bitte an den vereinbarten Fahrplan halten.
Für die CSU will Horst Seehofer in Berlin "die rechte Flanke schließen"
Appelle zur Ruhe – denn keiner der an den in Berlin Koalitionsgesprächen beteiligten Parteichefs steht unter einem solchen Druck wie Seehofer. Ausgerechnet gegen die Grünen muss er ein Ergebnis erreichen, das zuhause als "Schließen der rechten Flanke" verkauft werden kann.
Und den Wählern in Niedersachsen sei "Jamaika" offenbar nicht sehr verheißungsvoll erschienen, merkte auch der neue CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt an. Dagegen habe Österreichs Nationalratswahl gezeigt, dass das Spektrum "Mitte bis demokratische Rechte" mehrheitsfähig sei. Dieses gesamte Spektrum müsse man "abbilden". Schöne Überlegungen, doch an der Basis rumort es wegen der Pleite bei der Bundestagswahl weiter.
Während viele in der Partei die Person an der Spitze für die wichtigste Frage mit Blick auf die Landtagswahl 2018 halten, liegt für Seehofer der Schlüssel in den Berliner Koalitionsverhandlungen. Ein Erfolg dort sei nur möglich, wenn die Partei als "monolithischer Block" zusammen stehe, mahnte Scheuer. Die Verhandlungen seien "entscheidend für das Jahr 2018".
Viele in der CSU wollen Markus Söder
Erst die Jamaika-Gespräche, dann die CSU-internen Personalia, so wünscht sich Seehofer die Reihenfolge. Erst wenn in Berlin ein "bedeutsamer Schritt nach vorne" vorliege, wolle man sich mit Personalfragen in der CSU und Bayern befassen, sagte Seehofer in der Sitzung. Doch die Rücktrittsforderungen gegen ihn reißen nicht ab. In vielen Bezirksverbänden wünscht man sich Finanzminister Markus Söder an der Spitze der CSU – auch in der Münchner CSU, die gestern Abend ihre Position im Vorstand klären wollte. München-Chef Ludwig Spaenle schien zuletzt in die Defensive geraten, im CSU-Vorstand soll er gestern kein einziges Mal das Wort ergriffen haben.
Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel wollte sich zur Personaldiskussion zwar nicht äußern, er sagte gestern aber zur AZ: "Was der CSU wirklich geschadet hat bei der Wahl, war die Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wo ist denn ist Alternative?" Und weiter meinte der ehemalige Bundesfinanzminister: "Den Kompromiss zwischen CDU und CSU, den hätte man schon vor einem halben Jahr finden können. Das Wort Obergrenze kann doch schon lange neimand mehr hören."
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