Priol und Pelzig verabschieden sich aus der ZDF-Anstalt

Urban Priol und Frank-Markus Barwasser moderieren zum letzten Mal die ZDF-Satire-Sendung "Neues aus der Anstalt"
Wehmut sei schon überall spürbar, meint Frank-Markus Barwasser, während sich Urban Priol noch einen Kaffee holt. Es ist 12.40 Uhr, die zwei von der Anstalt haben am Abend die Generalprobe zu ihrer letzten Sendung. Ein Buch von Hannah Arendt hat Barwasser bei sich, über Wahrheit und Lüge wird er mit Georg Schramm philosophieren, Arendt im Gepäck. Sei doch die richtige Nummer für die Zeit nach der Wahl, meint Barwasser. Indes hat Priol seinen Kaffee. Bereit fürs Interview.
AZ: Herr Barwasser, Herr Priol, hätte es was gegeben, was Sie zum Rücktritt von Ihrem Rücktritt hätte bewegen können? Eine absolute Mehrheit für Frau Merkel etwa?
PRIOL: Nein, der politische Wahlausgang hat keine Rolle für uns gespielt.
BARWASSER: Wir sind ja nicht in Abhängigkeit von Frau Merkel. Wir sind nicht an sie gekettet.
PRIOL: Zum Glück. BARWASSER: Sonst müssten wir ja noch 16 Jahre weitermachen.
PRIOL: Stimmt. Wenn's gut läuft für die Republik, sind’s nur 16.
Herr Priol, Sie haben Frau Merkel auf 41,5 Prozent hochkritisiert. Ist das nicht der empirische Beweis für die Wirkungslosigkeit von Kabarett?
PRIOL: Nein, im Gegenteil. Es ist zum zweiten Mal, nach 1998, dass eine Regierung, die im Amt war, abgewählt wurde. Und zwar so krachend, dass ein Koalitionspartner ganz verschwunden ist. Ich muss sagen, dass ich mich am Wahlabend sehr geärgert habe, dass es für die absolute Mehrheit nicht gereicht hat. Frau Merkel hätte niemanden mehr gehabt, auf den sie alles abwälzen kann. Sie hätte, weshalb ich mir auch eine Minderheitsregierung wünsche, mit Argumenten überzeugen müssen. Nach acht Jahren hätte sie das machen müssen, was sie nicht kann: Regieren.
BARWASSER: Ich hätte das auch begrüßt. Die Union hat nicht schlecht davon gelebt, dass sie immer einen Partner hatte, an dem alles Negative hängen blieb. Erst war es die SPD, dann die FDP, vielleicht gibt es jetzt Schwarz-Grün. Dann wird auch denen der Todesstoß versetzt.
Was ist für das Kabarett jetzt am vielversprechendsten: Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün?
PRIOL: Völlig wurscht.
BARWASSER: Kabarett ist immer Opposition.
PRIOL: Ich hab auch immer gesagt, wer dran ist, ist halt dran. Im doppelten Sinn.
Werden Sie sich auf deutschen Autobahnen wohler fühlen, wenn Sie im Wissen fahren, dass Ausländer ein bisschen Maut zahlen?
BARWASSER: Ich bin wahnsinnig gespannt... PRIOL: ...wie Seehofer und Merkel sich aus dieser Nummer rauswinden. Ich finde das eine Unverschämtheit, dass in letzter Sekunde – wir haben ja lange darauf gewartet – doch noch die Ausländerkarte im bayerischen Wahlkampf gezogen wurde. Die ja immer gezogen wird, wenn einem nichts mehr einfällt. Aber das lässt mich auch das bundesweite Wahlergebnis milde betrachten. Es wird ja keine CSU-CDU -geführte Regierung mehr geben. Der eine unterschreibt den Koalitionsvertrag nicht, wenn es keine Maut für Ausländer gibt. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt, es kommt keine Maut.
BARWASSER: Vielleicht kommt ja eine Maut für Ausländer, ausgenommen die EU-Mitbürger.
PRIOL: Aber wenn der Chinese mal kommt, dann knallt's. Dann zahlt er.
Der Chinese hat ja auch das Geld.
PRIOL: Ja. Zumindest der, der mit dem Auto aus Peking herkommt. Der müsste es haben.
Wäre Peer Steinbrück so eine tolle Alternative gewesen?
PRIOL: Auf alle Fälle unterhaltsamer. Der hat schöne kleine Gimmicks produziert. Und er hat zumindest mal Themen angesprochen und gesagt, was seiner Meinung nach nicht richtig läuft. Also, es wurde zumindest mal was diskutiert. Ob andere die bessere Lösung sind – das ist nicht unsere Aufgabe, darüber zu entscheiden.
BARWASSER: Das hast du schön gesagt.
Jetzt geht mit Ihnen die hohe Frankenquote in der Anstalt flöten. Dafür kommen zwei Münchner mit Max Uthoff und Claus von Wagner. Beschäftigt Sie beide das nicht schwer?
PRIOL: Nein, wir haben uns nie darüber Gedanken gemacht. Wir hätten auch zwei aus Vechta sein können. Was wir aber zum Glück nicht sind.
BARWASSER: Wir haben nie in Landesmannschaften gedacht. Das ist kein Thema.
PRIOL: Wir sind nicht von der Fraktion, die morgens im Schrebergarten die Franken-Fahne hisst. Da halten wir uns schwer zurück.
Sie haben jahrelang tagesaktuell gearbeitet. Was macht man bei Kreativitätsstau?
PRIOL: Das hast du jetzt schön gesagt.
BARWASSER: Ich habe mich nie für etwas geschämt, was wir gemacht haben. Aber es ist schon ein enormer Druck.
PRIOL: Es ist schon gut, einfach mal eine kleine kreative Pause zu nehmen, mal durchzuschnaufen.
BARWASSER: Ich muss unbedingt mal durchschnaufen mit meinen Sendungen.
Sie hatten eine Quote von 3,6 Millionen Zuschauern. Im Februar geht's mit Ihren Nachfolgern weiter. Was können wir uns bis dahin anschauen?
BARWASSER: „Pelzig hält sich“. Natürlich. PRIOL: Ich bin beim BR, beim Schleich zu Gast. Dann kommt der Jahresrückblick im Dezember im ZDF. Und ansonsten Arte. PRIOL: Auch die Mediathek geht. Alte Folgen von uns angucken.
BARWASSER: Ich bleib immer an Phoenix hängen.
Georg Schramm ist in der letzten Sendung zu Gast und Max Uthoff, also Kabarettisten mit einer Anstalts-Vergangenheit und -Zukunft. Werden Sie auch mal zu Gast sein?
BARWASSER: Wir bei Max und Claus? Die sollen sich erst mal befreien von uns. Das hat auch bei uns gebraucht, bis wir uns gefunden hatten.
PRIOL: Wir werden jetzt so ein bisschen wie Waldorf und Statler sein und zuschauen.
BARWASSER: Aber wir werden das nicht öffentlich kommentieren. Das wäre unfair. Es wird natürlich Leute geben, die sagen, früher war’s besser. Und andere, die sagen… PRIOL: ...endlich. Die alten Säcke sind weg.
Ach, Kabarett hat Sie beide doch sehr jung gehalten.
PRIOL: Eigentlich schon. Also, wenn ich mich mit dem CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe vergleiche, der so alt ist wie ich, dann war Kabarett glaube ich doch die bessere Entscheidung.
ZDF, 1. Oktober, 22.25 Uhr. Urban Priol tritt solo am 10.10, 20 Uhr, im Circus Krone auf,
Frank-Markus Barwasser am 24.10., 20 Uhr, ebenfalls im Circus Krone, Karten