AZ testet Tiny House: 24 Stunden auf 23 Quadratmetern
Mein Haus hat eine Holzfassade und ein schwarzes Dach. Betritt man es, steht man direkt im Wohnzimmer mit Couch und Fernseher, das fließend über ein kleines Esstischchen in die Küche übergeht. Hinter einer Schiebetür ist das Bad. Über eine Treppe gelange ich zu meinem Bett. Ein Haus mit 23 Quadratmetern.
Einen Tag lang teste ich, wie man in einem Tiny House lebt. Das Tiny House, zu deutsch "winziges Haus", hat Zimmerer Peter Prommersberger mit seinem Team in Pettenreuth (Landkreis Regensburg) gebaut.
Das "winzige Haus" ist größer als gedacht
Es steht ein paar Straßen von der Zimmerei entfernt auf einem Grundstück, das Prommersberger gehört. Mein Tiny House ist nicht das einzige: Ich habe zwei Nachbarinnen, die je in einem Tiny House leben.
Als ich das winzige Häuschen betrete, bin ich überrascht, wie groß es ist, denn von außen wirkt es um einiges kleiner. Durch Fußbodenheizung und Infrarot-Deckenheizung ist es angenehm warm. "Man kann nach Wunsch beispielsweise einen Pelletofen einbauen", sagt Prommersberger.

"Nach Wunsch", sagt Prommersberger häufig, denn die vier Grundtypen, die die Zimmerei anbietet, werden individualisiert. Der Kunde entscheidet, ob er eine Badewanne oder Dusche will, welches Regal wo stehen soll und wie dick und schallgedämpft die Wände sein sollen.
Mit einer mobilen Sauna fing alles an
Prommersberger stellt fast alles selbst her, inklusive der Möbel. Der 44-Jährige hat mit einer mobilen Sauna angefangen, bald darauf folgte sein erstes Tiny House. Er erhielt zahlreiche Anfragen und ist seitdem auf die winzigen Häuser spezialisiert.
Mein Tiny House ist das kleinste, das Prommersberger baut - und kostet 65.000 Euro. In Deutschland werden schätzungsweise mehr als 500 Kleinsthäuser pro Jahr gebaut. Wie viele es schon gibt, ist unklar.
In einer Studie aus dem Jahr 2021 gaben 58 Prozent der befragten Tiny-House-Käufer an, das Haus als dauerhaften Wohnsitz nutzen zu wollen.
42 Prozent beabsichtigten hingegen eine Nutzung als Wochenend- oder Ferienhaus.
Ein Austellungsmodell zum "Probewohnen"
Auch für mich ist der Aufenthalt nur auf Zeit. Dennoch räume ich alles erst einmal ein. Sobald ich eine Sache liegen lasse, schaut es chaotisch aus. Ich habe zu viel dabei, Töpfe, Geschirr und Handtücher gibt es. Das Haus ist Prommersbergers Ausstellungsmodell. Potenzielle Kunden können probewohnen.
Für einen kurzen Aufenthalt reicht der Stauraum, aber die Schränke und Regale wären definitiv nicht ausreichend für mich, wenn ich dauerhaft hier wohnen würde. Mit dem 2,5 Quadratmeter großen Badezimmer bin ich zufrieden.
Die Dusche ist für mich mit meinen 1,76 Metern Größe ausreichend, das Waschbecken zwar klein, aber trotzdem noch groß genug, um sich zu waschen und Zähne zu putzen. Über der Toilette hängt ein Regal, in dem man Putzutensilien, aber auch Make-up oder Shampoo unterbringen kann.
Bisschen Möbelrücken und schon ist mehr Platz
Auch eine weitere Person würde ins Bad passen - doch wenn mehr Menschen dauerhaft in einem Tiny House zusammenleben, wäre es wohl zu eng. Prommersberger hat aber auch schon für Familien mit zwei Kindern gebaut. Mit etwas Möbelrücken ist auch gleich etwas mehr Platz.
Praktisch ist der Esstisch. Diesen kann ich über die Sitzbank schieben und so den Wohnraum größer machen. Auch für Gäste ist Platz, etwa auf der großen Terrasse. Doch selbst in den Wohnraum könnte man eine Bierbank mit Tisch stellen.

Kühlschrank, Gefrierfach, Spüle, Herdplatte, Backofen und Arbeitsfläche sind da. Einen Geschirrspüler habe ich nicht, den bräuchte ich auf Dauer schon. Stauraum für Geschirr, Töpfe, Backblech und Vorräte gibt es ausreichend.
"Erst das Grundstück suchen, dann das Tiny House bauen lassen"
Mein Tiny House ist circa sieben Meter lang. Das von meiner Nachbarin Katja Werner ist knapp einen Meter länger. Ihr Bad ist geräumiger, dort finden Waschmaschine und Trockner Platz.
"Meine Eltern wohnen in einem Haus und meine Mutter musste deshalb viel putzen und aufräumen. Das wollte ich nicht, darum habe ich mich für ein Tiny House entschieden", sagt die 26-Jährige. Sie zahlt monatlich 300 Euro Pacht. Ein günstiger Preis im Vergleich zu den ständig steigenden Mieten im Regensburger Umland.
Wie Werner in Zukunft ihr Haus nutzen möchte, weiß sie noch nicht: "Mit einem Partner könnte ich in meinem Haus wohnen bleiben. Aber wenn ich Kinder bekomme, würde ich entweder anbauen oder vermieten." Ihr Tipp für diejenigen, die in ein Tiny House ziehen möchten: "Erst das Grundstück suchen, dann das Tiny House bauen lassen." Denn Grundstücke zu finden sei schwierig.
In einer kleinen Höhle steht das Bett
Am Abend lade ich eine Freundin ein. Im Weg stehen wir uns nicht, auch nicht beim gemeinsamen Schnippeln in der Küche für das Abendessen. Am Esstisch reicht der Platz locker. Einziges Manko: Geräusche aus der Toilette sind draußen zu hören.
Über ein paar Treppenstufen komme ich dann in meine kleine Höhle. Dort liegt eine Matratze mit zwei Kissen und einer Bettdecke, Nachtkästchen stehen daneben. Ein Geländer bietet Schutz. Oben angekommen muss ich mich bücken, ich kann nicht aufrecht stehen. Das stört mich aber nicht, schließlich schlafe ich ja nur hier und mache keine Turnübungen.
An dieser Stelle muss ich aber zugeben: Ja, ich habe mir in dem Tiny House den Kopf angehauen. Ich musste in der Nacht auf die Toilette und habe einen Balken bei der Treppe übersehen. Als ich im Bett liege, höre ich die Kirche neben dem Grundstück. Auch vorbeifahrende Autos nehme ich wahr. Trotzdem kann ich gut einschlafen, laut sind die Geräusche nicht.
Fazit: Das Tiny House kann ein fester Wohnsitz werden
Mein Fazit: Ich würde für einen Urlaub in ein Tiny House ziehen. Meine Vorurteile haben sich nicht bewahrheitet: Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt beengt gefühlt. Es ist robust gebaut, bietet genügend Platz und viele Vorteile. Als fester Wohnsitz kommt es in Frage, wenn man es passend individualisiert. Noch habe ich meine Koffer nicht gepackt. In ein paar Jahren vielleicht.
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