Thomas Gottschalk stellt seine Autobiografie vor

Die Kunst ein Bub zu bleiben: Thomas Gottschalk liest in der BMW-Welt aus seiner Autobiografie "Herbstblond"
von  Adrian Prechtel
Entspannt, anekdotisch, narzisstisch-selbstironisch, amüsant: Thomas Gottschalk bei seiner Show-Lesung aus „Herbstblond“.
Entspannt, anekdotisch, narzisstisch-selbstironisch, amüsant: Thomas Gottschalk bei seiner Show-Lesung aus „Herbstblond“. © dpa

Die Kunst ein Bub zu bleiben: Thomas Gottschalk liest in der BMW-Welt aus seiner Autobiografie "Herbstblond"

Geklaut, gut erfunden oder wirklich passiert? Egal. Thomas Gottschalk erzählt die Geschichte der Journalisten- und Kollegenrunde im Foyer der BMW-Welt: Ein Berliner Taxifahrer sagt zu ihm: „Na, Sie sehn ja os wie da Gottschalk“. Er daraufhin: „Das haben mir schon viele gesagt.“ Der Taxifahrer: „Könn’se viel Jeld mit verdienen.“ Gottschalk: „Hab ich mir auch schon gedacht.“ Und der Taxifahrer: „Könn’se auch länger machen als der. Sehn ja zehn Jahre jünger aus.“ Alle lachen.

Das ältere Leben: „Zur Not eben auch als altes Kind“

Gottschalks „Stargast“, Jürgen Prochnow, liest diese Szene zwei Stunden später am Ende des Abends im Saal dem Publikum noch vor. Sie steht in „Herbstblond“, der Autobiographie, die der Wahlberliner und Los-Angelianer Gottschalk am Samstag 600 Fans vorgestellt hat. Gleich gegenüber, im Olympiadorf hat er anfangs in München gelebt.

Ja, man merkt: Irgendwie kämpft dieser Thommi doch mit der Rentner-Zahl 65, die er an seinem Geburtstag am 18. Mai erreichen wird. Zwischen seinen Vorlesepassagen erzählt Gottschalk von dieser Gefühlswelt, weil er ja oft auf seine Berufsjugendlichkeit und das Show-Geschäft angesprochen würde: „Ja, wie viele, die so alt sind wie ich, haben wir uns entschieden, ewig jung zu bleiben. Ich lebe in der Wahnvorstellung, ewig Kind bleiben zu können - zur Not eben ein altes Kind.“

Bei Gottschalk wirkt so ein Satz nicht peinlich, denn genau dafür liebt ihn das Publikum. Er war der freche Selfmade-Man, der studentisch jung den Bayerischen Rundfunk aufmischte, dann auch neben Superstars wie Michael Jackson in seinem TV-Shows lässig blieb. Und wenn er irgendwann dann doch etwas wie aus der Zeit gefallen wirkte, blieb er doch immer der nette Junge, frech, aber im bürgerlichen Rahmen. Das gab zeitlose Sicherheit.

Das Naturtalent

Jetzt, wo er da wieder sitzt vor Publikum, liest und spricht, ist eben auch klar: Das deutsche Fernsehen hat eben kein größeres, natürlicheres Showtalent.

Und wenn er zwischendurch ins Publikum tritt, sind eben doch alle elektrisiert. Als ein relativ junge Frau um die dreißig ihr Handy zückt, stellt er sich selbstironisch daneben: „Ja, vielleicht werde ich jetzt einfach in Zukunft als Selfie-Kasper durch Berlin laufen...“

Weder Gottschalks Buch noch er selbst wirken nostalgisch. Dennoch bleibt „Wetten, dass?“ ein Zentrum seines Lebens und in manchen Nebensätzen klingt eben doch Sehnsucht nach alter Größe durch. Klug erklärt Gottschalk das Erfolgsrezept: Die Show haben zwei völlig unterschiedliche Welten zusammengebracht und damit Sehnsüchte des Otto-Normalverbrauchers erfüllt: der Mensch von nebenan mit einem skurrilen Talent saß dann plötzlich neben Bill Gates. Und die ganze Fernsehnation schaute zu. „Und jeder hat doch in der Familie jemanden mit einem skurrilen Hobby“, meint Gottschalk. Das habe dann plötzlich die Star- und Fernsehwelt emotional ganz nah an die Menschen herangebracht.

Der Bruder schläft ein

Gibt es etwas, dass dieser schicksalsbeglückte Mann bedauert? „Ja, die Jahre mit ,Wetten, dass?’ nicht mehr genossen zu haben: Ich habe immer auf die nächste Show hingelebt. Ich habe manche Dinge mit einer gewissen Oberflächlichkeit abgewickelt. Und jetzt habe ich mit Erschrecken festgestellt: Ich werde 65 und frage mich, wo sind die Jahre geblieben?“

Gottschalk will sich seinem Publikum auf seiner Lese-Show-Tour „ungeschminkt“ präsentieren, wie das Verlags-Plakat dazu ankündigt. Er begrüßt aber ironischerweise gleich am Anfang seine Maskenbildnerin, die in der zweiten Reihe sitzt, neben seinem Bruder, der in den zwei Stunden zwischendurch auch mal einschläft.

Neben Prochnow ist Bully Herbig der zweite Promi-Gast und sitzt mit Gottschalk auf dem Sofa neben dem Lesetisch. Aber es bleibt ein völlig oberflächliches Geplauder, weil Gottschalk nichts Tieferes fragt, Herbig zu wenig Luft lässt. Der erzählt dann wenigstens die Anekdote, wie Gottschalk seine Tasche im Ausland in einem Hotel hatte liegen lassen.

Wichtigkeit, Größe, Größenwahn

Bei einem Filmdreh am nächsten Tag, habe er dann alle nervös gemacht. Am Ende war noch die Deutsche Botschaft eingeschaltet, um die Tasche wieder aufzutreiben. „Die Deutsche Botschaft! Wahnsinn!“, sagt Bully – und könnte versteckt damit meinen: Ist das noch Wichtigkeit oder schon Größenwahn?

Wer Gottschalks Autobiographie liest, wird den Entertainer sofort wiedererkennen, in seinem amüsant erzählerischen Grundton: anekdotisch plastisch, aber nie tiefschürfend. Die Watschn von der Mutter gehören da zum damaligen „Erziehungsrepertoire“ und die Gedanken zum Freitod, die sich am Ende von Gunter Sachs und Ex-Intendanten Udo Reiter reiben, sind eher Gefühlsreaktionen als Auseinandersetzungen.

Einen „bunten Abend“, der „spannender“ werden sollte „als das Wasserglas auf dem Lesetisch“ hatte Gottschalk versprochen. Das ist gelungen und gilt auch für das Buch.

Thomas Gottschalk: „Herbstblond“ (Heyne Verlag, 370, Seiten 19,99 Euro)

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