Trauer um Rosemarie Fendel

Die junge Generation kennt Rosemarie Fendel zum Beispiel als Oma der „Familie Sonnenfeld“ in der gleichnamigen ARD-Reihe oder als schwerhörige Mutter des fiesen Turnlehrers im Kinofilm „Sams in Gefahr“ (2003). An unzähligen Produktionen war die Schauspielerin beteiligt, die jetzt wenige Wochen vor ihrem 86. Geburtstag gestorben ist.
Die Karriere der Künstlerin mit der unverwechselbaren Stimme begann 1946. Als eine ihrer letzten Aufgaben synchronisierte sie die gleichaltrige Französin Emmanuelle Riva, die neben Jean-Louis Trintignant die Hauptrolle in dem Oscar-prämierten Film von Michael Haneke, „Liebe“ (Amour), spielt. Rosemarie Fendels Stimme hat eine eigene Karriere gemacht – vor allem aus dem Mund von Elizabeth Taylor und Jeanne Moreau.
Sie habe „tolle Weiber gehabt“, sagte Fendel einmal über ihre Synchronarbeit. Rund 100 Schauspielerinnen hat sie ihre Stimme geliehen, darunter vielen Französinnen wie Anouk Aimée, Stéphane Audran, Simone Signoret und vor allem Annie Girardot, aber auch den Amerikanerinnen Lauren Bacall, Anne Bancroft, Myrna Loy und Dorothy Parker sowie die Britin Vanessa Redgrave.
Regisseur Ingmar Bergman bescheinigte Rosemarie Fendel „internationales Format“. Doch sie hat stets wenig Ambitionen für ausländische Filmproduktionen erkennen lassen. „Ich habe durch meinen Beruf die schönsten Fleckchen der Erde gesehen, war in Neuseeland, Australien, bin mit dem 'Traumschiff' den Amazonas runtergefahren und habe die Arabischen Emirate besucht“, sagte sie. „Aber am wohlsten fühle ich mich, wenn ich zu Hause in Frankfurt bin.“ Im Stadtteil Höchst lebte Fendel, deren Tochter Suzanne von Borsody ebenfalls eine bekannte Schauspielerin ist, seit vielen Jahren.
Ihr Geburtsort am 25. April 1927 war Metternich bei Koblenz. Ihr Vater war Studienrat, ihre Mutter stammte aus Böhmen. Dort lebte Rosemarie Fendel vom 12. bis zum 18. Lebensjahr. Sie leitete schon als Schülerin eine Kindertheatergruppe. Nach dem Abitur nahm sie privaten Schauspielunterricht. 1946 debütierte sie an den Münchner Kammerspielen, danach folgte ein Engagement in Tübingen. Von dort warb Gustaf Gründgens sie 1953 für das Düsseldorfer Schauspielhaus ab. Über die Zwischenstation Darmstadt kehrte sie nach München zurück.
Am 23. September 1957 brachte sie ihre Tochter Suzanne zur Welt. Die Ehe mit dem Schauspieler Hans von Borsody dauerte von 1955 bis 1962. Nach der Scheidung kehrte sie in ihren Beruf zurück. „Als ich mit 36 begonnen habe, wieder Theater zu spielen, war es sehr schwer, einen Einstieg zu finden“, sagte sie. „Also spielte ich anfangs am Staatstheater in München all die Rollen, die die großen Schauspielerinnen abgelehnt hatten.“
Ab 1963 – es gab nur die ARD und das gerade erst auf Sendung gegangene ZDF – sah man sie auch in Fernsehrollen. Als Redaktionssekretärin „Füchslein“ in der Serie „Der Nachtkurier meldet“ stach sie hervor. In der Krimiserie „Der Kommissar“ machte sie aus ihren seltenen Auftritten als elegante und nölende Ehefrau des Kommissars (Erik Ode) kleine Kabinettstückchen.
1967 erschien sie erstmals auf der Kinoleinwand. Sie spielte in „Tätowierung“ die Ehefrau eines Fabrikanten: Das sozial engagierte Paar adoptiert einen 16-Jährigen, dem jedoch die Fürsorglichkeit zuwider ist. Regisseur Johannes Schaaf, der 26 Jahre lang Fendels Lebensgefährte war, thematisierte in seinem Kinodebüt den Generationenkonflikt. Für die weibliche Hauptrolle in Schaafs „Trotta“ – nach Joseph Roths Roman „Die Kapuzinergruft“ – wurde Fendel 1972 mit zahlreichen Preisen bedacht. Für ihre Rolle im Drama „Im Reservat“ um einen einsamen Transvestiten (Wolfgang Kieling) erhielt sie 1974 den Adolf-Grimme-Preis.
Nachdem sie 1973 am Drehbuch für Schaafs Film „Traumstadt“ mitgewirkt hatte, schrieb Fendel ihr erstes eigenes Drehbuch für die ZDF-Krimiserie „Der Alte“. 1980 ging sie ans Schauspiel Frankfurt, wo Schaaf Intendant war. Beim Fernsehfilm „Der Heuler“ (1982) war sie nicht nur Autorin, sondern führte erstmals auch Regie. Bei „Momo“ (1986) zeichnete sie ebenfalls für das Drehbuch verantwortlich, und sie nahm die Hauptdarstellerin Radost Bokel unter ihre Fittiche, die heute noch von ihr schwärmt – ebenso wie ehemalige Schauspielstudenten der Frankfurter Hochschule.
Mit reiferen Jahren kamen Rollen, in denen sie Damen mit unabsichtlich komischem oder leicht schrulligem Einschlag verkörpern durfte – etwa in Loriots „Ödipussi“ (1988) oder in Helmut Dietls „Schtonk!“ (1992). Bis zuletzt stand Rosemarie Fendel auf der Bühne beziehungsweise vor der Kamera. Noch im Januar war sie im ZDF-Dreiteiler „Das Adlon - Eine Familiensaga“ im Fernsehen zu sehen.