Bildungs-Wirrwarr in Bayern: G8 oder G9?

Der Druck auf die CSU bei einer neuen G8-Reform nimmt zu. Trotzdem hat Horst Seehofer gestern abgelehnt, sofort zum neunjährigen Gymnasium in Bayern zurückzukehren. Die AZ gibt einen Rück- und Ausblick auf die G9-Debatte.
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Ludwig Spaenle und Horst Seehofer planen wohl eine neue Gymnasialreform für das Schuljahr 2017/18.
Ludwig Spaenle und Horst Seehofer planen wohl eine neue Gymnasialreform für das Schuljahr 2017/18. © dpa/az

München - Mehrere Jahre lang wehrte sich die CSU mit allen Mitteln: Es sollte keine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium geben. Dann aber kam die Mittelstufe plus – womit Schüler an Pilotschulen die Mittelstufe nun wieder in vier Jahren durchlaufen dürfen. Und die dortige Abstimmung ist eindeutig: Der größere Teil der Schüler will zurück zu einer neunjährigen Gymnasialzeit. Kommt nun die CSU-Wende?

Die Vorgeschichte

Es war eine Hau-Ruck-Entscheidung des Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU): Zum Schuljahr 2004/05 ging das um ein Jahr verkürzte Gymnasium (G8) an den Start. Doch das Gymnasium blieb eine Baustelle. Schüler würden überfordert, hätten keine Zeit mehr für Sport und Ehrenamt – das war der Tenor der Kritik.

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Was bisher geschah

Die CSU versuchte, den Dauerstreit mit einem neuen „Flexibilisierungsjahr“ zu lösen. Schüler sollten in der Mittelstufe freiwillig ein Zusatzjahr einschieben. Doch das Angebot floppte. Dann, 2014, der Paukenschlag: Erstmals zeigte sich die CSU offen für G9-Züge am Gymnasium: für Schüler mit „pädagogischem Bedarf“. Zum Schuljahr 2015/16 ging die Mittelstufe plus an den Start – zunächst an Pilotschulen. Dort können Siebtklässler selber ihren Weg wählen.

Der jetzige Stand

Der Druck auf die CSU nimmt zu: An den 47 Pilotschulen, an denen die Mittelstufe plus erprobt wird, haben sich zwei Drittel der Siebtklässler für die längere Variante entschieden. Das Ministerium hatte mit 25 Prozent gerechnet. Gestern nun war die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium Randthema der CSU-Fraktionssitzung im Landtag. Sowohl Ministerpräsident Horst Seehofer als auch Kultusminister Ludwig Spaenle lehnen eine sofortige Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums ab. Die Freien Wähler fordern eine schnelle Entscheidung über eine Rückkehr. „Es besteht höchste Eile, um 2017 flächendeckend allen Schülern eine neunjährige Gymnasialzeit anbieten zu können, die das wollen“, sagte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.

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Was jetzt kommt

Auf der Kabinettsklausur im Juli dürfte die Zukunft des Gymnasiums ein Thema sein. Zudem hat Seehofer einen „vernünftigen Dialog“ mit Spaenle, der CSU, mit Schülern, Eltern und Lehrern über die Ergebnisse der Pilotphase angekündigt. Die Landeselternvereinigung warnt vor einer überstürzten Entscheidung.

Die Optionen der CSU

Angesichts des großen Ansturms auf die Mittelstufe plus steht fest: Am Ende werden mehr Schüler in Bayern neun Jahre aufs Gymnasium gehen – egal ob die CSU das Ganze dann Mittelstufe plus oder G8 plus oder sonst wie nennt (nur G9 scheidet wohl aus). Diese Entwicklung wird die CSU nicht mehr aufhalten können. Die Entscheidung der Regierungspartei soll aber noch vor Ablauf der derzeitigen zweijährigen Testphase kommen.

Denn eine eventuelle neue Reform soll zum Schuljahr 2017/18 nahtlos an den derzeitigen Test anknüpfen: „Natürlich muss man rechtzeitig entscheiden“, sagte Seehofer gestern – gemeint ist das übernächste Schuljahr 2017/18. Sollte die CSU dafür sein, will Spaenle es den Gymnasien überlassen, ob sie eine Mittelstufe plus wollen oder nicht.

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Möglicherweise wird der Druck aber am Ende auch so groß, dass die CSU sich entscheiden muss, ob sie nicht grundsätzlich zum G9 zurückkehrt – und schnellen Schülern, die dies wollen, eine um ein Jahr verkürzte Variante anbietet. Dafür spricht, dass an den Pilotschulen nur der kleinere Teil der Schüler in acht Jahren zum Abitur kommen will.

Fraglich ist aber, ob die CSU einen solchen Kurswechsel vollziehen würde. Dass Horst Seehofer noch nicht entschieden sei, verdeutlicht er scherzhaft so: „Ich habe jetzt einen schönen Witz gelesen, der passt eigentlich auf mich: Man kann Politik so oder so machen. Ich bin für so.“

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