Interview

Schauspieler Max Simonischek über Befreiung und Zensur

Max Simonischek über das TV-Drama "Trügerische Sicherheit", die Zeit an den Kammerspielen und die Tücken von #MeToo.
von  Florian Koch
Der 39-Jährige in Berlin geborene Schweizer Schauspieler wurde für seine Arbeit in TV-Filmen wie "Hindenburg" preisgekrönt.
Der 39-Jährige in Berlin geborene Schweizer Schauspieler wurde für seine Arbeit in TV-Filmen wie "Hindenburg" preisgekrönt. © ZDF/Christine Schroeder

Ob in Dokumentarfilmen oder Enthüllungsbüchern: Die Auseinandersetzung mit sexuellen Missbräuchen ist aktueller denn je. Im ZDF-Drama "Trügerische Sicherheit" wird das brisante Thema im deutschen Fernsehen nun erstmals aus männlicher Perspektive erzählt.

Max Simonischek als stoischer Personenschützer

Max Simonischek gibt dabei den stoischen Personenschützer Jonas Neimann, der vor allem für den Schutz des charismatischen Politikers Mittendorf (Christian Berkel) verantwortlich ist. Seine bedingungslose Loyalität wird jedoch auf die Probe gestellt, als seine Freundin, die Pressesprecherin Katharina Borba (Friederike Becht) von Mittendorf auf einer Feier sexuell bedrängt wird.

AZ: Herr Simonischek, im Film heißt es, dass man als Personenschützer zu 100 Prozent loyal und immer wachsam sein muss. Wie lässt sich das überhaupt leben?
MAX SIMONISCHEK: Ich kann mir diese Prämisse der völligen Konzentration ohne jegliche Ablenkung nur in drei Lebenslagen vorstellen: Die eine ist beim Sport, die andere beim Schauspielern und die dritte beim Sex.

Mehr Mimik, weniger Sprache

In Krimis wird viel geredet, auch einiges zerredet. Hier wird jedoch weniger mit der Sprache als mit Gestik und Mimik gearbeitet.
Grundsätzlich wird im deutschen Fernsehen zu viel gequatscht. Das ärgert mich oft. Ich persönlich bin übrigens ganz schlecht im Vermitteln von Informationstexten. Da bitte ich meistens einen Kollegen das für mich zu übernehmen, weil ich oft gar nicht weiß, mit welcher Haltung ich das eigentlich sprechen soll. Für mich ist Film in erster Linie ein visuelles Medium. Und alles, was man auch bildlich ausdrücken kann, muss man doch nicht noch einmal sagen und erklären. Dieser Krankheit im deutschen Fernsehen wirken wir hier ein wenig entgegen.

Die ARD verkauft den Film als Beitrag zum Thema "MeToo" aus männlicher Perspektive. Können Sie mit dieser Etikettierung mitgehen?
Ich will das gar nicht so kategorisieren. Aus Marketing-Gründen ist das sicher sinnvoll und es geht es ja auch um einen Machtmissbrauch. Aber dann müsste man noch genauer definieren, was "MeToo" eigentlich bedeutet. Und daran scheiden sich ja die Geister.

Auch Simonischek wurde schon belästigt

Sie selbst kommen aus einer Schauspielerfamilie, haben an Theatern und Filmsets gearbeitet. Hat die Diskussion um "MeToo" wirklich eine Veränderung in den Verhaltensweisen ausgelöst?
Natürlich habe ich in der Vergangenheit Erfahrungen damit gemacht. Eine Regisseurin kam sogar nach den Proben direkt auf mich zu mit der Frage: "Und wann schlafen wir endlich miteinander?" Diese Anzüglichkeiten waren nun mal gang und gäbe in unserer Branche. Und es ist leider auch nicht jedem gegeben, auf solche Provokationen keck und schlagfertig zu reagieren. Deshalb ist die Sensibilität, die dieses Thema gerade erfährt, zurecht auf der Tagesordnung. Aber Fakt ist auch, dass vor diesem Hintergrund das Miteinander an Theatern und Filmsets beeinträchtigt wird.

Wie äußert sich das?
Das Gute ist die höhere Sorgfältigkeit und Sensibilität hinsichtlich bewusster oder unbewusster Übergriffe. Als negativ empfinde ich, dass man sich jetzt ständig gegenseitig zensiert und dadurch auch gehemmt wirkt. Und in einem Beruf, in dem es darum geht, sich zu begegnen und auch Grenzen auszuloten, ist das nicht immer förderlich. Bei aller Wichtigkeit dieses Themas und der Tatsache, dass viele Menschen, vor allem Frauen, unter dieser Übergriffigkeit jahrelang gelitten haben, gibt es eben auch eine Kehrseite der Medaille.

Und die wäre?
In dieser auffälligen Veränderung des Verhaltens lauert jetzt auch öfter das Wittern einer Gefahr, die auf einen zukommen kann. Die Gefahr, dass nur eine Behauptung, ein Gerücht ausreicht, um jemanden das Handwerk zu legen oder den Ruf zu schädigen. Denn es geht nicht mehr darum, ob das juristisch wirklich belegbar oder tatsächlich passiert ist. Das eigene, eigentlich nur private Koordinatensystem entscheidet was allgemein und öffentlich Recht oder Unrecht ist, und das finde ich äußerst problematisch.

Alte weiße Männer wie Putin

Die Filmfigur von Christian Berkel, der Politiker, bekommt von ihrer Filmtochter am Tisch zu hören, dass solche mächtigen Männer wie er schuld daran seien, dass sich in der Gesellschaft nichts ändert. Ist da nicht was dran?
Ja, diese mächtigen alten weißen Männer gibt es leider natürlich noch. Einer von Ihnen sitzt im Kreml, verursacht unfassbares Leid und stürzt uns und die Welt gerade ins nächste Unglück. Ich hoffe, dass dieser Typus Mann schnell ausstirbt. Dennoch ist es problematisch zu pauschalisieren. Denn als alter weißer Mann, was übrigens eine Dreifach-Diskriminierung ist, hat man heute eigentlich schon verloren, egal was man vermitteln will. Und diese Verhärtung der Fronten, wozu auch die Sozialen Medien beitragen, macht es einem manchmal nicht leicht die Dinge differenziert zu betrachten. Denn allzu schnell wird man hier einfach in eine Ecke gestellt, vor allem wenn man in seiner Meinung nicht den Zeitgeist trifft. Ich würde letztlich dafür plädieren, entweder zu einer offenen Diskussionskultur zurückzukehren oder bei dem Thema ein bisschen die Luft rauszulassen, etwas zurückzutreten, nicht immer mit Kanonen auf alles zu schießen.

Startschwierigkeiten in München

Zwischen 2012 und 2014 waren Sie auch Ensemblemitglied an den Münchner Kammerspielen. Wie denken Sie an diese Zeit zurück?
Am Theater unter dem Intendanten Johan Simons war das eine schöne Zeit. Ich hatte mich den ganzen Belgiern und Niederländern, die damals hier tätig waren, gerne angeschlossen. Gerne auch deshalb, weil hier ein anderer, harmonischer Gruppengedanke gepflegt wurde als er an anderen deutschen Stadttheatern häufig der Fall ist. Mit München als Stadt hatte ich damals aber so meine Schwierigkeiten.

Warum?
Ich wohnte zu dieser Zeit oben am Prinzregentenplatz, und in der Maximilianstraße lag mein Theater. Das heißt, dass ich von München eigentlich nur die Snobby-Seiten kennengelernt habe. Mittlerweile habe ich durch meine Dreharbeiten an der Münchner Krimireihe "Laim" mein Kriegsbeil mit München begraben und bin ganz gerne hier. Natürlich auch, weil meine Mutter, die Charlotte Schwab, hier lebt und am Residenztheater arbeitet.

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