Rapper Bushido: Doch kein netter Junge

Strafanzeige und drohende Indizierung wegen Gangsta-Rap-Reimerei: Bushido legt sich mit Politik- und sonstiger Prominenz an. Der Rapper und die Frage: Was darf Kunst?  
Christian Jooß |
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Ausgezeichnet: Bushido und sein Integrations-Bambi.
dpa Ausgezeichnet: Bushido und sein Integrations-Bambi.

Strafanzeige und drohende Indizierung wegen Gangsta-Rap-Reimerei: Bushido legt sich mit Politik- und sonstiger Prominenz an.

"Ich schieß auf Claudia Roth, und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz“ – schiefe Sprachbilder mit maximaler Wirkung. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien entscheidet über die Indizierung des Songs von Bushido und des Bietigheim-Bissinger Rappers Shindy „Stress ohne Grund“. Die Liste der darin verwursteten Prominenz reicht von Cindy aus Marzahn über Oliver Pocher bis FDP-Mann Serkan Tören und Klaus Wowereit. Letzterer hat Strafanzeige gestellt.

Auf der Straße sind Bushidos Song und seine Gewaltthematik nicht einmal ein Schulterzucken wert. Bushido, das ist der Gangsta-Rapper von gestern. Heute gibt es die Offenbacher Rapper um Haftbefehl, deren gangkriminelle Poserei vor der Frankfurt-Skyline durchaus Unterhaltungswert hat. Die Mühe mitzuzählen, wer in diesen Texten gefickt, abgestochen oder erschossen wird, macht sich einfach keiner.

Bushido hat bewusst die Grenzen seines Genres verlassen, um noch einmal den Skandal zu haben, der intern nie möglich wäre. Ob in Bushidos Immernoch-Zielgruppe der Minderjährigen die Feindbilder tatsächlich Claudia Roth und Wowereit heißen, sei dahingestellt. Wahrscheinlich sind nicht einmal die Namen bekannt. Es geht um die da oben: Politiker, Polizei ... egal.

Kunst und Beleidigung, kunstvolle Beleidigung – das hat nicht der Rap erfunden. Bis heute sind Passagen in Thomas Bernhards Autobiografie „Die Ursache“ geschwärzt. Die Frage, was Kunst darf, führt Gerichte regelmäßig an ihre Grenzen.

Die Beleidigung im realen Leben und in der Kunst sind zwei verschiedene Dinge, weil das Lyrische-Ich, das in einem Gedicht spricht und die Privatperson nichts miteinander zu tun haben müssen. Der Gangsta-Rap allerdings lebt von dem Reiz der möglichen Verbindung von Wort und Tat.

Bushido hängt gerne mit seinen Abou-Chaker-Freunden ab. Im aktuellen Song tönt es „Meine Jungs verticken Elektronik so wie Media Markt“. Die Behauptung des Kriminellen muss in der Realität mit einer mindestens kleinkriminellen Biografie abgerundet werden, um zu wirken. Sprachrhythmus und Syntax des Textes reißen es nicht raus. Technisch ist der neue Song konkurrenzlos schlecht.

Nicht jeder junge Wilde wird Außenminister

Die Verkumpelung der gesetzten Gesellschaft mit Bushido war ein fehlgeleiteter Impuls. Am ehesten kann man das noch so erklären, das man davon ausging, aus jungen Wilden würden dereinst Außenminister werden. Dann war man frühzeitig auf der richtigen Seite.

Der Burda-Verlag hält den Integrations-Bambi für Bushido immer noch für eine gute Wahl. Das Problem mag auch in einer gewissen gedanklichen Unschärfe liegen. Rebellion mit gesellschaftveränderndem Sendungsbewusstsein und homophober Sexismus in Tateinheit mit Antisemitismus sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Bushidos Läuterung – man wollte sie glauben. Wer verfolgt hat, wie sich Bushido abseits des Rap entwickelt hat, sieht einen biederen Aufstiegstraum, der ganz melancholisch macht. Die Überhöhung der eigenen Biografie zur deutschen Geschichte durch Regisseur Uli Edel. Regelmäßiges Frühstück mit Mutti. Herzchentorte zur Hochzeit. Ein Häuschen in Berlin-Wannsee. Papa seit einem Jahr. Karrierefördernd war das nicht.

Höhepunkt dessen, was für Bushido anscheinend gutbürgerliches Leben ausmacht: das Praktikum im Bundestag. Bemerkenswert hierbei war, mit welcher Distanzlosigkeit sich manche Politiker mit einem gemein machen, bei dem man Coolness-Bonuspunkte für junge Wählerschichten zu sammeln hofft. Und so passierte es, dass ihm Innenminister Hans-Peter Friedrich beim CDU Sommerfest mit väterlichem Lächeln die Hand auf die Schulter legte. Oh doch, man kann sich seine Freunde aussuchen.

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