Tatort vs. Polizeiruf - Da tut sich was

Es herrscht ein großes Ungleichgewicht innerhalb des Sonntagskrimi-Kosmos. Denn obwohl auf dem Kult-Sendeplatz (20.15 Uhr im Ersten) fast immer sehr anspruchsvolle Unterhaltung geboten wird, laufen die Krimis unter zwei Namen - und mit zwei verschiedenen Intros und unterschiedlich vielen Kommissaren. Den "Tatort" gibt es seit 1970, das ursprünglich ostdeutsche Pendant "Polizeiruf 110" seit 1971 - mit einer Wende-bedingten eineinhalbjährigen Pause zwischen 1991 und 1993. Seither produzieren auch der BR und der NDR "Polizeiruf" - und das sogar sehr erfolgreich.
Aktuell ermitteln vier "Polizeiruf"-Teams (Bukow und König in Rostock, Lenski und Krause in Brandenburg, von Meuffels in München sowie Brasch und Drexler in Magdeburg). Die 19 "Tatort"-Teams in Deutschland, noch ohne die beiden künftigen Teams aus Dresden und Franken gerechnet, plus je ein Team aus Österreich und der Schweiz sind damit in der Überzahl. Am beliebtesten ist mit Abstand das Münsteraner "Tatort"-Team, bestehend aus dem Rechtsmediziner Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Thiel (Axel Prahl). Im September erreichten sie die Sensationsquote von 13,13 Millionen Zuschauern.
Quotentechnisch kann den beiden nur die vierteilige Til-Schweiger-Reihe innerhalb der Sonntagskrimi-Reihe gefährlich werden. Die "Polizeiruf"-Teams können von sowas nur träumen, doch seit Kommissar Bukow (Charly Hübner) und Profilerin König (Anneke Kim Sarnau) seit 2010 in Rostock und von Meuffels (Matthias Brandt) seit 2011 in München ermitteln, zieht die "Polizeiruf 110"-Quote von mal zu mal an. Sogar die Neuen Brasch (Claudia Michelsen) und Drexler (Sylvester Groth) konnten mit einem eher mäßigen Film "Eine mörderische Idee" (9. November) von der neuen Welle profitieren: 8,72 Millionen Fernsehzuschauer schalteten ein, eine sehr passable Zahl.
Quoten nähern sich an
Woran liegt's? Zum einen an den Fällen: Die Krimi-Macher verstehen ihr Handwerk, in der Regel können sie mit spannenden und realistischen Geschichten überzeugen. Besonders deutlich demonstrierte das zuletzt der NDR mit "Familiensache" (2. November) über einen amoklaufenden Familenvater. Der gefeierte "Polizeiruf" triumphierte mit 8,30 Millionen Zuschauern auch bei der Quote. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news zum Krimi zeigt Schauspieler Hübner Verständnis für die ungleichen Quoten: "Für den Großteil der Zuschauer gibt es den 'Tatort' einfach schon länger. Aus dieser Tradition heraus ist das auf jeden Fall nachvollziehbar. So ein Ritual zu ändern, ist nicht einfach, aber es werden ja jedes Mal mehr Zuschauer, was mich sehr freut."
Womit wir auch schon beim anderen Erfolgsgaranten sind: Die Verantwortlichen beweisen meist ein überaus glückliches Händchen bei der Wahl der Schauspieler. Sowohl Matthias Brandt (53, BR) als auch Charly Hübner (41, NDR) zählen zu den besten ihres Fachs. Ebenfalls fabelhaft und sehr authentisch sind die Damen Anne Kim Sarnau (42, NDR) und Maria Simon (38, rbb). Faszinierend sind dabei vor allem die so unterschiedlichen Charaktere, die einfach aufeinanderprallen müssen, wenn der robuste Rostocker Kommissar auf die hochsensible Ermittlerin trifft oder die junge Kommissarin und der alteingesessene Polizeihauptmeister in ihrem ganz eigenen Tempo die größtenteils unbekannten Landschaften Brandenburgs sicherer machen.
Letztere Kombi ist übrigens der nächste und gleichzeitig letzte "Polizeiruf 110" in diesem Jahr, "Hexenjagd" wird am 14. Dezember auf dem gewohnten Sendeplatz ausgestrahlt. Diesmal ermittelt das Geheimtipp-Team Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Simon) und Polizeihauptmeister Horst Krause (Horst Krause) nach einem Sprengstoffanschlag in einer Schule.
Davor und danach sind bis Ende des Jahres "Tatorte" dran: Es geht von Berlin (letzter Fall von Kommissar Stark?) über Stuttgart und Hamburg (Rauhbein Falke und die schöne Blonde) nach Hannover (Furtwängler), Saarbrücken (Weihnachts-Krimi am 26. Dezember) und München.