Komentar: Führungsfrage und Koalitionsverhandlungen - die Seehofer-Zwickmühle
Mitleid ist eine Kategorie, die in der Politik nur selten vorkommt. Das hat eine gewisse Berechtigung, denn in den allermeisten Fällen sind die Akteure, die in eine Mitleid erregende Situation geraten sind, daran selbst nicht unschuldig. Ein Beispiel dafür ist CSU-Chef Horst Seehofer. Der Mann hat derzeit wirklich genug um die Ohren: Eine vermasselte Wahl, in Panik geratene Parteifreunde, einen ebenso unerwünschten wie ehrgeizigen Nachfolger im Genick und Koalitionsverhandlungen, an deren Ende so etwas wie die (unmögliche) Quadratur des Kreises stehen soll: Mehr rechte Kante in einem Bündnis mit den Grünen – wie soll das funktionieren?
Und das vielleicht Schwierigste ist: So tun, als sei man zuversichtlich, gelassen, fröhlich und Freude am Werk während zumindest ein nicht unerheblicher Teil der lieben Parteifreunde eifrig an den Stuhlbeinen sägt.
Horst Seehofer will Markus Söder verhindern
Eigentlich wollte sich Seehofer das alles nicht mehr antun. Eigentlich wollte er Parteivorsitz und Spitzenkandidatur für die Landtagswahl zu diesem Zeitpunkt schon längst in jüngere Hände übergeben haben. Doch ein Wunschnachfolger wollte sich einfach nicht anbieten, sondern nur einer, den Seehofer auf keinen Fall will. Wahrscheinlich, lästert ein CSU-Mann, habe sich Seehofer zum "Lebensziel" gemacht, Markus Söder zu verhindern.
So hat Seehofer den entscheidenden Augenblick, in dem alle noch bedauern, wenn man geht, verpasst und ist in die Defensive geraten. In den Jamaika-Gesprächen muss jetzt er die Berechtigung, Partei und Freistaat weiter zu führen, herausverhandeln. Das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.