Tatort Kritik zu Böser Boden: Wer will denn sowas?

Der "Tatort" in der Originalitätsfalle – kaum ein Sender konzentriert sich noch auf einen spannenden Kriminalfall.
von  Kimberly Hoppe
Optisch blass – und inhaltlich: "Zombie"-Kinder bedrohen Kommissarin Grosz (Franziska Weisz) im "Tatort: Böser Boden".
Optisch blass – und inhaltlich: "Zombie"-Kinder bedrohen Kommissarin Grosz (Franziska Weisz) im "Tatort: Böser Boden". © Schroeder/ARD/NDR /dpa

Der "Tatort" ist Kult. Das war so, ist so – aber bleibt das auch so? Nach den letzten Sonntagabenden zeichnet es sich langsam, aber sicher ab, dass das letzte Lagerfeuer auf immer kleinerer Flamme brennt. Obwohl die TV-Macher immer dickere Hölzer in die Glut hauen.

Der bisherige Tiefpunkt: Der Hamburger "Tatort: Böser Boden". Nur 7,99 Millionen Zuschauer – für andere Sender eine Traum-Quote, für "Tatort"-Verhältnisse eine Schlappe – waren dabei, als Thorsten "Ey, Digga" Falke (Wotan Wilke Möhring) gegen Fracking, Ökos und Zombies zu kämpfen hatte. Blass waren nicht nur die Gesichter, sondern vielmehr Drehbuch, Dialoge ("Irgendetwas stimmt hier nicht") und vor allem die Geschichte. Gerade die gerät leider immer mehr in den Hintergrund.

Autoren versuchen sich an Absurdität zu übertreffen

Spätestens seit Ulrich Tukur beim ARD-Flaggschiff anheuerte und mit seinen abseitigen Fällen auffiel, versuchten sich ständig mehr Autoren und Redakteure, an Originalität und auch Absurdität zu übertreffen.

Die Münchner Kommissare ermittelten im Porno-Milieu, ein Planschbecken mit Sperma und Urin wurde zum Ekel-Aufreger in den sozialen Netzwerken. Die Story? Wurscht.

Beim improvisierten Ludwigshafener "Tatort: Babbeldasch" wurde mal eben – dank Laiendarstellern und Mundart – nichts verstanden. Und bei Maria Furtwängler gab es zuletzt nichts zu verstehen. Der "Fall Holdt" nach einem echten Fall (Bögerl) blieb ungelöst.

Ein offenes Ende kann frustrieren. Schließlich hat der geneigte Zuschauer jahrelang seine Rolle als Hobby-Ermittler trainiert. Nichts ist für viele schöner, als die egofreundliche Bestätigung, doch schon viel früher als die TV-Kommissare gewusst zu haben, dass der Bruder vom Freund der Toten der Mörder war. Heute gelten die typischen "Tatort"-Gesetze (eine Leiche, ein/e Mörder/in, ein Happy End) nicht mehr. Hauptsache alles ist ganz toll unkonventionell. Doch der "Tatort", seit 1970 als Krimi-Höhepunkt der Woche gedacht, ist kein Experimentaltheater und auch kein Spielplatz für Effekthascherei.

Die Verantwortlichen wollten Experimente zurückschrauben

Weniger Zuschauer als für die "Walking Dead"-inspirierten Zombies aus Hamburg haben seit der Sommerpause nur für den Geister-"Tatort: Fürchte dich" vom Hessischen Rundfunk Ende Oktober eingeschaltet (6,95 Millionen). Die Verantwortlichen reagierten damals und kündigten an, die Experimente zurückschrauben zu wollen. Am Sonntag war davon nichts zu sehen.

Der Grund: Eigentlich sollte der Zombie-Fall im Frühjahr ausgestrahlt werden, doch wegen des verschobenen Dortmund-"Tatorts" (der es übrigens schafft, auf konventionelle Weise originell zu sein), der aus Pietätsgründen nach dem Terror auf dem Berliner Weihnachtsmarkt nach hinten verschoben wurde, landeten die Hamburger auf dem späten Sendeplatz.

Am 17. Dezember, eine äußerst ungünstige Planung des Senders, sehen die Zuschauer Wotan Wilke Möhring und seine nicht nur verbal nichtssagende Kollegin schon wieder.

Bleibt zu hoffen, dass sie ohne Zombies auskommen. Und dafür mit einem richtig spannenden Fall zu kämpfen haben.

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