Visionen, eingeholt von der bösen Gegenwart
Als das Fernsehen noch mutiger war als heute: Ponkie gratuliert dem Schriftsteller, Regisseur und Produzenten Rainer Erler zum 80. Geburtstag.
Die einstigen Pioniere des deutschen Films, damals Aufständische gegen Opas Kino und Papas Spießer-Fernsehen, kommen alle in die Jahre und nähern sich großväterlicher Weisheit. Rainer Erler, der vor 40 Jahren, nach den frühen Volltreffern „Seelenwanderung“ und „Orden für die Wunderkinder“, anfing, mit Science-fiction-Thrillern die Atommüll-strahlende Zukunft aufzumischen, wird heute 80 Jahre alt.
Damals, im Sommerloch 1971, haben wir ihn in der Abendzeitung noch angepflaumt, weil er frecherweise und allen Ernstes empfohlen hatte, als Gegengift zu den vielen Wiederholungen im Fernsehen doch einfach einen fernsehfreien Lese-Abend einzuführen. Den schäbigen Hohn nehmen wir heute in aller Form zurück: Er hat ja leider recht behalten.
Und leider sind auch seine Zukunftsvisionen, was die Atom- und Pharma-Industrie betrifft, ebenfalls alle von der Wirklichkeit eingeholt worden. Von Tschernobyl bis Fukushima: Erler ist immer schon viel früher dagewesen. Und die fünf Millionen Taufliegen, die er sich einst in einem Keller der Münchner Dachauerstraße züchten ließ für die Wissenschafts-Serie „Das Blaue Palais“ und das Experiment „Unsterblichkeit“ (gegen das Altern der menschlichen Zellen!) – und die dann laut Drehbuch einer totmachen musste, weil sie, unsterblich geworden, die Menschheit von der Erde vertilgt hätten...
Halbjährig leben Rainer und Renate Erler, seit über 50 Jahren ehelich und beruflich verbandelt, in der Nähe von Tochter Tatjana und den Enkeln in Australien, während Sohn Tobias das Heimatbiotop in Bairawies mit Hilfe eines australischen Hirtenhundes (groß wie ein Kalb, aber eine Seele von Hund) in einen science-fiction-Landschaftsspark verwandelt hat.
Erler-Bilanz zum Achzigsten, bevor die Gratulanten über ihn herfallen: „Ich habe getan, was ich konnte – aber ich konnte nicht alles machen, was ich wollte. Und was wäre sein Thema, wenn es „Das Blaue Palais“ noch gäbe? „Die Cyber-Kriminalität natürlich.“ Technik und Industrie plus Habgier gleich Zukunftstraum von Macht – die alten Denkspiele des Kinos.
Preisfrage: Und in welchen Besenkammerwinkeln hat das Fernsehen seine alten Erler-Filme versteckt?
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