Tatort-Kritik: "Borowski und der freie Fall"
Ein Krimi wie ein Abzählreim, vor der Postkartenkulisse des "Fall Barschel" - das war dieser "Tatort" aus Kiel mit Axel Milberg in "Borowski und der freie Fall". Schnell wird klar, dass der NDR den 25. Todestag des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten zur Quotenförderung zwar billigend in Kauf nimmt, aber natürlich keine neuen Erkenntnisse oder gar Verschwörungstheorien in die Welt setzen will und kann.
Wäre dies der Fall gewesen, wäre Tom Buhrow wirklich der richtige Mann gewesen, diese zu präsentieren. So war der Tagesthemen-Mann natürlich nur ein Statist, dessen Gastauftritt den Zuschauer stutzen lässt, also mehr ein Gimmick im neuen ARD-Yps.
Leider war auch vieles in diesem Sonntags-Krimi eher angetäuscht als echt. Okay, die Leiche am Anfang war recht überzeugend tot. Aber das ist ja für einen Krimi eigentlich auch obligatorisch. Danach betreten - wohlwollend gerechnet - fünf potenziell Tatverdächtige die Bühne.
Der erste ein Polit-Karrierist, der zwar hetero-verheiratet ist, aber homo-affärig mit dem Mord-Opfer glücklich war (sehr gut: Thomas Heinze).
Die zweite die Ehefrau des Politikers, die aber mangels Masse und Motiv schnell aus dem Rennen ist.
Der dritte ein Fotograf, der spätestens dann nicht mehr in Frage kommt, als er tot im Straßengraben gefunden wird.
Der vierte ein zwielichtiger Professor aus der Schweiz, der stellvertretend für alle geheimdienstlichen Machenschaften steht und deswegen natürlich - siehe oben - nichts mit dem Mord zu tun hat.
Bleibt die fünfte Verdächtige, eine TV-Moderatorin und Ex-Frau des Mordopfers. In dieser Rolle als Mischung zwischen Ulla Kock am Brinck und Sabine Christiansen wirklich überzeugend - wenn auch nicht in Blond: Marie-Lou Sellem. Na ja, und die war's dann auch.
Neben dem Faszinosum Barschel-Affäre nimmt sich dieses Ene-Mene-Muh eher belanglos aus. Noch schlimmer aber sind die Sätze, die irgendjemand der eh schon überfordert wirkenden Sibel Kekilli ins Drehbuch geschrieben hat: "Das hier ist kein Zufall" (nein, das hat ein ebenso überforderter Drehbuch-Autor so konstruiert!), "Musste er deswegen sterben?" (eine wichtige Frage, die später bestimmt beantwortet wird) oder "Wer's glaubt wird selig" (gesundes Misstrauen ist im Tatort immer angebracht).
Ganz, ganz schlimm wird's aber als sie Video-Standbilder auf ihr iPad zieht, dieses in Genf gestohlen wird und sie diese Bilder - statt in der Cloud, auf ihrem Rechner, ihrem iPhone oder sonstwo im Mac-Universum - im Polizeipräsidium Kiel unter "Backup" gesichert hat. Da, liebe ARD, haben wir uns wirklich veräppelt gefühlt.