Winnetou bei RTL: Häuptling große Sehnsucht
Natürlich ist das Feuerross da. Auch die Bleichgesichter und die Rothäute, unendliche Landschaften und lange Unterhosen. Alles in der Winnetou-Fantasiewelt ist noch genau so, wie es das Indianergeschichtenherz begehrt und in dem Zustand, in dem es die Karl-May-Verfilmungen der Sechziger zurückgelassen haben.
Nun gut, natürlich nicht komplett: Der erste Teil der neuen RTL-Trilogie von Regisseur Philipp Stölzl – vom Sender sicherheitshalber untertitelt mit "Der Mythos lebt" – beginnt damit, dass ein blassnasiger Reisender (wunderbar verstockt: Wotan Wilke Möhring) auf der Einwandererinsel Ellis Island ankommt und sich vorstellt: "Mein Name ist Karl May. Ich bin Ingenieur. Hier sind meine Papiere."
Der Autor wird zum Hauptcharakter, den – wegen seiner Boxkünste aus einem Sportclub in Sachsen – die Apachen später beeindruckt "Old Shatterhand" nennen werden. Karl May wird also als Old Shatterhand Winnetous Blutsbruder, weil sie gemeinsam das Land der Apachen gegen die gierige Eisenbahn-Gesellschaft verteidigt haben: alles ein nettes Augenzwinkern in Richtung der Originalbücher.
Martin Böttchers Musik klingt immer irgendwie mit
Eine ähnliche charmante Hommage ist die Musik der Neuverfilmung: Filmkomponist Heiko Maile lässt immer wieder Erinnerungen an den Original-Soundtrack von Martin Böttcher aufblitzen.
Und auch sonst sind "Eine neue Welt", "Das Geheimnis vom Silbersee" und "Der letzte Kampf" sehr erfolgreich bemüht, das vertraute, naive Gut-gegen-Böse-Gefühl von damals wiederherzustellen: Der erste Pfeil fliegt nach 25:50 Minuten, die Pferde sind wunderschön und loyal und Schurken erkennt man im Zweifel am dreckigen Gesicht oder den unansehnlichen Zähnen (großartig als Eisenbahner Joseph Rattler: Jürgen Vogel) und den fies zusammengekniffenen Augen.
Es gibt ein paar kleine, beeindruckende Szenen – wie die, in der die Frau vom Eisenbahner-Chef Bancroft (Leslie Malton) in ihrem Wohnzimmer den Radetzkymarsch auflegt, um das Schreien der Apachen zu übertönen, die vor ihrem Fenster abgeschlachtet werden.
Seinem großen Kinovorbild hat der Dreiteiler allerdings nicht viel hinzuzufügen – außer satteren Farben und besser definierten Apachen-Muckis.
Ist Nik Xhelilaj der bessere Pierre Brice?
Was man Xhelilaj lassen muss: Er würde in einem Pierre-Briece-Ähnlichkeitswettbewerb wahrscheinlich noch vor Pierre Briece platziert werden. Und er spielt den Apachen-Häuptling so, wie sich Regisseur Harald Reindl das damals von Brice gewünscht hatte und wogegen der sich wehrte: stolz blicken, viel schweigen und eine edle Haltung bewahren. Interessanter macht ihn das leider nicht.
Sieben Jahre Vorbereitung stecken in dieser filmischen Wiederauferstehung, das Team bestand aus 220 Personen. 76 Schauspieler und 4000 Komparsen waren im Einsatz in 160 handgefertigten Indianerkostümen. Außerdem verwenden die Film-Apachen tatsächliche Lakota-Sprache. Eine neue ethische Haltung gibt es nicht, das Endergebnis tut niemandem weh.
Winnetou-Witwe Hella: Hier spürt sie Pierre Brice
Genau so will die deutsche Sehnsuchtsseele aber offenbar nach 50 Jahren Winnetouscher Bildschirm-Abstinenz – zumindest wurde die Produktion gerade unter anderem nominiert als "Bester Mehrteiler" für den Deutschen Fernsehpreis 2017, der im Februar verliehen wird – außerdem Möhrings Shatterhand, die Filmmusik und die souveräne Kameraführung durch eine zauberhafte Ersatz-Prärie für die – wie damals – Kroatien die Kulisse bietet.
"Hauptgründe des Erfolges waren die naive Frische und Geradlinigkeit des Films", so heißt es im "Lexikon des deutschen Films" – im Beitrag über "Der Schatz im Silbersee" von 1962. Das wird auch im Jahr 2016 noch funktionieren.
RTL, 25. Dezember, 20.15 Uhr: "Winnetou – Eine neue Welt", 27. Dezember, 20.15 Uhr: "Winnetou – Das Geheimnis vom Silbersee", 29. Dezember, 20.15 Uhr: "Winnetou – Der letzte Kampf"
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