TV-Kritik zum Berlin-Tatort: Tiere der Großstadt: Gesamt-Stadtlebensbild
Berlin als gesamtdeutsches Versuchslabor muss auch als "Tatort" ein Spiegel des großstädtischen Lebens sein: Und so konfrontiert Regisseur Roland Suso Richter den Zuschauer zu Beginn mit einem schnellen Assoziativ-Bilderpuzzle aus Sex, Nachtleben und Großstadtromantik, das dann in anderthalb Stunden zu einem Gesamt-Stadtlebensbild wird: Bindungsunfähigkeiten, unerfüllte Kinderwünsche, Einsamkeitsängste – wie bei einem Rentner (Horst Westphal), der seine Wohnung kaum noch verlässt, aber die Umgebung mit dem Fernglas beobachtet.
Kommissar Karow baut zu ihm einen besonderen Draht auf, nicht nur als möglichem Tatzeuge, sondern instinktiv als Seelenverwandten und vielleicht sogar Zukunftsblick in sein eigenes "Einsamer Stadtwolf"-Leben. Ein Pizzabäcker (Kai Scheve) kann keine Kinder kriegen und kämpft gegen das Verlassenwerden. Eine kühle Frau (Valery Tscheplanowa) hat das Kinderkriegen verpasst und sublimiert das durch Edel-Katzenliebe.

Tatort: Tiere der Großstadt - symphonische Bilder, schriftliche Dialoge
Gleich zwei völlig voneinander unabhängige Morde ergeben sich aus diesen Milieus. Und man fragt sich, was das Ganze im Drehbuch von Beate Lanmaak zusammenhält. Es ist ein intellektuelles, originelles Konstrukt mit dem größtmöglichen Gegensatz! Denn lange scheint es, als ob "Schuldunfähige" die zwei "Morde" begangen haben: ein Tier - Wildschweinplage!– und der Roboter eines vollautomatischen Kaffeautomaten-Kiosks. Und so ist dieser Berlin-"Tatort" aus dem Gegensatz Natur und Technik aufgebaut: inklusiv zivilisationskrankem, esoterischem Naturfanatismus (in Form von Stefanie Stappenbeck einer dauerzeltenden Naturbloggerin) einerseits und alexa-artiger Wohnungscomputerisierung (in Kommissar Karows Einsamkeitswohnung) andererseits.
Roland Susu Richter hat dazu atmosphärisch dichte, symphonische Großstadtbilder gefunden, die mehr sagen als die tausend, etwas zu schriftlichen Dialogworte.
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