"Tatort"-Regisseur Axel Ranisch: Der Experimentierer
Vor einem Jahr machte sein improvisierter "Tatort: Babbeldasch" wegen der Dialekt sprechenden Laiendarsteller Schlagzeilen, am Sonntag lief ein weiterer Ludwigshafen-"Tatort" von ihm: der Gruselkrimi "Waldlust". Jetzt hat Axel Ranisch (34) mit "Nackt über Berlin" seinen ersten Roman geschrieben.
Seit Jahren mischt Ranisch mit Werken wie "Dicke Mädchen", "Ich fühl mich Disco" oder "Alki Alki" die deutsche Filmwelt auf. Auch in seinem Debütroman geht es um zwei Außenseiter, Jannik und Tai, beide 17, von Mitschülern fies Fetti und Fidschi genannt. Der korpulente Jannik ist – zu Beginn nur heimlich – verliebt in seinen Freund mit vietnamesischen Wurzeln, der bis kurz vor Schluss des Buchs recht rätselhaft bleibt. Eines Abends lässt sich der verträumte Jannik mit in eine Aktion seines Schwarms Tai hineinziehen. Sie lesen ihren betrunkenen Schulrektor Jens Lamprecht auf der Straße auf und schaffen es, ihn unerkannt in seine Wohnung zu geleiten, wo sie ihn einschließen.
Was erst wie eine Mutprobe für ein paar Stunden aussieht, entwickelt sich zu einem tagelangen Martyrium. Tais Technik- und Hacker-Fähigkeiten geben den Schülern Kontrolle über Strom und Wasser in dem Appartement, sie spielen Gott, und sie machen den zynischen und verlogenen Ex-Idealisten Lamprecht zu einer Geisel in den eigenen vier Wänden.
"Dieser Roman bin ich, trotzdem ist alles erfunden"
Der Roman spielt in weiten Teilen im 24. Stock eines Luxushochhauses. Die Handlung führt außerdem in die elterlichen Wohnungen der Protagonisten, zwischendurch auch in Berlins vietnamesische Markthallen Dong Xuan Center, nach Norddeutschland zur Beerdigung von Janniks Oma und natürlich in die Schule der Teenager. Mal erzählt Jannik aus der Ich-Perspektive, mal ein Erzähler. Es geht um große Themen: Liebe, Familie, Freundschaft, Vertrauen, Ehrlichkeit.
"Dieser Roman bin ich, trotzdem ist alles erfunden", sagt Autor Ranisch und schwärmt vom Schreiben im Vergleich zum Filmemachen: "Es ist so viel direkter. Alle Umwege fallen weg. Keine Finanzierung, keine Technik, keine Motivsuche, keine inhaltlichen Kompromisse. Ich schreibe es auf und jeder kann es lesen. Wahnsinn. Ich bekomme Raum und Zeit geschenkt, muss nicht auf jeder Seite ans Fortkommen der Handlung denken, kann mich links und rechts umsehen, auch mal in den Gedanken meiner Figuren versinken."
Auf die Idee, einen Roman zu schreiben, brachten ihn zwei Lektorinnen, die "Ich fühl mich Disco" begeisterte. Zunächst habe er aber keine Geschichte parat gehabt, gibt Ranisch zu. "Ein Jahr später aber gab es eine Idee. Eine Filmidee eigentlich. Ich wollte Thorsten Merten einsperren. Ein Kammerspiel mit ihm allein. Ein Mann erwacht in Gefangenschaft und weiß nicht warum. Auf der Suche nach der Identität seines Entführers durchstreift er sein Leben und stellt sich größeren Fragen: Wer hat ein Motiv, um sich an ihm zu rächen? War er ein guter Mensch? War er sein Leben wert?"
Bald wird gefeiert
In der Jannik-Figur gebe es einige Parallelen zu seinem Helden Flori aus "Ich fühl mich Disco", sagt der Autor. Die Sprache ist stellenweise derb, aber das ist niemals nur aus Provokation, sondern stets sinnvoll und gibt dem Roman einen unverkrampften Ton.
Ranischs lebt seit einigen Jahren in einer Lebenspartnerschaft: "Noch sind Paul und ich nicht offiziell verheiratet", sagt er. Das will das Paar aber mit der Ehe für alle nachholen: "Einzig die Zeit hat es noch nicht erlaubt. Freunde und Familie sind aber ganz scharf auf eine große Feier."
Gefeiert wird bald auch in München – wie es nach jeder Premiere üblich ist. Denn Ranisch inszeniert bei den Opernfestspielen Joseph Haydns "Orlando Paladino" im Prinzregententheater. Premiere ist am 23. Juli.
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