Uthoff und von Wagner über ihre Rolle als TV-Revolutionäre

Am Dienstag übernehmen Max Uthoff und Claus von Wagner die ZDF-Satire-Institution "Aus der Anstalt". spot on news hat die Kabarettisten vorab getroffen - zu einem amüsanten Gespräch, in dem die beiden über Wege zum Systemwechsel, ihre Rolle als Stewardessen der politischen Debatte und mögliche Dschungelcamp-Prüfungen in ihrer neuen Show räsonieren.
Fast drei Jahre lang hatten die Kult-Kabarettisten Urban Priol und Frank-Markus Barwasser ("Erwin Pelzig") zusammen durch "Neues aus der Anstalt" geführt. Im Oktober 2013 war Schluss. Nun soll das Duo Claus von Wagner (36) und Max Uthoff (46) jene Show präsentieren, die nicht nur regelmäßig bis zu drei Millionen Zuschauer vor den Fernseher lockte - sondern bei ihrer Einführung 2007 auch die erste Satire-Sendung im Zweiten seit 28 Jahren war. Am Dienstag fällt für von Wagner und Uthoff der Startschuss. Dann wird es einige Neuerungen geben - auch wenn das ZDF den Sendungsnamen um das "Neues aus..." kürzt.
Die Nachrichtenagentur spot on news hat die beiden vorab getroffen - bei Quiche und Tee in der Münchner Kneipe Vereinsheim. Auch wenn von Wagner lieber Kuchen gegessen hätte: Die wirtschaftskritischen Kabarettisten waren bestens aufgelegt, spielten sich die Bälle zu und fabulierten von ihrer Rolle als "Stewardessen" im politischen Deutschland. Verraten haben sie auch, ob man den Kapitalismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus den Angeln heben kann, wovor ihre Gäste besonders Angst haben müssen - und warum eine Jugend in Oberbayern bisweilen direkt ins Kabarett führt.
Herr Uthoff, Herr Wagner, ab Dienstag sind Sie die neuen Gastgeber bei der "Anstalt". Als Nachfolger von Urban Priol und Frank-Markus Barwasser. Wie groß sind die Fußstapfen?
Claus von Wagner: Riesig! Das Tolle ist: Man sieht die Ränder gar nicht mehr. Man hat geradezu die Vorstellung, dass da gar keine Fußstapfen sind, weil sie so weit weg sind. Wir haben ein großes Erbe bekommen - und das verprassen wir jetzt.
Was können die Zuschauer für den Prozess des Verprassens erwarten?
Max Uthoff: Es geht um sanfte Veränderungen! Das ZDF behält "Die Anstalt" als Markenkern. Und wir halten es schlichtweg für einen Skandal, dass diese wichtige Sendung seit Monaten unbesetzt bleibt - deswegen werden wir sie ganz einfach besetzen. Wir werden auch sofort loslegen, wenn wir wissen, wo das Studio ist. Das werden wir noch herausfinden. Und dann aber hallo.
von Wagner: Wenn man erst mal die Figuren hat, dann schreiben sie sich fast von selbst. Romanschriftsteller sagen ja häufig, dass sie die Stimmen ihrer Figuren hören. Das ist ein Ausdruck dafür, dass man nicht genau weiß, was passiert.
Uthoff: Das wird auch meine Ausrede sein: Wenn ich irgendwann mal Unsinn rede, werde ich sagen: Ich kann nichts dafür, denn die Figur hat das selbst so entwickelt.
von Wagner: Man gibt Verantwortung ab. Das ist auch etwas, was Regierungen in letzter Zeit sehr gerne machen. Es war jetzt immer so, dass Finanzexperten gesagt haben: "Das müssen wir so machen, wir müssen soziale Einschnitte hinnehmen." Und dann hat die Politik die Gestaltungsmöglichkeiten an die "harten Fakten" abgegeben. So machen wir das auch.
Wird diese Oberhand der Finanzen über die Politik - wie in Ihren Solo-Programmen - auch bei der "Anstalt" ein Hauptthema sein? Sie haben mal gesagt, Sie wollen den "Kapitalismus aus den Angeln heben", Herr Uthoff... Geht das überhaupt, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen?
Uthoff: ... natürlich! (lacht) Den Kapitalismus aus den Angeln heben... Selbstverständlich, das ist das Ziel von Satire, nichts anderes haben wir vor. Und ein gerechteres System zu etablieren. Wenn wir wissen, wie das aussieht, sagen wir Bescheid. Wir sind dran.
von Wagner: Kabarett ist gespielte Revolution. Wir spielen Revolution. Aber man muss den Leuten das einfach mal vorspielen, damit sie wissen, dass es das überhaupt gibt.
Uthoff: Das ist wie mit den Stewardessen, die auf den Notausgang zeigen. So ungefähr sehe ich unsere Position.
von Wagner: Genau. Wir sehen uns als Stewardessen, die auf den Notausgang zeigen und ausgelacht werden. Die Leute schauen auch gar nicht hin. Wenn wir vorbeigehen und freundlich lächeln, lächeln sie zurück. Das schon, aber ernst nehmen sie uns eigentlich nicht.
Uthoff: Tolles Bild! Die Passagiere kennen das alles schon. Da können wir machen, was wir wollen.
von Wagner: Das Tragischste: Wir haben mit der Flugrichtung eigentlich gar nichts zu tun! Und der Pilot nimmt uns auch nicht ernst.
Ein großes Thema ist ja auch die Quoten-Jagd. Nach der Zielgruppe zwischen 19 und 49. Die sollen alle ins Dschungelcamp...
Uthoff: ...das wissen unsere Gäste noch nicht, aber wir haben natürlich Ekel-Prüfungen vorbereitet. Gar keine Frage...
...für Kabarett im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kann man aber nicht so viele junge Menschen begeistern, oder?
Uthoff: Ja. Wir haben welche, die sind gerade frisch eingestiegen, die sitzen so weit hinten im Flugzeug, dass sie uns noch nicht erkennen, haben Kopfhörer auf und hören gar nicht zu. Oder informieren sich mit ihrem iPad über ganz andere Protestportale. Das ist die Schwierigkeit.
von Wagner: Aber da finden wir natürlich auch statt. Wenn man sich auf Youtube einmal anschaut, wie Einzelnummern aus der Anstalt genutzt werden... Da finden die Leute einen Widerhall für ein diffuses Unbehagen und geben das direkt weiter in die sozialen Netzwerke.
Uthoff: Wir haben aus unseren Programmen auch die Erfahrung, dass da jüngere Leute drin sitzen und recht viel Spaß haben. Gerade an der Frechheit. Der ältere Kabarettgänger weiß, dass da über die Stränge geschlagen wird, der erwartet das. Aber bei Jüngeren habe ich häufiger mal starke Reaktionen. Die fragen sich: "Darf der das?!".
von Wagner: Ich hab ein bisschen früh angefangen, mich mit Kabarett zu beschäftigen. Ich verstand die Inhalte nicht, fand die Leute aber lustig. Ich war zwölf, als das begann. Dadurch bin ich tatsächlich zu den politischen Inhalten gekommen - über das Kabarett. Da kann man schon mal sagen, Kabarett hat etwas verändert: Nämlich mich.
In Ihren Solo-Programmen geht es jeweils auch um Angst, die den Menschen gemacht wird. Vor Terror, oder schwindendem Wohlstand. Kann "Die Anstalt" auch eine Sendung gegen die Angst sein?
von Wagner: Warum nicht. Angst ist Unkenntnis oder das Gefühl, man sei alleine mit seiner Gegenmeinung. Und dann sieht man diesen Standpunkt in einer Sendung, gesprochen von jemandem, der dafür auch noch Applaus bekommt... Warum ist das nicht ein Wert an sich?
Uthoff: Und wir werden natürlich auch Informationen verbreiten, die wir für wichtig halten und von denen wir glauben, dass sie nicht überall zu finden sind. Wenn man etwa diese Diskussion um Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien betrachtet, stellt man schnell fest: Es handelt sich da in erster Linie auch um Unkenntnis. Da lassen sich viele Ängste einfach beseitigen.
Abschließend noch eine private Frage: Wenn ich recht sehe, sind Sie beide in Oberbayern aufgewachsen, als Kinder nicht-bayerischer Eltern...
Uthoff: Richtig. Migrationshintergrund! Wir wissen, wie es ist, als sozial Ausgestoßene zu leben! Das war eine harte Kindheit. Führte aber direkt zum Kabarett.
von Wagner: Ich musste mich tatsächlich verbal erwehren. "Der Wagner konn ned gscheid red'n" hat's geheißen - und als ich es doch versucht habe: "Loss blei'm, du konnst des ned". Und jetzt kommen tatsächlich die Leute, derer ich mich damals erwehren musste, und hören sich an, wie ich erzähle, dass sie mich aufgezogen haben. Dafür zahlen sie jetzt Eintritt. Ich finde, das ist eine schöne Rache.
Uthoff: Soweit habe ich es nie geschafft, denn in München spricht ja keiner bairisch. Meine Rache sieht anders aus. Ich habe mir vorgenommen, dass ich so lange Fernsehen mache, bis ich meine GEZ-Gebühren wieder drin habe...
...und das dauert noch!
Uthoff: Das dauert noch!