Zwölf Dinge, die Sie über die "Lindenstraße" wissen müssen

Des einen Freud, des anderen Leid! Egal wie man es sieht, die "Lindenstraße" ist im deutschen Fernsehen seit 1985 eine feste Institution. Am Sonntag feiert die Soap im Ersten ihre 1500. Folge. Die Nachrichtenagentur spot on news nennt ihnen zwölf Fakten zur Serie, die sie schmunzeln und auch staunen lassen.
Am Sonntag um 18:50 Uhr ist es wieder soweit: Ein wilder Streicherauftakt kündigt in der ARD die "Lindenstraße" an. Es folgt eine heimelige Mundharmonika-Melodie, die allein schon das Publikum spaltet. Die einen schalten um, weil sie Angst haben, sich übergeben zu müssen, die anderen haben schon die ganze Woche darauf gewartet.
Mit dieser Hass-Liebe-Frequenz lebt die "Lindenstraße" seit Jahrzehnten. Diesen Sonntag geht die 1500. Folge über den Bildschirm. Damit ist die "Lindenstraße", die 1985 zum ersten Mal gesendet wurde, die dienstälteste deutsche Soap. Zwar laufen die Krimis von "Tatort" (seit 1970) und "Der Alte" (1977) noch länger im Fernsehen, doch bislang hat es der "Tatort" auf 917 (in sich abgeschlossene) Episoden gebracht und "Der Alte" auf "nur" 383.
Trotz der massiven Kritik, die der ersten "Lindenstraße"-Folge am 8. Dezember 1985 folgte, produzierte der Erfinder Hans W. Geißendörfer immer weiter und weiter. Mittlerweile gehört die ausufernde Melange aus täglichen Konflikten und Dramen um Aids, Sterbehilfe, Alkohol- und Drogensucht, Kernkraft, Krankheit, Fremdenangst, Rechtsradikalismus, Sekten und Mafia zur deutschen Alltagsbefindlichkeit. Der 2010 verstorbene Regisseur Christoph Schlingensief (49), der bei der Serie von 1986 bis 1987 Aufnahmeleiter war, nannte seine Erfahrungen "grauenvoll".
Die anfangs gewaltige Einschaltquote von über zehn Millionen Zuschauern hat nachgelassen und ist jetzt bei etwa 2,5 Millionen und weiteren 500.000 Mediathek-Abrufen angelangt. Und immer noch bemängeln Kritiker die "Filzpantoffelmiefatmosphäre" und "dröge Betroffenheitsstudien von Weltverbesserern". Treffend beschreibt ein Zuschauer seine Gefühle für die "Lindenstraße" auf Facebook: "Ich liebe diesen Scheiß einfach. Ich bin damit groß geworden." Die Nachrichtenagentur spot on news hat anlässlich der 1500. Sendung hinter die Kulissen der "Lindenstraße" geblickt.
Die wahre Lindenstraße
Geißendörfers Vorbild ist ein Mehrfamilienhaus im mittelfränkischen Neustadt an der Aisch, wo er seine Kindheit verbrachte. Die Serie ist nach der real existierenden Lindenstraße in Ummendorf (bei Biberach) in Oberschwaben benannt. Drehbuchautorin Barbara Piazza wohnte selbst mehrere Jahre in der Lindenstraße. Geißendörfer wurde außerdem von der britischen Erfolgssoap "Coronation Street" inspiriert. Die deutsche "Lindenstraße" spielt in München, gedreht wird aber in den WDR-Studios in Köln-Bocklemünd, wo für die Außenkulisse eine 150 Meter lange Fassadenattrappe mit Cafés, Bioladen, Arztpraxis, Friseursalon, Reisebüro "Träwel und Iwends" und dem Restaurant "Akropolis" gebaut wurde.
Die ewigen Stars
Topstar des Formats ist Marie-Luise Marjan (74) als Mutter Helga Beimer. Sie ist seit dem Start vor 29 Jahren dabei. Ebenfalls von Anfang an mit von der Partie sind weitere sieben Schauspieler: Andrea Spatzek (55, Gabi Zenker), Joachim Hermann Luger (70, Hans Beimer), Moritz A. Sachs (36, Klaus Beimer), Ludwig Haas (81, Dr. Ludwig Dressler), Hermes Hodolides (51, Vasily Sarikakis), Sybille Waury (44, Tanja Schildknecht gesch. Dressler) und Amorn Surangkanjanajai (61, Gung Pham Kein).
Von Kindheit an dabei
Julia Stark (27) und Johannes Scheit (25) spielen die Figuren Sarah Ziegler und Tom Ziegler, seit sie Babys waren. Scheit hatte seinen ersten Auftritt in der Serie, als er sieben Monate alt war, Julia Stark wurde mit einem Jahr im Casting ausgewählt. Moritz A. Sachs spielt die Rolle des Klaus Beimer, seit er sieben Jahre alt ist. Er wuchs quasi mit der Lindenstraße auf. Auch Sontje Peplow (33, Lisa Dagdelen) und Rebecca Siemoneit-Barum (36, Iffi Beimer) spielen ihre Rollen seit ihrer Kindheit.
Wo Til Schweigers Karriere begann
Nach seiner Ausbildung an der Schule des Theaters in Köln und einem Engagement am Contra-Kreis-Theater in Bonn (1989), wo er sich als Synchronsprecher für Pornofilme noch etwas dazu verdiente, wurde Til Schweiger 1990 für die "Lindenstraße" verpflichtet. Zwei Jahre lang spielte er den Jo Zenker. Nach seinem ersten großen Kinoerfolg mit "Manta, Manta" (1991) verließ Schweiger zwar 1992 die "Lindenstraße", doch seine Figur blieb präsent. Sie tauchte immer wieder in Dialogen auf, wenn es hieß, dass "der Jo in Hollywood" sei. Und Schweigers spätere Ehefrau Dana Carlson spielte in den Folgen 489 und 490 als Pat Wolfson mit.
Die Toten der "Lindenstraße"
Wenn eine TV-Serie bald 30 Jahre andauert, gibt es natürlichen Schwund zu beklagen. 28 Darsteller haben bislang die "Lindenstraße" nicht überlebt, unter ihnen waren Schauspieler wie Annemarie Wendl (91), bekannt als Else Kling, Herbert Steinmetz (76, Joschi Bennarsch), Johanna Bassermann (91, Philomena Bennarsch), Fritz Bachschmidt (63, Gottlieb Griese), Stefanie Mühle (51, Christina Barnsteg), Raimund Gensel (63, Franz Schildknecht), Tilli Breidenbach (84, Lydia Nolte), Ursula Ludwig (76, Nachfolgerin von Tilli Breidenbach als Lydia Nolte), Robert Zimmerling (80, Hubert Koch), Guido Gagliardi (58, Enrico Pavarotti), Inga Abel (53, Dr. Eva-Maria Sperling) und Ute Mora (58, Berta Griese).
Am 4. Oktober 2012 starb überraschend Wolfgang Frank (48), der in 132 "Lindenstraße"-Folgen von 2000 an Regie geführt hatte, und am 28. Juli 2014 stürzte Philipp Brammer (44), der in 128 Folgen als Lehrer Jan Künzel zu sehen war, in den bayerischen Alpen tödlich ab.
Mord und Totschlag
In den vorangegangenen 1499 "Lindenstraße"-Folgen gab es 34 Filmtote. Die meisten starben an Krankheit, sechs begingen Selbstmord, und einige mussten auf dramatische Art und Weise das Zeitliche segnen. So tappte der Maler Franz Schildknecht völlig betrunken in den Hinterhof und brach dort zusammen. Eine Woche lag er dort unentdeckt und erfror schließlich. Richtig blutig wurde es in Folge 774 (1.10.2000): Mary Kling entmannte ihren ungeliebten Mann Olaf mit einer Geflügelschere. Und in Folge 507 (20.8.1995) erschlug Lisa Hoffmeister den Ex-Priester Matthias Steinbrück mit der Bratpfanne. Anschließend legte sie den Toten mit Hilfe von Olli Klatt auf Bahngleise und ließ ihn von einem Zug überrollen. Die Tat wurde nie aufgeklärt.
Die Nackten der "Lindenstraße"
Immer wieder mal werden die Darsteller auch nackt gezeigt. So zogen beispielsweise Susanne Gannott als Beate Flöter und Ulrike Tscharre als Marion Beimer blank. Ines Lutz zog sich in Folge 824 (16.9.2001) als Franziska Brenner aus, in der gleichen Folge protestierten fünf splitternackte Frauen gegen "Pelz und Leder", was die scharfzüngige Hausmeisterin Else Kling (Annemarie Wendl) mit "so a Sauerei!" kommentierte. Lilian Büchner zeigte sich im vergangenen Mai als Chantal Löhmer sehr freizügig bei einer Liebesszene.
Und als in der Serie die Figur Adi Stadler (Philipp Sonntag) an Prostatakrebs starb, ließen Vater Beimer (Joachim Luger), Ben, der Biker (Valentin Schreyer), Dr. Ludwig Dressler (Ludwig Haas) und Gastwirt Vasily Sarikakis (Hermes Hodolides) für eine Werbekampagne zugunsten der Prostatakrebsvorsorge für einen Kalender alle Hüllen fallen. Auch der "Playboy" hatte die Schönheiten der "Lindenstraße" entdeckt und präsentierte 1998 Anna Novak (spielt die Urszula Winicki) und 2006 Jaqueline Svilarov (Nina Beimer) nackt. Umgekehrt hatte ein "Playboy"-Chefredakteur, ein glühender "Lindenstraße"-Verehrer, einen Gastauftritt in der Seifenoper.
Der erste Schwulenkuss im TV
In Folge 225 (25.3.1990) küssen sich Dr. Carsten Flöter (Georg Uecker) und der Fiesling Robert Engel (Martin Armknecht) vor der Kamera - der erste Schwulenkuss in einer deutschen Serie. Ein Skandal! Der BR will eine Wiederholung der Folge nicht senden. Martin Armknecht, der in der 1500. Folge als böser Bube Engel zurückkehrt, erinnert sich in der Zeitung "Tagesspiegel": "Was für ein Wirbel. Ich hatte daraufhin ja auch um eine Kündigung bei der "Lindenstraße" gebeten, wollte den Robert-Engel-Strang nicht mehr weiter spielen. Die Reaktionen auf diesen Kuss waren mir einfach zu heftig, das ging bis zu Morddrohungen. Sätze wie ,Du gehörst ins KZ' und so was."
Sticheleien gegen die Politik
Produzent Hans W. Geißendörfer hat seine "Lindenstraße" immer gern zu einem polarisierenden Debattenforum gemacht, wenn es um unbequeme Themen ging. In Folge 208 (26.11.1989) ließ er in der "Lindenstraße" über einen Anti-Kernkraft-Protest vor dem Privathaus von Umweltminister Töpfer berichten. Tatsächlich demonstrierte die Umweltbewegung Robin Wood zur selben Zeit tatsächlich mit einem Atommeiler-Modell vor dem Töpfer-Haus - mit Geißendörfers Wissen und trotz Verbots durch den WDR. Der Sender drohte Geißendörfer mit der sofortigen Absetzung der "Lindenstraße".
In der Folge vom 14.9.2014 wurde der Bau einer Moschee in München thematisiert. Die Konsequenz: "Wir haben nach der Folge Droh-Mails bekommen. Ich persönlich bin sogar als Salafist beschimpft worden", berichtet Geißendörfer in der "Bild am Sonntag". Und in Folge 149 (9.10.1988) nannte die "Lindenstraße"-Figur Chris Barnsteg (Stefanie Mühle) den damaligen bayerischen Umweltminister Peter Gauweiler (CSU) einen "Faschisten", weil er Aidskranke ghettoisieren möchte. Gauweiler klagt durch drei Instanzen - und verliert.
Berühmte Gäste
1994 traten die "Tatort"-Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) mit einer UNICEF-Spendendose in der "Lindenstraße" auf. Zitat der "Lindenstraße"-Grande Dame Amélie von der Marwitz (Anna Teluren): "Aber Sie gehören doch gar nicht in diese Straße. Sie sind doch die Kommissare Leitmayr und Batic." Der bärbeißige Hamburger Schriftsteller Harry Rowohlt verkörperte überzeugend die Rolle des Obdachlosen Harry Rennep. Der Gag: Liest man seinen Nachnamen Rennep rückwärts, kommt "Penner" heraus. Und in Folge 1055 (19.2.2006) taucht sogar ein sardonisch lächelnder Larry Hagman alias "J.R. Ewing" auf: Er bucht im Reisebüro einen Flug nach Dallas...
Wie feiert die "Lindenstraße" ihr Jubiläum?
Auf dem WDR-Studiogelände in Köln-Bocklemünd ist der Schriftzug "Frohes Fest" aufgehängt. Eine kleine Doppeldeutigkeit: Er gilt dem Jubiläum - und gleichzeitig wird die Weihnachtszeit abgedreht, denn jede Soap-Folge wird drei Monate im Voraus produziert. Zur 1500. Folge wird sicher nicht so groß gefeiert wie zur 500. und dem zehnjährigen Bestehen im Jahr 1995. Da kamen zu einem dreitägigen "Lindenstraße"-Volksfest über 200.000 Fans.
Gefeiert wird sicherlich auch die Zukunft der Soap. Die Programmdirektoren der ARD haben sich für eine Verlängerung der "Lindenstraße" um zwei weitere Jahre ausgesprochen. Hans W. Geißendörfer: "Die Freude ist groß! Der Sender schenkt uns das Vertrauen, und wir dürfen weiterhin Geschichten mit den Bewohnern der Lindenstraße erzählen. Wir Freude uns besonders auch auf das 30-jährige Bestehen im Jahre 2015!"
Blick in die Zukunft
Droht uns mit der "Lindenstraße" das gleiche Schicksal wie den Engländern mit ihrer Soap "Coronation Street", dem "Lindenstraße"-Vorbild? Die läuft nämlich seit 1960 ununterbrochen und hat es bisher auf über 7.600 Episoden gebracht hat. In diesem Fall würde die "Lindenstraße" bis mindestens 2039 laufen...