Allgemeinmedizinerin: Der Landarzt stirbt in Bayern aus - Maßnahmen dagegen

Wer außerhalb der Stadt zum Doktor muss, hat’s mitunter schwer. Die Politik müsste mehr tun, um Mediziner zu locken, sagt eine, die diesen Schritt gewagt hat.
Ruth Schormann |
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Franziska Troeger als Gertrud Hinnerksen (v.l.), Wayne Carpendale als Doktor Jan Bergmann und Lea Faßbender als Anja Steinwehr posieren am Set der Fernsehserie "Der Landarzt". 2013 ist die letzte Folge ausgestrahlt worden. Auch in der Realität stirbt der Mediziner auf dem Land aus.
dpa Franziska Troeger als Gertrud Hinnerksen (v.l.), Wayne Carpendale als Doktor Jan Bergmann und Lea Faßbender als Anja Steinwehr posieren am Set der Fernsehserie "Der Landarzt". 2013 ist die letzte Folge ausgestrahlt worden. Auch in der Realität stirbt der Mediziner auf dem Land aus.

Thierhaupten - Kein Wunder, dass "Der Landarzt" abgesetzt worden ist – nach fast 30 Jahren Erfolgsstory dieser ZDF-Serie. Mittlerweile fehlen auch vielerorts die realen Vorbilder für Dr. Mattiesen, Dr. Teschner und, den Letzten seiner Art, Dr. Jan Bergmann. Wer auf dem Land einen "Herrn Doktor" braucht, wie die Serienhelden in Weiß gerne angesprochen wurden, tut sich schwer. Der Landarzt ist längst nicht nur auf der Mattscheibe Mangelware.

Der demografische Wandel tut sein Übriges: 2016 waren laut Zahlen des Statistischen Jahrbuchs 2631 der 6947 Ärzte in freier Praxis bereits zwischen 50 und 60 Jahre alt. Sie machten den mit Abstand größten Teil aus, 1567 waren schon älter als 60 Jahre.

Damit junge Mediziner nachkommen, gibt es unterschiedlichen Ansätze: Nordrhein-Westfalen will als erstes Bundesland im Medizinstudium eine Landarztquote einführen, mit der der Numerus Clausus umgangen werden kann. 7,6 Prozent der Studienplätze sollen für Bewerber reserviert werden, die sich vertraglich verpflichten, zehn Jahre als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten. NRW werde zum Wintersemester 2019/20 damit starten, teilte der Landesgesundheitsminister vor zwei Wochen mit.

In Bayern soll es eine Quote für Landärzte geben

Auch in Bayern soll es so eine Quote geben – ab wann, ist noch unklar. Eine Sprecherin des Gesundheitsministerium sagt zur AZ, zuerst müsse im "Masterplan ‚Medizinstudium 2020‘ die Vergabeverordnung der Stiftung für Hochschulzulasssung geändert werden." Bis zu fünf Prozent der Studienplätze für Medizin sollen dann an geeignete Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten, als Landarzt zu arbeiten.

Eine, die diese Quote gut heißt, aber gleich ein großes Aber hinterher schiebt, ist Maria Stich. Die 39-Jährige hat 2014 eine Allgemeinarzt-Praxis im schwäbischen Thierhaupten im Landkreis Augsburg übernommen.


Maria Stich (39) ist Hausärztin im schwäbischen Thierhaupten. Quelle: privat

Diese Quote sei "eine Möglichkeit", dass junge Ärzte aufs Land zu ziehen. "Die Politik macht schon was, aber sie muss noch mehr machen", sagt Stich. Ein Aspekt wäre, den Fokus bei der Studienplatzvergabe mehr auf Gespräche und Eignung als auf gute Noten zu legen. Und das Studium praxisrorientierter aufzubauen, "die Leute von Anfang an in die Allgemeinmedizin reinsetzen". Auch sie habe durch Famulaturen, die Praktika der Medizinstudenten, erst ihre Liebe zur Allgemeinmedizin entdeckt, sagt Stich heute.

Aber woran liegt es, dass Uni-Absolventen nach dem Medizinstudium eine Tätigkeit als Facharzt einer Landarzt-Praxis vorziehen? Punkt eins: Verfügbarkeit. "Ja, mein Vater war auch Arzt und ich kenne das, dass Patienten Sonntagmittag plötzlich mit einem blutigen Finger im Garten stehen", sagt Stich.

Heute akzeptierten die Patienten, wann Wochenende ist. Stich hat zusammen mit ihrer Schwägerin, mit der sie die Praxis betreibt, strikte Regeln aufgestellt: "Wenn um 12 Uhr die Sprechstunde endet, wird die Tür zu gemacht und sich nur noch um die Patienten gekümmert, die da sind", sagt sie.

Und außerdem gebe es ja einen Bereitschaftsdienst – ein zweiter Grund, warum keiner aufs Land will. Doch die Dienste seien mittlerweile besser organisiert, sie und ihre Kollegin kämen im Jahr nur noch auf 80 bis 100 Stunden.

Schlechtes Image des Allgemeinarztes beim Verdienst

Der dritte Punkt: das liebe Geld. "Auch finanziell sollte man das Image des Allgemeinarztes verbessern", sagt Stich. Großer Bestandteil ihrer Arbeit sei "sprechende Medizin, die uns leider auch nicht honoriert wird". Während des Studiums können künftige Landärzte von einem Stipendium profitieren. Monatlich 600 Euro ist das dem Gesundheitsministerium wert.

Eine Praxis zu übernehmnen, das kostet doch wahnsinnig viel, oder? Ja, sagt die Hausärztin, man muss Ablöse zahlen – die werde aber teilweise immer weniger, wenn ältere Kollegen keine Nachfolger finden. Außerdem gibt es Fördergelder für Mediziner, die sich in ländlichen Regionen niederlassen, etwa vom Landesamt für Gesundheit.

Stich sieht nur Vorteile im Landarzt-Dasein. "Es ist der spannendste, tollste und interessanteste Job der Welt", schwärmt sie: "Das breite Spektrum vom Baby bis zum Opa, der enge Kontakt zu den Patienten, die Hausbesuche".

Auch nur Teilzeit zu arbeiten sei einfacher möglich als an einer Klinik. Sie hofft, dass sich mehr angehende Ärzte für die Allgemeinmedizin entscheiden. Am besten auf dem Land.

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