Premiere im BR: Schwule Liebe im Komödienstadel

München - Der Münchner Sänger und Kabarettist Jürgen Kirner ist den BR-Zuschauern ein alter Bekannter: Kirner ist Teil der Couplet AG und im Bayerischen Fernsehen für die "Brettl-Spitzen" zuständig. Nun hat er sein erstes Theaterstück geschrieben: "Bäcker braucht Frau", das vom BR für eine Fernsehausstrahlung aufgezeichnet wird.
Kirner: "Das Ganze ist in jeder Hinsicht ein Novum, denn zum ersten Mal wird Liebe unter Männern Thema am Sonntagabend um 20.15 Uhr im BR sein." Der Sendeplatz gehörte bisher dem Komödienstadel und dem Chiemgauer Volkstheater.
AZ: Herr Kirner, Sie brechen nun mit Ihrem Stück "Bäcker braucht Frau" mit jahrzehntelangen Konventionen auf dem Volkstheater-Sendeplatz des Bayerischen Rundfunks. Wie kam es dazu?
JÜRGEN KIRNER: Ich wurde vom Bayerischen Rundfunk gefragt, ob ich mir vorstellen könne, einen Dreiakter zu schreiben, der einen modernen, zeitgemäßen Inhalt hat. Ich habe zugesagt, weil ich schon lange einen Stoff im Kopf hatte, aber gesagt, dass dies ein Thema sei, dass man dem Zuschauer wohl nicht um 20.15 Uhr zumuten wolle.
Sie meinen damit, dass Homosexualität thematisiert wird.
Ich muss vielleicht ein bisschen weiter ausholen. Ich bin ja auch im Präsidium der Münchner Turmschreiber. Ich habe deswegen sehr heftige Briefe bekommen, der Freundeskreis der Turmschreiber übrigens auch, mit dem Tenor, der Kurt Wilhelm würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass ein Schwuler im Präsidium der Turmschreiber sitzt. Wenn man sich vor Augen führt, dass diese Menschen sich ja auch noch die Mühe machen, ihren Hass zu Papier zu bringen, dann stelle ich mir schon die Frage, ob wir wirklich in der Jetztzeit angekommen sind. Ich jedenfalls gebe so lange keine Ruhe, bis das Thema so normal ist, dass wir uns gar nicht mehr darüber unterhalten müssen.
Der Bayerische Rundfunk zumindest ist wohl in der Jetztzeit angekommen.
Der neue Fernsehdirektor Reinhard Scolik ist wirklich super. Der mag böse Satiren.
Klar, er ist ja Österreicher.
Genau. Und ich liebe den österreichischen Humor auch und schreibe als Kabarettist dementsprechend. Ich mag das Böse, Abgründige und das passt natürlich zu einer Geschichte, in der man zeigt, dass die ländliche Idylle doch nicht so idyllisch ist. Es ist ja so, dass junge Menschen, auch heute noch aus gesellschaftlichen Zwängen heraus in eine Hetero-Ehe flüchten. Das habe ich im Stück verarbeitet, verknüpft mit dem Niedergang des Bäckerhandwerks. Ich kenne viele Betriebe da draußen, die große Probleme haben, Nachwuchskräfte zu finden. Wir liegen sehr nahe am Zeitgeist.
Fassen Sie doch bitte mal den Inhalt des Stücks zusammen.
Der Tod der Großmutter ist für den Großvater, der einst verheiratet wurde, ein Befreiungsschlag. Er datet nun auf Online-Portalen verschiedene Frauen. Die Bäckerei in der Oberpfalz hat er längst seinem Sohn übergeben, der aber lieber im Wirtshaus sitzt, die Gäste als Musikant unterhält und die Bäckerei wiederum an seinen Sohn weitergereicht hat. Der ist schwul und versucht nun, die Bäckerei zu retten. Es gibt viele Verwicklungen: Eine Kundin lotst das Team von „Bäcker sucht Frau“ in den Ort, aber vor der Kamera outet sich der Bäcker. Daraufhin versucht die Frauenbundvorsitzende gemeinsam mit dem aus Indien stammenden Pfarrer, den Bäcker „gesundzubeten“. Die ganzen Hirngespinste und Abstrusitäten, die auf dem Land so herumgeistern, habe ich in das Stück hineingepackt.
Traditionelles Volkstheater ist das natürlich nicht mehr.
Nein, das ist eher eine Realsatire und soll auch der Beginn sein für eine neue Ära von zeitgemäßen Komödien. Ich bin dem BR sehr dankbar, dass ich so etwas nun ausprobieren darf.
Die Schwierigkeiten der jungen Schwulen auf dem Land kennen Sie aus Ihrer eigenen Jugend?
Ich bin in der sehr kleinen Kommune Hemau in der Oberpfalz aufgewachsen, 30 Kilometer westlich von Regensburg. Dort hatten wir die Uraufführung des Stücks mit dem Tangrintler Volkstheater. Für mich war es als Jugendlicher dort sehr, sehr schwierig, deswegen bin ich ja nach München gegangen. Das Stück wurde aber nun sehr positiv aufgenommen, viel positiver, als ich es mir vorgestellt hatte.
Vielleicht hat sich die Einstellung der Menschen zum Thema Homosexualität ja doch gewandelt.
Ich sage immer, in unserer Gesellschaft gibt es eine geheuchelte Liberalität. Solange Menschen auf ihre Sexualität reduziert werden, gibt es keine Gleichheit. Es macht doch einen Menschen nicht aus, wie er sexuell orientiert ist, sondern was er kann, was er an Intelligenz und Herzensbildung mitbringt. Nur das ist wichtig.
Am 4. März 2018 strahlt der BR "Bäcker braucht Frau" aus, die Aufzeichnungen dafür finden nun am Donnerstag, 14. Dezember, und Freitag, 15. Dezember, jeweils um 19.45 Uhr vor Publikum im Kleinen Theater in Haar statt. Ab sofort gibt es dafür Karten im Vorverkauf. Online unter:azmuc.de