TV-Film über Modezar: Regisseur im Interview: Moshammer hatte früher fast etwas Rockerhaftes

"Der große Rudolph" über Moshammer in der ARD: Regisseur Alexander Adolph erklärt, warum Mosi ein Münchner Archetyp ist.
München - Ein Selfmade-Man, ein Ödipaler, ein Pfau und ein sozial Engagierter: Herrenausstatter Rudolph Moshammer war eine Münchner Attraktion, die weit über die Stadt hinaus strahlte, weswegen der "Der große Rudolph" jetzt auch in die bundesweite ARD gehoben wird. Die AZ hat mit Regisseur Alexander Adolph gesprochen.
AZ: Herr Adolph, was war Rudolph Moshammer für ein Mensch?
ALEXANDER ADOLPH: Ich fand den Moshammer auf der Straße immer anders als den, den ich aus der Zeitung kannte. Und ich selbst habe ihn mal für "Die Zeit" interviewt. Da saß vor mir ein Mann mit großer Demut und großer Liebe zu seinen Kunden. Aber ich habe auch eine große Aggression gespürt und Düsterkeit, wie seine Prophezeiung, dass die deutsche Wirtschaft kollabieren würde. Aber das lag vielleicht auch an dieser hemmungslosen Konsum- und Selbstbereicherungszeit der 1980er und 90er.
Ich hatte eher den Eindruck, dass er öffentlich angestrengt eine Rolle spielen wollte.
Das Angestrengte lag vielleicht auch darin, dass er sich selbst als Kunstfigur erschaffen hatte. Aber immer schimmerte seine Person noch durch. Das kennt man auch von Schauspielern und Sängern wie einem David Bowie, der zu Hause David Jones war, ein normaler Typ, der auch U-Bahn fuhr. Es geht in meinem Film ja auch um die Frage: Wie verkaufe ich etwas – und auch mich selbst. Und: Was macht das mit mir?

Und was wäre Moshammer ohne Toupet und Daisy, ohne seine Rolle? Ein armer, trauriger Mann?
Vielleicht. Vielleicht aber auch ein sehr lieber Mensch! Und natürlich entsteht eine große Leere, wenn man immer auch eine Rolle spielen muss.
Lesen Sie hier die AZ-TV-Kritik zum Film: "Der große Rudolph": Eines stört gewaltig!
Moshammer ist ein Münchner Archetyp, der so weder in Hamburg noch Berlin möglich gewesen wäre.
Ja, er hat sich in einer gewissen Nachfolge von König Ludwig gesehen: Diese barocke, feudale Selbstinszenierung, dann auch dieses Kunstbairisch, das er gesprochen hat. Aber was man nie vergessen darf: Es gehörte absolut auch Mut dazu, so aufzutreten – gerade in einer Gesellschaft die noch sehr machistisch war, die über andere gelacht und auf sie gezeigt hat. Der war ja zuvor ein gut aussehender Mann, der fast was Rockerhaftes hatte. Dann aber vergoldete er sich und kreuzte mit Mutter und Schoßhund auf.
Rudolph Moshammer: Modemacher, Schlitzohr und Muttersöhnchen
Wäre so eine Selbstinszenierung heute noch möglich?
Unsere Zeit ist da widersprüchlich: Einerseits ist sie toleranter geworden, auch was sexuelle Vorlieben anbelangt, andererseits ist heute alles viel konformer und darauf bedacht, nicht anzuecken. Vielleicht auch, weil wir uns heute die ganze Zeit zeigen müssen, es keine Rückzugsräume mehr gibt. Schon 13-Jährige müssen sich dauernd definieren und stilisieren, weil sie in den sozialen Netzen dauerpräsent sind, alles gemessen und bewertet wird wie in einer realen Dauercastingshow.
Dazu hätte Mosi als guter Verkäufer mit eigener Note durchaus gepasst.
Aber es ist heute anstrengender geworden, als das, was er damals gemacht hat. Man sieht allerdings an Karl Lagerfeld oder Harald Glööckler, dass es heute schon noch geht. Man muss aber dabei auch etwas Persönliches von sich preisgeben als Zucker für die Follower und Medien. Moshammer hatte noch die Chance, hinter der Fassade zu verschwinden.
Video: AZ-Umfrage zu Rudolph Moshammer
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