Über Elisa Schlott werden die "Tatort"-Zuschauer reden

München/Berlin – "Ich war einmal zwei Wochen am Stück wach, ich hab' das gar nicht so richtig mitbekommen", sagt Rita Holbeck in einer Vernehmung im ARD-"Tatort" aus Kiel. Die Rolle spielt die 20-jährige Nachwuchsschauspielerin Elisa Schlott aus Berlin. Es ist ihre erste prominente Fernsehrolle – und was für eine.
Denn in krassen Rückblenden zeigt Schlott, wie die das Rauschgift Crystal Meth Rita verführt, aufputscht und zerstört. Vor allem die starke Szene, in der sie ihren Freund Mike (Joel Basman) schlägt und anschreit, wo er die Droge versteckt hat, lässt die Zuschauer erschaudern. Es sind diese Sprünge zwischen der zerbrechlichen, angeblich cleanen Rita im Verhör mit Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und der kreischenden, ekstatisch tanzenden Süchtigen, über die die "Tatort"-Zuschauer voraussichtlich viel reden und twittern werden. Das Erste zeigt den Krimi "Borowski und der Himmel über Kiel" am Sonntag (20.15 Uhr).
"Die Szene, in der Rita Mike anschreit, war sehr emotional und aufwühlend für mich, da dem Zuschauer in dem Moment klar werden muss, dass Rita ihr Leben vollständig dem Crystal Meth unterworfen hat", sagt Schlott im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Der "Tatort" hat von ihr ein körperintensives Schauspiel verlangt. "Vor allem die Disco-Szene, die wir einen ganzen Tag gedreht haben, war sehr anstrengend. Denn Crystal hat Rita viel Energie gegeben, sie war hellwach, hemmungslos und fühlte sich, als könnte sie alles schaffen", sagt Schlott. "Die Drogen-Rita war viel weiter von mir selbst weg, viel mehr ins Extreme. Ich fühlte mich über meine Vorstellungskraft in sie hinein. Die zerbrechliche Rita, die mehr bei sich ist, war mehr von mir persönlich."
Axel Milberg sagt im "Schleswig-Holstein Magazin" des NDR über seine Schauspielkollegin: "Zwischen den Aufnahmen war sie eigentlich immer heiter, ansprechbar, verspielt, hatte sogar eine Ironie zu den Vorgängen." Sie sei nicht der Typ gewesen, "der sich ein Tuch über das Gesicht zieht, eine Kerze anzündet oder nicht ansprechbar ist". Auch Joel Basman, der Ritas Freund spielt, lobt: "Sie ist großartig", sagt er der dpa. "Wir hatten beide harte Drehtage, die wesentlich schwieriger geworden wären, wenn wir uns nicht schon gekannt, gemocht und respektiert hätten."
Schlott hat viel über Crystal Meth recherchiert und sich mit einer Therapiegruppe getroffen. Sie und ihr Schauspielkollege Basman waren so sehr in ihren Rollen versunken, dass sie der Requisiteurin zustimmten, sich zu spritzen – und nicht nur so zu tun als ob. "Wir lernten das in einem Krankenhaus und waren trotzdem richtig aufgeregt, als wir uns vor der Kamera Kochsalzlösung spritzten."
Durch den "Tatort" erkenne sie in ihrem Studienort Leipzig die Crystal-Meth-Abhängigen auf der Straße. "Ich erkenne es am Gesicht, an der Haltung. Sie sind meist sehr dünn, haben unreine Haut. Wenn sie drauf sind, sind sie unruhig, als würden sie etwas suchen. Sie können stundenlang das Gleiche machen. Dieses Fanatische sehe ich ihnen an." Mit der amerikanischen Drogen-Kultserie "Breaking Bad" habe der Kiel-"Tatort" bis auf das Thema Crystal-Meth allerdings wenig gemeinsam. "In der Serie geht es mehr um die Charakterentwicklung von Walter. Das, was die Droge mit den Menschen macht, steht nicht im Fokus", sagt Schlott.
Die 1,60 Meter kleine Frau ragt schauspielerisch aus der Gruppe der jungen Darsteller heraus. Für ihre Hauptrolle als selbstzerstörerische Jessica in dem Familiendrama "Draußen am See" bekam Schlott den Förderpreis Deutscher Film in der Kategorie "Beste Darstellerin". Die meisten Filme, die sie, seit sie zwölf Jahre alt ist, gemacht hat, "liefen gut auf Festivals, wurden aber nur kurz in Deutschland beachtet", sagt Schlott. Sie erhoffe sich mit dem "Tatort" eine größere Aufmerksamkeit.
Demnächst wird sie im ZDF-Film "Marie Brand und der schöne Schein" zu sehen sein. In den Kinos wird der mit dem Bayerischen Filmpreis für die "Beste Nachwuchsregie" ausgezeichnete Film "Agnieszka" laufen – "darin spiele ich eine Art Domina, die den Männern gegen Geld in die Eier tritt". Damit Schlott auch häufiger auf Theaterbühnen steht, studiert sie seit September an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig.
Dass ihre Tochter sich so früh für die Schauspielerei entschieden hatte, hat ihre Mutter damals überrascht. Vor genau vier Jahren sagte sie dem "Tagesspiegel": "Ich dachte, Elli ist so schüchtern, sie kriegt den Mund doch gar nicht auf." Sie hat ihre Tochter in "Borowski und der Himmel über Kiel" jetzt vorab gesehen. Elisa Schlott sagt: "Sie war sehr stolz und berührt. Aber es war bestimmt hart, mich so zu sehen."