Saarland-Tatort: Das fleißige Lieschen: Überzeugendes neues Duo, aber nicht sympathisch

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des Saarbrücker "Tatort: Das fleißige Lieschen". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 13.04.2020, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
15 Jahre lang hatten Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) keinen Kontakt. Die alten Freunde treffen zufällig in ihrer Heimat Saarbrücken als Hauptkommissare erstmals aufeinander, was doch arg konstruiert scheint. Doch sie haben langfristig Interessantes zu erzählen, denn Autor Hendrik Hölzemann hat beide mit einem dunklen Geheimnis aus der Vergangenheit ausgestattet, das Regisseur Christian Theede in zugkräftigen Rückblenden als gewichtige B-Story zeigt. Schürk litt in seiner Jugend unter seinem Vater. Auch Hölzer kämpft mit psychischen Belastungen, was mit dem gemeinsam Erlebten, das die Freunde verbindet, zu tun haben könnte.
"Tatort" aus Saarbrücken: Das ist die Handlung
Die liebe Familie – mal liebt man sie, mal kann man sie weniger gut leiden. Innerhalb der zerstrittenen Unternehmerfamilie Hofer aber herrscht purer Hass. Das greise patriarchische Oberhaupt Bernhard Hofer (Dieter Schaad) regelt die Nachfolge, beim Aufteilen des Erbes kommt Enkel Erik (Gabriel Raab) mit exakt 60 Hieben qualvoll zu Tode. Tatverdächtig gilt sein älterer Bruder Konrad (Moritz Führmann), der vom strengen Großvater enterbt wurde, weil er wegen seiner Sexualität "entartet" sei. Die Kommissare ermitteln bis in die Kriegsjahre zurück, denn schon der Vater der beiden Brüder kam unter mysteriösen Umständen ums Leben und die Textilfirma beschäftige Zwangsarbeiter. Der "Tatort" wird so zu einem schaurigen und spannenden Ausflug ins dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte mit noch lebenden Tätern und Opfern.
Kommissar Schürk kennt die Konstellationen der Hofer-Familie von seiner eigenen. Alte Wunden reißen auf. Mit den Ermittlungen will er seine eigene Biografie aufarbeiten (Parallelität zwischen A- und B-Story). Besonders gewinnend ist die Idee, einen Polizisten mit Schießhemmungen zu schaffen und das konträre Verhältnis zwischen jungen neuem Duo und greisem Unternehmer mit fragwürdiger Geisteshaltung sowie NS-Vergangenheit als Gegenspieler abzubilden.
Fazit: Überzeugender Einstand von Hölzer und Schürk beim "Tatort"
Sträßer spielt Schürks Rückkehr ins Saarland mit dramatischem Tiefgang, lächelt kein einziges Mal im gesamten "Tatort". Die Figur bleibt auch nach Auflösung der Albtraumjugend mysteriös und wenig sympathisch. Unberührt lässt sie einen dennoch nicht, ebenso wie die nachdenkliche Story und der letzte Satz im TV-Krimi, der deutlich werden lässt, dass die Ermittler ihre Vergangenheit nicht einfach so abstreifen können.
Das derzeit jüngste "Tatort"-Duo ist stark, gegensätzlich und elektrisierend. Die emotionale Basis ist groß und die packende Horizontale um Schürks Vater hält die Zuschauer weiter bei Stange. Die Skepsis über die beiden Neuen im Saarbrücker Kommissariat ist der Neugier gewichen.
Das verdienen die "Tatort"-Kommissare: Gehälter aufgedeckt!