Schattenseiten der glitzernden Kunstwelt auf 3sat

3sat widmet sich in einer sehenswerten Reihe den vielen Schattenseiten der glitzernden Kunstwelt.
Christa Sigg |
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Elisabeth Leopold mit Egon Schieles Porträt seiner geliebten Muse Wally.
dpa Elisabeth Leopold mit Egon Schieles Porträt seiner geliebten Muse Wally.

Der kokette Mund, die kastanienroten Haare – und dann diese blaugrünen Augen, die einen anstarren und zugleich in geheimnisvoll melancholische Tiefen führen. Man kann schon verstehen, dass alle diese Wally haben wollten. Egon Schieles Geliebte, Muse, sein Dauer-Modell sollte die Gier anstacheln. So sehr, dass dies ein paar Kunst sammelnde Betrachter zu illegalen Mitteln greifen ließ. Davon und einem jahrzehntelangen Kampf um Recht und Rückgabe handelte die erste Folge der vierteiligen 3Sat-Dokureihe „Kunst und Verbrechen“, die am Samstag begann (nachzusehen auf der 3sat-Homepage).

Zum Thema gehören natürlich genauso Fälschungen. Das hat zuletzt der Fall Beltracchi gezeigt (der Künstler stellt zur Zeit in einer Schwabinger Galerie echte Beltracchis aus). Doch im zweiten Serienteil „Knoedler und der Chinese“ ging es vor allem um abstrakte Expressionisten, also falsche Jackson Pollocks, Willem de Koonings oder Rothkos, die 15 Jahre lang von einer der renommiertesten Galerien New Yorks verkauft wurden.

Rund 60 Exemplare soll Knoedler unter die Upperclass gebracht haben, vermittelt durch die schillernde Glafira Rosales. Der Schaden liegt vermutlich im dreistelligen Millionenbereich. Das ist im Grunde nichts Neues, die Kunstgeschichte hat mit unzähligen Täuschungen aufzuwarten, auch besonders irrwitzigen wie den frommen Vermeers des Han van Meegeren, die man selbst ohne Expertenblick sofort entlarvt. Aber die Verlockung ist halt gar zu süß, und die Geschäfte mit guten Namen laufen besser denn je – von Fälschungen profitieren ja immer gleich mehrere. Die Suche nach der Wahrheit ist insofern für den Kunstmarkt von begrenztem Reiz.

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Was tatsächlich überrascht: Auf Platz drei der organisierten Kriminalität liegen der Kunstschmuggel und der illegale Handel mit geraubten Antiken. Ein uraltes Problem, sicher, in Griechenland oder Italien kämpft man schon lange gegen Grabräuber und Schmuggler. Und doch landen tolle Objekte immer noch in Vorzeige-Häusern wie dem Metropolitan Museum oder dem Getty.

In der Serie wird das unter dem Titel „Schmuggel – Göttin auf Abwegen“ verhandelt, wobei es vor allem um die Venus von Morgantina geht und der vom Saulus zum Paulus mutierte Schmuggel-Experte Michel van Rijn aus dem Nähkästchen plaudert. Doch was wäre eine solche Serie ohne einen ordentlichen Kunstraub? Aus der Frankfurter Schirn wurden 1994 Werke von Caspar David Friedrich und William Turner gestohlen, keine eigenen, sondern Leihgaben aus der Kunsthalle in Hamburg und der Londoner Tate. Damals schon lag der Versicherungswert bei rund 70 Millionen Mark. Und ja, die Bilder wurden von den Hehlern zurückgekauft.

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Doch zurück zu Wally. Sie war einst im Privatbesitz der Wiener Jüdin Lea Bondy, deren Galerie 1938 zwangsarisiert wurde. Der mit dem NS-Regime kooperierende Kunsthändler Friedrich Welz, der die unschöne Sache seinerzeit durchzog, presste ihr die Wally ab (man denkt unwillkürlich auch an den Fall Gurlitt), und eine kaum mehr nachzuvollziehende Reise der Schönen begann. Bis sie schließlich bei Österreichs Groß-Kunstsammler Rudolf Leopold gelandet ist, der sie im New Yorker MoMA ausstellt – wo sie prompt von den Nachfahren Bondys entdeckt wird. Es entspinnt sich ein langes Hin und Her, in dem ausgerechnet Ronald Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, der sich für die Restitution von NS-Raubkunst einsetzt, eine wenig rühmliche Rolle spielt.

Am Ende? Wird für die Wally noch einmal viel Geld ausgegeben. 19 Millionen Dollar zahlt die Leopold Stiftung an Lea Bondys Erben. In anderen Worten: 14,8 Millionen Euro für diese sagenhaften Augen. Mit dem sinnvollen Nebeneffekt, dass die Bestände der österreichischen Bundesmuseen seit 1998 systematisch nach ihrer Provenienz untersucht werden. Im deutschen Fall Gurlitt hat es sogar noch länger gedauert, bis die Maschinerie endlich richtig in Gang kam. Ein Desaster.

3Sat, noch am Montag und Dienstag um 23.10 Uhr

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