Kritik

"Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes": Schmerzhafte Reise in die Vergangenheit

Im neuen Kieler "Tatort" stehen Vater und Sohn Milberg zusammen vor der Kamera – für Kommissar Borowski wird es eine Reise in die Vergangenheit. Die AZ-Kritik zum Krimi im Ersten.
von  Philipp Seidel
Der junge Borowski (August Milberg) mit Klaus Borowski (Axel Milberg) in einer Szene des "Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes".
Der junge Borowski (August Milberg) mit Klaus Borowski (Axel Milberg) in einer Szene des "Tatort: Borowski und der Schatten des Mondes". © Christine Schroeder/NDR/dpa

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des "Borowski und der Schatten des Mondes". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 10.04.2022, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).


So langsam, wie die Kamera zu Beginn auf Axel Milbergs Gesicht zufährt, ist klar: Klaus Borowski ahnt was!

Das Skelett der Jugendlichen, das unter dem umgefallenen Baum im Wald zum Vorschein kam, ist für ihn absolut kein Fall für die Cold-Case-Unit, vielmehr eine Angelegenheit des heißen Herzens: Jung-Borowski wollte mit seiner Teenager-Freundin 1970 zu Jimi Hendrix auf das Love-and-Peace-Festival auf der Insel Fehmarn trampen. Aber es regnete, kein Auto hielt an, und Borowski wurde maulig. Das junge Paar schied im Streit, das Mädchen stieg in einen VW-Bus und ward nicht mehr lebend gesehen.

Neuer Kiel-"Tatort": Borowski ist besonders befangen

Er lernt schmerzhaft: Du musst kämpfen im Leben für die Dinge, die dir wichtig sind. Hier ermittle ich, ich kann nicht anders, sagt also sinngemäß Borowski und gräbt sich tief hinein in den alten Fall, bei dem er befangener ist als jeder andere.

Bald steht der große Klaus vor einer alten Tankstelle namens Grossklaus und denkt zurück an jenen Tag, an dem Klein-Klaus seine Freundin alleine ließ – und damit ihr Schicksal besiegelte. In "Borowski und der Schatten des Mondes" (Buch: Patrick Brunken und Torsten Wenzel, Regie: Nicolai Rohde) treffen wir also auf den jungen Borowski (gespielt von Milbergs Sohn August), nehmen einen tüchtigen Zug 70er-Jahre-Atmosphäre und verirren uns immer wieder im unübersichtlichen Wald, wo skelettierte Tote auftauchen und Jäger ihre Beute ausweiden. Das ist nicht der Wald, den man für ein Picknick aufsucht. So finster wie der Wald ist auch der Keller des Verdächtigen. (Vergessen Sie bitte umgehend die Weisheit "Böse Menschen haben keine Lieder.")

Borowski kämpft gegen seine Geister der Vergangenheit an

Wir werden Zeuge, wie sich die Lügen von damals und die Verwirrungen von heute allmählich auflösen. Wie Borowski den alten Fall aufnimmt und gegen seine Geister der Vergangenheit ankämpft. Unser Klaus – ein Drückeberger? Nur noch ein bisschen: Dem Vater des Mädchens kann er dann doch nicht gleich gegenübertreten, der Fall soll erst ganz aufgeklärt werden. In stummem Schmerz starrt Borowski den erneut Trauernden aus der Ferne an.

Und wir sehen den damaligen NDR-Intendanten Lutz Marmor in einer Statistenrolle, die charmant ist, aber als Bewerbungsvideo für die Schauspielschule doch kaum taugt. "Lutz, mach doch den Fernseher aus, ich hab doch Internet!", sagt Heide Simon in der Rolle einer Frau, die als Mädchen auch dem Tod entkommen und heute eine wichtige Zeugin ist, deren Aussage für die Ermittlungen alles ändert.

Der Showdown ist – natürlich – im Wald. Immerhin: Alles endet aufgeräumt. Und man fragt sich: Werden wir im nächsten Kieler "Tatort" einen veränderten, weniger schrulligen Borowski kennenlernen? (Bitte nicht!)

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