Corona-Politik der Staatsregierung: Eine Chronik der juristischen Klatschen

Immer wieder werden die Corona-Maßnahmen des Ministerpräsidenten von Gerichten gekippt – nun fällt das Grillverbot. Eine Chronik des Scheiterns
Ralf Müller |
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Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat Grund zur Trauermiene – ein weiteres seiner Corona-Verbote ist nun passé.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat Grund zur Trauermiene – ein weiteres seiner Corona-Verbote ist nun passé. © Peter Kneffel/dpa

München - Schauplatz war in der vergangenen Woche das breite Kiesufer der Isar in München: Ein Ehepaar über 50 legte in der dort ausgewiesenen Grillzone weitab anderer Sonnenanbeter gerade zwei Schweinesteaks auf einen mitgebrachten Grill, als zwei Bedienstete des städtischen Kreisverwaltungsamts erschienen. Sie müssten die Steaks wieder vom Grill nehmen und das Feuer löschen, verlangten die Ordnungshüter, wegen der Corona-Regeln. Bleiben könnten sie schon, das sei erlaubt.

Solch absurde Szenen ähneln denen zu Beginn der Pandemie, als übereifrige Ordnungshüter Rentner von Parkbänken verscheuchten.

Dem hat jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) einen Riegel vorgeschoben und das landesweit vorgeschriebene Grillverbot gekippt. Mit deutlichen Zeichen des Missvergnügens strich das Gesundheitsministerium die Vorschrift aus der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Die Grill-Saison neige sich sowieso ihrem Ende zu, hieß es. Aus Sicht der Corona-Bekämpfung sei die Gerichtsentscheidung aber ein "fragwürdiges Signal".

Hinzu kommt die juristische Klatsche für das Alkohol-Verbot die indirekt auch die bayerische Landesregierung trifft.

Der BayVGH, bei dem die meisten der Corona-Verfahren in zweiter Instanz landen, schaut jetzt genauer hin als zu Beginn der Pandemie, als die Infektionszahlen exponentiell in die Höhe schossen.

Keine Zustimmung für undifferenzierte Verbote

Undifferenzierte Verbote finden nicht mehr die Zustimmung des obersten bayerischen Gerichts in Verwaltungsangelegenheiten, wie etwa das der Gastronomie auferlegte Beherbergungsverbot für Gäste aus Regionen mit besonders hoher Infektionsrate.

Der Clou dieser damals unter dem Eindruck des Hotspots im Raum Bielefeld getroffenen Regelung: Das als "unverhältnismäßig" gekippte Beherbergungsverbot sollte nur für Bürger aus anderen Bundesländern gelten. Beanstandet wurde bereits im April das Verkaufsverbote für große Einzelhandelsgeschäfte.

Für "unverhältnismäßig" hielten die Richter ferner die ursprünglich vorgeschriebene Begrenzung der Bewirtungszeiten in Gaststätten auf die Zeit zwischen sechs und 22 Uhr. Es reiche aus, den Ausschank auf eine bestimmte Zeit zu begrenzen, meinten die Richter und erlaubten längere abendliche Öffnungszeiten.

Für Infektionsschutz unverhältnismäßige Verbote

Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte gleich mehrfach für juristische Niederlagen des Freistaats gesorgt: Bei den Beschränkungen für Geschäfte und Gastronomie sowie dem Verbot, Wellness-Anlagen zu nutzen, und zum anderen bei den Beschränkungen der Kinderbetreuung. Auch hier lautete die zentrale Begründung stets: "unverhältnismäßig". Der Grundgedanke ist immer ähnlich: Maßnahmen und Verbote dürfen nicht über das verfolgte Ziel, nämlich den Infektionsschutz, hinausschießen.

Die jüngsten Entscheidungen des BayVGH haben die Erfolgsbilanz der Staatsregierung in Covid-19-Angelegenheiten verschlechtert. Ende Juni noch hatte Staatskanzleichef Florian Herrmann die Zahl der "nicht gewonnenen" Gerichtsverfahren in Sachen Corona-Verbote auf gerade einmal acht von mehr als 200 beziffert.

Bayerns Ministerpräsident Söder ist aber der Ansicht, dass die paar verlorenen Fälle nicht groß ins Gewicht fallen. Die Corona-Verordnungen seiner Regierung seien generell "juristisch vertretbar und verhältnismäßig".

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18 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 03.09.2020 16:44 Uhr / Bewertung:

    Der erste Absatz des Artikels ist schon Satire pur. Sowas kann man sich nicht ausdenken. Ok, bei "Monthy Python" wäre sowas eventuell noch möglich gewesen. :-D
    Das ist wie mit dem Rentner, der nicht auf der Parkbank sitzen durfte. Oder die Frau mit ihrem Kind, die nicht auf der Wiese sitzen durfte. Oder der Mann, der mit der behinderten Frau einfach mal mit dem Auto rausfahren wollte.

    Aber gut, Söder kocht auch nur mit Wasser, so wie alle Politiker. Aber er hat ja heute schon ein Update angekündigt. Ich weiß nur noch nicht so genau, wofür.

  • Bongo am 04.09.2020 11:29 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Mei tscharlie, ich verstehs ja, daß ein Grüner wie Du nicht müde wird, gegen die Staatsregierung und Söder zu hetzen, wo es Euch doch gewaltig stinkt, daß ihr derzeit in der Politik nicht vorkommt und deshalb bei den Umfragen abgeschmiert seid. Immerhin habt Ihr Euch ja schon gleichauf mit der Union oder gar im Kanzleramt gesehen. Während nach den neuesten Umfragen sich 56% der Deutschen und sogar 75% der Unionsanhänger Söder als Kanzlerkandidaten wünschen, kommen Eure Kandidaten Habeck (der weder die Pendlerpauschale nicht die Aufgaben der BaFin kennt) oder Baerbock (die kürzlich vom Rohstoff „ Kobold“ sprach, in Wirklichkeit aber Kobalt meinte) in den Umfragen garnicht vor. Also, immer fest weiterhetzen, vielleicht kannst Du dadurch mithelfen, daß für Euch wieder bessere Zeiten kommen!

  • Der wahre tscharlie am 04.09.2020 15:02 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bongo

    Bongo, Bongo....tztztztztz. Von hetzen kann gar keine Rede sein. Die von mir angesprochenen Punkte sind in der AZ nachzulesen. Ergo Fakten! Die haben es sogar in Satiresendungen geschafft.

    Und es wäre schon traurig, wenn 75% der Unionsanhänger, wobei ich die Zahl mal etwas anzweifel, nicht auf Unionslinie wären und für Habeck wären.
    Und das Wort "Kobold" ist halt wieder ein gefundenes Fressen für euch. Darüber machen sich rechtere Seiten auch schon lustig drüber. Aber wenn man inhaltlich nichts findet, dann tut man so, als würde ein "Kobold" an der Regierungsbeteiligung scheitern.

    Vielleicht war es auch ein freudscher Versprecher, denn man sollte einen Kobold niemals unterschätzen. LOL

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