Reinhard Scolik über das BR Fernsehen

Sein erstes Jahr ist um. Reinhard Scolik über erste Erfolge und neue Herausforderungen als BR-Fernsehdirektor  
Adrian Prechtel |
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Sein erstes Jahr ist um. Reinhard Scolik über erste Erfolge und neue Herausforderungen als BR-Fernsehdirektor

Was die Gesellschaft bewegt: Als Fernsehdirektor verantwortet Reinhard Scolik unter anderem die Programmbereiche Kultur und Familie, Bayern und Unterhaltung sowie das Studio Franken. Im Interview spricht er über den Sparkurs beim BR, die Quoten-Zwickmühle und über das ein oder andere Programmexperiment.

AZ: Herr Scolik, wenn die Übertragung der Fastnacht in Veitshöchheim die beste Einschaltquote einer Sendung des Bayerischen Fernsehens seit fast 25 Jahren hat, was sagt das für Sie aus?
REINHARD SCOLIK: Zunächst einmal zeigt es, dass wir damit die erfolgreichste bayerische Fernsehunterhaltung im Programm haben. Aber die Erfolgsgeschichte der „Fastnacht in Franken“ beginnt bereits vor 30 Jahren. Da wurde die erste Sitzung übertragen. Seitdem arbeiten der Fastnacht-Verband und unsere Redaktion vom Studio Franken das ganze Jahr über eng zusammen und haben diese hohe Qualität aufbauen können. Dazu kommt, dass wir heuer bereits seit Januar Vorberichte und Rückblicke im Programm hatten und so die Vorfreude auf die Sendung gut aufbauen konnten. Über den großen Zuspruch bin ich sehr glücklich - gleichzeitig ist es eine Herausforderung für die Zukunft.

Erfüllt so eine Sendung auch einen politischen Auftrag?
Die „Fastnacht in Franken“ ist eine Unterhaltungssendung, setzt sich aber natürlich mit Politik auseinander – mit den Mitteln der Unterhaltung. So wie beispielsweise auch der Nockherberg oder der Maibockanstich. Die Menschen schätzen, wie da mit Politik humoristisch umgegangen wird. Und Unterhaltung zählt im Übrigen – neben Information und Bildung – zum gesetzlichen Grundauftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders.

Eine andere Form der Auseinandersetzung mit Politik und Gesellschaft ist die Talkshow. Sie haben die Personality-Show „Ringlstetter“ im BR favorisiert. Aber diese Sendung zündet noch nicht richtig.
Das sehe ich anders. „Ringlstetter“ stößt seit dem Start Anfang Dezember auf ein erfreuliches Zuschauerinteresse am späten Donnerstagabend. Ich bin mit der Sendung, die durchaus ungewöhnlich ist für das BR Fernsehen, sehr zufrieden. Wir machen mit diesem etwas provokanten Stil ja nicht Late-Night-Talk-Mainstream, sondern eine Personality-Show, die ganz auf Hannes Ringlstetter zugeschnitten ist. Die Sendungsmacher erarbeiten jede Woche eine unterhaltsame Mischung aus aktuellen Themen, aus der Politik, rund um das, was die Gesellschaft gerade bewegt.

Das österreichische Fernsehen gilt als wagemutiger, frecher: Man denke an Talkshows wie die von Hermes Phettberg oder die Serie „Braunschlag“.
Wir Österreicher haben vielleicht eine glückliche Hand für einen bestimmten Stil von Produktionen. Aber wenn man an den „Schlachthof“ im BR denkt oder früher „Live aus dem Alabama“, dann gibt es das in Bayern auch. Wir teilen ja diese hintergründige, leicht anarchische Humortradition und pflegen sie auch. „Ringlstetter“ ist ein erster Schritt in diese Richtung, und demnächst haben wir „Hindafing“ im Programm – eine moderne Serie, die ein zugespitztes, satirisch überhöhtes Bild des ländlichen Bayern zeichnet, abseits von touristischen Klischees.

Ein Ausnahmeprojekt ist sicher „24h Bayern“, wo ein Tag in Bayern porträtiert wird. Einzelne Erzählstränge kann man im Internet verfolgen.
Es gab schon „24 Stunden Jerusalem“ und auch „24 h Berlin“. Wir erweitern nun dieses Erfolgskonzept und gehen in die gesamte Weite und Vielfalt des Flächenstaats Bayern. Dafür haben im Juni letzten Jahres 100 Kamerateams einen Tag lang in allen Regionen Bayerns gedreht und die unterschiedlichsten Menschen begleitet. Das Ergebnis ist am Pfingstmontag, 5. Juni 2017, von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr am Folgetag im BR Fernsehen zu erleben. Und ich bin sicher: Selbst wer glaubt, Bayern bereits wie seine Westentasche zu kennen, wird erstaunt sein, wie viele unterschiedliche soziale, regionale und kulturelle Milieus es bei uns zu entdecken gibt.

Bei den BR-Fernsehproduktionen fällt eine altbayerische Orientierung auf. Es gibt mehr München-„Tatorte“ als aus Franken, „Dahoam is dahoam“ klingt auch nach oberbayerischer Dorfidylle...
Hier in Bayern, das ist mir nach meinem Wechsel sehr aufgefallen, ist das regionale Bewusstsein stark ausgeprägt. Wir haben als BR auch die Kernaufgabe, ganz Bayern abzubilden und in alle Regionen zu gehen - und mit unseren Angeboten in Hörfunk, Fernsehen und Online erfüllen wir diese Aufgabe. Nehmen Sie allein das Studio Franken, dazu vier Regionalstudios und 20 Korrespondentenbüros, die alle auch für das BR Fernsehen zuliefern.

Und da fühlen sich die Franken oft nicht genug gewürdigt.
Ich sehe nicht, dass das außer Balance ist. Nehmen Sie das eingangs von Ihnen angesprochene Beispiel „Fastnacht in Franken“, die der BR nun schon seit 1987 als Live-Sendung ausstrahlt. Das Studio Franken mit seinen acht Standorten ist ein Herzstück des BR. Es deckt ein Sendegebiet ab, das der Größe Hessens entspricht, und liefert pro Jahr rund 3000 Stunden Radio- und Fernsehprogramm. Ein prominentes Beispiel im Bereich Spielfilm und Serie ist der Franken-Tatort. Und was die Einbindung fränkischer Kulturschaffender betrifft, ist der BR traditionell offen für interessante Stoffe aus Franken.

Sie haben mal als Maxime ausgegeben, was Sie sich bei den fiktionalen Inhalten stärker erwarten: regionale, seriell erzählte Stoffe mit Witz.
Das ist zugespitzt worden. Ich habe das vor Filmemachern bei der Vorstellung der „BR Filmhighlights“ gesagt, aber mit einer klaren Einschränkung: Wir sind gerade als öffentlich-rechtlicher Rundfunk für große, ernste Stoffe genauso zuständig und damit gut versorgt. Und wir machen überregional Wichtiges für das gemeinsame Programm der ARD, aber - und das habe ich auch gesagt: Ich würde mir von den Produzenten wünschen, dass sie bei seriellen, unterhaltsamen Angeboten mehr an uns denken. Serielles hat den Vorteil, dass man etwas aufbauen, eine Marke schaffen kann, mit der man weiterarbeiten kann, die einen Wert hat. Das ist dann gut angelegtes Geld. Und da gibt es ja eine Tradition hier, wie etwa mit dem „Monaco Franze“ - um nur ein Beispiel zu nennen.

Wie stehen Sie zur Quote? Viele sehen Sendungen erst nach der Ausstrahlung in der Mediathek.
Es ist als öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht unsere Aufgabe, die Quote zu maximieren. Weil aber alle Haushalte den Rundfunkbeitrag bezahlen, müssen wir natürlich versuchen, so viele Menschen wie möglich gut zu erreichen, linear oder über die Mediathek. Argumentativ möchte man uns da ein wenig in die Zwickmühle bringen, wenn gesagt wird: Macht mit eurem Bildungs- und Informationsauftrag endlich ein Kultur-, Politik- und Sparten-Fernsehprogramm.

Was spricht dagegen?
Täten wir das, würde der Vorwurf lauten: Eure Quoten sind zu schlecht, wieso muss jeder den Rundfunkbeitrag zahlen, wenn nur so wenige schauen? Also ist unser Auftrag, ein Programm zu machen - im Fernsehen, Radio und auch online -, das, ohne auf die Quote zu schielen, möglichst alle erreicht. Und dazu gehört dann eben auch eine Sendung speziell für Wissenschaftsinteressierte, für einzelne Regionen oder für die Kultur-Community, die sich vom Massenpublikum natürlich unterscheidet.

Wie der Film „Ganz große Oper“, den der BR produziert – über die Bayerische Staatsoper. Da fragt man sich halt wieder, warum da mal nach Nürnberg geschaut wird, wo auch Interessantes entsteht.
Es stimmt, dass sich ein Land oft auf die Hauptstadt zentriert. Aber wie bereits gesagt: In unserem Programm sehe ich keine Benachteiligung einzelner Regionen.

Sie haben gesagt, dass Sie beim Rundfunkbeitrag die bisher eingefrorenen 30 Cent zusätzlich pro Monat gut gebrauchen könnten. Nun sind 30 Cent nicht viel, aber der Etat von rund einer Milliarde Euro des BR pro Jahr ist ja eine Riesen-Summe. Da wird vom BR viel nach außen zu privaten Produktionsfirmen gegeben, wie „24h Bayern“, „Dahoam is dahoam“ oder Rita-Falk-Krimis wie „Schweinskopf al dente“. Das wäre doch genau die Bayernkompetenz des BR.
Der Eindruck täuscht. Der BR produziert nach wie vor viel selbst im Haus. Wir verstehen uns aber auch als Partner des Standorts und der Produzenten. Kino- und Fernsehfilme werden traditionell nach außen gegeben, und beim Projekt „24 h Bayern“ haben wir vernünftigerweise auf Produzenten zurückgegriffen, die mit diesem Konzept schon Erfahrung hatten. Da haben wir Kompetenz eingekauft.

Mit der vom Intendanten vorangetriebenen Trimedialität gibt es thematische Redaktionen, die alle Kanäle bedienen, Radio, Fernsehen und online-Medien. Warum sind Sie dann noch Fernsehdirektor und nicht Trimedial-Direktor?
Trimedial bedeutet, dass wir alle Themen von Anfang an medienübergreifend planen, recherchieren und auf allen Kanälen anbieten. Unser Ziel ist, Inhalte weiterhin in großer Vielfalt zu produzieren und diese auf den verschiedenen Empfangswegen auszuspielen. Dieses Mehr an Programm müssen wir aber mit weniger Mitteln stemmen.

Der BR fährt einen harten Sparkurs.
Hier hilft uns die neue Organisationsstruktur, um durch Synergien einen Teil des Aufwands abzufedern. Ich selbst bin zwar Fernsehdirektor, aber im Bereich Kultur, Wissenschaft und Religion auch für Hörfunk- und Onlineangebote zuständig und für die Digital-Radiowelle BR Heimat. In Zukunft wird man BR-Inhalten noch viel breiter begegnen, auch als Apps oder im Internet. Insofern haben Sie Recht, dass die Bezeichnung Fernsehdirektor irgendwann einmal nicht mehr zutreffen wird.

 

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