Berchtesgaden: Blitzer-Brüder warnen Autofahrer vor Kontrollen
Berchtesgaden - Sie hupen als Zeichen des Dankes. Sie zeigen den Daumen nach oben und winken. Ein Autofahrer öffnet das Fenster und ruft: "Saugeil, was du da machst." Seit April postieren sich Markus und Tobias Anzenberger dort, wo Blitzer aufgestellt sind, und machen andere Autofahrer darauf aufmerksam. An der B 305 in Marktschellenberg, manchmal auch an der B20 oder mitten in Berchtesgaden.
Die beiden Elektriker handeln aus freien Stücken. Sie sind Zwillinge, 40 Jahre alt, gebürtige Berchtesgadener.
Anzenberger: "Natürlich ärgern wir damit die Behörden"
Die Pappdeckel sind ihre steten Begleiter. Fünf Stunden Ausharren war ihr Rekord. "Wenn wir von einem Blitzer erfahren, fahren wir hin", sagt Tobias Anzenberger. Die Info, wann die Polizei oder der Zweckverband kommunale Verkehrsüberwachung Südostbayern blitzt, entnehmen sie aus dem Radio oder einer WhatsApp-Gruppe, in der Hunderte Mitglieder Verkehrsmeldungen bekanntgeben.
"Natürlich ärgern wir damit die Behörden", sagt Tobias Anzenberger. Mit den Behörden hat er schon einige Erfahrung gemacht: Einmal ging es um ein Auto, das andere Mal um die Überschreibung des Elternhauses aufgrund eines Erbes. Viel Bürokratie. Viel Widerspruch. Kein Ende in Sicht.
Die Zwillinge sind genervt. "Wenn man uns ans Bein pinkelt, machen wir das auch", sagt Tobias Anzenberger und grinst. Das ist aber nicht der einzige Grund.
Seit April hat er sich 16 Mal an die Straße gestellt
"Wir machen ja etwas Gutes, die Leute freut das", sagt der Bruder. "Außerdem: Wir warnen die Autofahrer ja nicht." Sein Gesicht ziert ein verhaltenes Lächeln. Auf seinem Schild steht: "Ich bin für Radarfallen." Sein Bruder hat auf sein Schild "Ein Herz für Radarfallen" geschrieben. Markus Anzenberger hat mitgezählt. Seit April stand er 16 Mal an der Straße.
Dass die beiden die Pappe in der Hand halten, hat einen Grund. "Die Schilder auf den Boden stellen, dürfen wir nicht", sagt Tobias Anzenberger.
Stefan Scharf, Leiter der Polizeiinspektion Berchtesgaden, bestätigt das. Festmachen oder im Boden verankern: Das wäre eine Ordnungswidrigkeit. Scharf sagt auch, dass die Warnung vor einem Blitzer grundsätzlich nicht verboten sei. Selbst, wenn "Achtung, Blitzer" auf dem Pappdeckel stünde, sei das erlaubt - solange das Schild in der Hand gehalten wird.
Darum kann die Polizei gegen die Blitzer-Brüder nichts machen
Die Zwillinge sind der Polizei bekannt. Jemand hatte sie dort schon einmal angezeigt. "Wir konnten bislang aber keinen Verstoß feststellen", sagt Scharf. In Marktschellenberg ist an diesem Tag wieder mal der Blitzer aufgestellt - vom Zweckverband kommunale Verkehrsüberwachung Südostbayern. Der Verband blitzt im Auftrag der Gemeinden innerorts. Die Polizei darf auch außerorts den Laser aufstellen. Im Auto sitzt der Verkehrsüberwacher und wirkt genervt. Er kennt die beiden. Mit der Presse reden, das darf er nicht, sagt er. Beim Zweckverband bleibt eine telefonische Anfrage unbeantwortet - "Urlaubszeit", heißt es.
Fürs Klima sind die Blitzer-Brüder ein Problem
"Ich finde es schade, dass sie ihre kostbare Freizeit aufwenden", sagt dagegen Marktschellenbergs Bürgermeister Michael Ernst. Ihm gehen einige Einnahmen flöten. "Mir geht es aber nicht ums Geld." Mit dem Blitzen hatte die Gemeinde 2007 begonnen, "weil wir die Grenzwerte als heilklimatischer Kurort nicht mehr geschafft haben", sagt er. 850 Fotos in dreieinhalb Stunden waren es beim ersten Mal. "Wo keine Überwachung ist, werden die Fahrer wieder flotter", sagt Ernst.
Ein Mercedes bremst neben Tobias Anzenberger. "Super Sache", sagt der Fahrer und streckt ihm eine Flasche Bier durchs Autofenster. "Der Blitzer hier ist eine Farce", schimpft er. Bruder Markus hat schon mehrfach ein paar Euro zugesteckt bekommen. Tobias Anzenberger fragt: "Müssen wir das jetzt versteuern?"