Ukraine-Zoff bei "Hart aber fair" kocht hoch: Strack-Zimmermann platzt der Kragen

Zerstörte Dämme, Drohnen über Moskau, mediale Schimpftiraden des Wagner-Chefs gegen den russischen Verteidigungsminister, und deutsche Panzer, die in die Hände von pro-ukrainischen Neonazis in Russland geraten – der Verteidigungskrieg der Ukraine gegen Russland wird immer schlimmer. Die Grabenkämpfe gehen auch in Deutschland weiter, wie sich bei "Hart aber fair" zeigt.
von  Doris Neubauer
Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte bisweilen Schwierigkeiten mit der Puls-Kontrolle.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte bisweilen Schwierigkeiten mit der Puls-Kontrolle. © ARD/WDR

"Sorry, aber da krieg ich jetzt Puls", unterbrach Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP den SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner. Ruhig und nüchtern war die Diskussion über den Verteidigungskrieg der Ukraine gegen Russland bei "Hart aber fair" am Montagabend bis dato verlaufen. Immerhin eine Stunde lang. Dann platzte der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses der Kragen (und Gott sei Dank nicht die Pulsader): "Das hat nichts mit Gesichtsverlust zu tun. Die Ukraine will überleben", betonte sie sichtlich erregt.

Den Puls hochgetrieben hatten Strack-Zimmermann die Worte ihres Kollegen, der zum wiederholten Mal in der Sendung gefordert hatte, den Druck auf Russland durch diplomatische Bemühungen hinter verschlossenen Türen zu erhöhen. Eine Ansicht, die laut einer aktuellen ARD-Deutschlandtrend-Umfrage 55 Prozent aller Befragten teilen. "Diplomatische Bemühungen funktionieren nur, wenn sich auch die andere Seite öffnet – sei es vor oder hinter der Kamera", mangelt es in den Augen der FDP-Politikerin dafür am Willen Russlands.

Strack-Zimmermann: "Wenn ein Land wie Russland die Ukraine angreift, um sie komplett von der Landkarte verschwinden zu lassen, dann ist das nicht im Entferntesten erfüllt." Gespräche, so die Liberale weiter, "können nur stattfinden, wenn Russland es will, und aus der ukrainischen Stärke heraus".

Die Ukraine würde "jedes moderne Kampfflugzeug nehmen"

Diese zu fördern und der russischen Zermürbungstaktik zu widerstehen, sei eine Verpflichtung des Westens. Darin sind sich die Gäste von Louis Klamroth, zu denen auch die Journalistin und Russland-Expertin Katja Gloger und der Militärhistoriker Sönke Neitzel zählen, weitgehend einig. "Die Ukraine ist auf unsere Unterstützung – militärisch und ökonomisch – angewiesen, nicht nur um die Offensive möglichst erfolgreich zu gestalten, sondern um auf Dauer ein demokratischer Staat zu sein", fasst es die Buchautorin Gloger zusammen. "Das führt zu Frage der Sicherheitsgarantien, die für die Zukunft sehr wichtig ist. Darüber muss man sich jetzt Gedanken in westlichen Hauptstädten machen."

uis Klamroth (r.) sprach mit seinen Gästen bei "Hart aber fair" über die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg.
uis Klamroth (r.) sprach mit seinen Gästen bei "Hart aber fair" über die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg. © ARD/WDR

Moderator Louis Klamroth führt das offenbar etwas zu weit: "Darum geht es, wenn der Krieg hoffentlich bald zu Ende ist. Aber ich möchte dazu kommen, wie der Krieg zu Ende kommen kann", lenkt er die Diskussion auf die kurzfristigere Zukunft. Zwar könne Deutschland keine F16-Kampfjets liefern, "aber andere deutsche Flugzeuge – Tornados zum Beispiel, die Deutschland hat. Würden Sie die auch nehmen?", fragt er Alexander Rodnyansky, Ökonom und Berater die ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. "Ich bin kein Militär, deshalb kann ich Ihnen das nicht direkt beantworten. Aber soweit ich weiß, würden wir jedes moderne Kampfflugzeug nehmen."

Louis Klamroth beißt sich an Selenskyj-Berater die Zähne aus

Es ist eine der konkreteren Aussagen, die Klamroth an diesem Abend vom ukrainischen Berater bekommt. Beim Versuch herauszufinden, ob die Drohnen über Moskau von der Ukraine stammten, beißt er sich an Rodnyansky die Zähne aus. "Das kann ich Ihnen so nicht bestätigen", lautete seine Antwort auch auf die Frage, ob die Ukraine die russische Freiwilligentruppen, die gegen deren eigene Armee kämpfen, unterstütze.

Klare Worte hingegen fand Rodnyansky dafür, was er aktuell von diplomatischen Ansätzen hält: "Es ist eine Abwägung zwischen kurzfristigem Frieden oder einer Feuerpause, die durch Diplomatie jetzt schon erreicht werden könnte, die aber in einem noch schlimmeren Krieg mündet mit noch mehr Menschen, die tot sind, mit noch mehr wirtschaftlicher Zerstörung, Zerstörung der Infrastruktur, vielleicht sogar einem direkten Konflikt mit der Nato. Die andere Möglichkeit ist die Erreichung eines langfristigen Friedens mit einem anderen Regime in Russland. Es geht darum, dass sich dieses Regime langfristig verändert, und da braucht es die maximale Unterstützung der Ukraine jetzt und maximale Waffenlieferung inklusive Luftwaffen."

Strack-Zimmermann: "Gott sei Dank, mein Puls schlägt noch"

"Herr Stegner guckt skeptisch", beobachtet Louis Klamroth die Reaktion auf dem Podium. "Sehr skeptisch", gibt der SPD Bundestagsabgeordnete zu, "wir haben auch vereinbart zu deeskalieren, und immer mehr Waffen und Kampfflugzeuge zu liefern sehe ich mit großer Skepsis."

Für ihn führt kein Weg an einer diplomatischen Lösung vorbei, wobei "ganz wichtig ist es auch, andere Staaten zu motivieren Einfluss zu nehmen auf Russland." Insbesondere China spiele eine große Rolle, dafür erhält er – sehr zur Überraschung von Louis Klamroth ("Ich habe das Gefühl, da hat jemand Puls?") ausgerechnet von Strack-Zimmermann ("Gott sei Dank, mein Puls schlägt noch") Rückendeckung.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Sönke Neitzel (M.) und Ralf Stegner setzen unterschiedlich viel Hoffnung in die Möglichkeiten von Diplomatie.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Sönke Neitzel (M.) und Ralf Stegner setzen unterschiedlich viel Hoffnung in die Möglichkeiten von Diplomatie. © ARD/WDR

"Die Chinesen lachen sich doch kaputt über die Deutschen", hält Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam, hingegen diese Hoffnung für eine Illusion. "Unsere Möglichkeiten sind wirklich begrenzt. Wir leben in der Illusion, wir könnten diese Staaten managen. Wir denken da weit über unserer Liga." Zwar schließt der Militärhistoriker diplomatische Bemühungen nicht aus, befürwortet aber auch Waffenlieferungen. "Ein Problem war, dass wir die Panzer zu spät geliefert haben", übt er Kritik am bisherigen Agieren Deutschlands, "möglicherweise werden wir auch die Bilanz stehen: Too late, too little. Wenn der Bundeskanzler nicht ständig von Atomkrieg gefaselt hätte, sondern früher gehandelt hätte, hätten wir das Problem nicht."

Bevor Strack-Zimmermann oder einem anderen Gast erneut der Puls in die Höhe schnellt, springt Klamroth ein: "Das Problem werde ich bekommen, wenn ich nicht nach Hamburg schalte und Caren Miosga frage, was sie in den 'Tagesthemen' macht", bringt er den Abend zu einem abrupten Ende.

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