Alkoholverbot gekippt: Wo es die Stadt dennoch durchsetzen will
München - Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat am Dienstag das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt: Das Verbot, das OB Dieter Reiter (SPD) am Freitag per Allgemeinverfügung erlassen hatte, ist unverhältnismäßig!
Zumindest, wenn es sich auf die gesamte Stadt bezieht. Der VGH hat somit einem Münchner Anwalt, der als Einzelperson geklagt hat, Recht gegeben. Obwohl das Alkoholverbot theoretisch noch für die Allgemeinheit gegolten hätte, gab der OB kurz nach dem Urteil bekannt: Das Verkaufsverbot von Alkohol zum Mitnehmen ab 21 Uhr sowie das Konsumverbot ab 23 Uhr in der Öffentlichkeit gilt in München nicht mehr, die Allgemeinverfügung wird überarbeitet.
So begründet das Gericht das Urteil
Der Verwaltungsgerichtshof führt in der Begründung seiner Entscheidung aus: Das Verbot des Alkoholkonsums im öffentlichen Raum könne "als notwendige Schutzmaßnahme voraussichtlich auf das Infektionsschutzgesetz gestützt werden". Sie sei zwar ein geeignetes Mittel, um der Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken, weil sie dazu beitrage, Menschenansammlungen zu vermeiden.
Hinzu komme, dass Alkoholkonsum im Einzelfall aufgrund seiner "enthemmenden Wirkung" während der Corona-Pandemie zu "problematischen Verhaltensweisen" (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen) führen könne. Vor allem dann, wenn sich viele Menschen versammeln — wie es am Gärtnerplatz zuletzt der Fall war. Die Regelung der Allgemeinverfügung erweise sich allerdings als "nicht erforderlich und damit als unverhältnismäßig", soweit sie sich auf das gesamte Stadtgebiet erstrecke.
Kommt das Alkoholverbot jetzt an bestimmten Orten?
Genau auf die Party-Hotspots, die ursprünglich im Rathaus die Diskussion über ein Verbot ins Rollen gebracht hatten, will Reiter sich jetzt konzentrieren. Er sagte am Dienstag: "Ich habe die Stadtverwaltung beauftragt, eine neue Allgemeinverfügung zu verfassen, die alle Maßgaben der richterlichen Entscheidung berücksichtigt und so bald wie möglich veröffentlicht wird." Zunächst gehe es um den Gärtnerplatz und die Isarauen.
Im Rathaus war man sich, wie schon beim Erlassen der Allgemeinverfügung, auch jetzt (fast) einig darüber, dass es ein Verbot, wenn auch in abgeschwächter Form, geben muss. Wenn nötig, dann nun eben örtlich begrenzt.
"Wir begrüßen die Entscheidung des VGH", sagte FDP-Fraktionschef Jörg Hoffmann zur AZ, "dass die Maßnahme stadtweit gelten sollte, war einfach zu viel." Stadtrat Hans Theiss (CSU) fordert konkret: "Wir wollen die Anwendung des Bamberger Modells, das bereits gerichtlich überprüft wurde." Das Modell legt den Zeitraum und die vom Alkoholverbot betroffenen Plätze genau fest.
Die Linke, die schon letzte Woche als einzige Fraktion gegen das Verbot gestimmt hatte, legt nach in ihrer Kritik am OB. Stadtrat Stefan Jagel: "Jetzt haben wir Zeit verloren, um die Alternativen zu diskutieren und auf den Weg zu bringen. Das Alkoholverbot war aus unserer Sicht von Anfang an nicht die richtige Lösung."
Corona-Inzidenz fällt auf unter 35
Vielleicht, mutmaßt Reiter, löst sich das Problem bald von allein. Die für die Maßnahmen relevante Inzidenzzahl, also die Zahl der Ansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, ist am Dienstag unter den kritischen Wert von 35 gesunken. Reiter: "Wenn der Trend sich fortsetzen sollte, könnten wir insgesamt von einem Alkoholverbot absehen." Es gehe ihm nicht darum, "Spaßverderber" zu sein, "sondern das Infektionsgeschehen so gut wie möglich im Griff zu behalten".