"Oktoberfest 1900": Blutig ruinierter Bierkampf

Die Mini-Serie "Oktoberfest 1900" ist die Aufregung der Wiesnwirte nicht wert, findet Kulturressortleiter Volker Isfort.
Volker Isfort
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Curt Prank (Misel Maticevic) bestaunt den Oktoberfesteinzug vor seiner neuen Bierburg.
Curt Prank (Misel Maticevic) bestaunt den Oktoberfesteinzug vor seiner neuen Bierburg. © Dusan Martincek/BR/ARD Degeto/MDR/WDR/Zeitsprung

München - Die Aufregung der Wiesnwirte ist unverständlich: Nüchtern betrachtet, aber auch nicht einmal nach drei Maß, würde man Parallelen zwischen dem Geschäftsgebaren der Wirte in "Oktoberfest 1900" und der heutigen Zeit ziehen.

So überzogen blutig, wie er in der Serie ausgetragen wird, ist kein bayerischer Bierkampf. Und das ist nur eine der Schwächen der von Regisseur Hannu Salonen ruinierten Serie. Ihm geht es um grelle Effekte, nicht um Glaubwürdigkeit, die Einblendung "nach einer wahren Geschichte" wirkt wie eine Beschwörung, der aufgetischten Räuberpistole doch bitte Glauben zu schenken.

Dabei ist die Grundidee wahr und interessant. Der Nürnberger Großgastronom Georg Lang revolutionierte die Wiesn um die Jahrhundertwende mit seiner Bierburg für 6.000 Gäste und dem Lied "Ein Prosit der Gemütlichkeit".

Misel Maticevic spielt die an diesen Wirt angelehnte Figur, die (nur in der Serie) über Leichen geht, mit eindrucksvoller Boshaftigkeit, wie überhaupt die Schauspieler der einzige Grund sind, diese Wiesn nicht frühzeitig zu verlassen.

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Brigitte Hobmeier als mit allen Wassern gewaschenes Biermadl, Martina Gedeck als kämpferische Brauerwitwe, Maximilian Brückner als diabolischer Großbrauer-Vorstand und Eisi Gulp als Mordermittler lassen phasenweise vergessen, dass an den meisten auftretenden Charakteren so viel Fleisch ist wie an einem abgenagten Hendlknochen.

Zusätzlich leidet die Story an der üblichen Serienkrankheit, nicht alle Handlungsstränge zu Ende erzählen zu wollen, da ja sonst keine weitere Staffel mehr möglich erscheint.

"Oktoberfest 1900":  Cohen und Beatles sind deplatziert

Wirklich ärgerlich sind die musikalischen Mätzchen: Dreiviertelblut passt natürlich wunderbar zur düsteren Schlachtplatte, Leonard Cohen ("You want it darker") ist hier aber ebenso deplatziert wie ein Beatles-Cover ("Lucy in the Sky with Diamonds") in einer mit allen Klischees aufgeladenen Orgienszene.

Ja, die Münchner Bohème wird auch gestreift, indem Thomas Mann, Ludwig Thoma, Fanny zu Reventlow und Wassiliy Kandinsky gemeinsam in Giesing saufen.

Dass im Wiesnkino 1900 dann mit "Die Reise zum Mond" ein Film läuft, der erst zwei Jahre später gedreht werden sollte, ist dann auch schon fast egal.

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3 Kommentare
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  • M-Bürger am 17.09.2020 14:19 Uhr / Bewertung:

    Wenn man die Wiesn eh nicht ausstehen kann, ist das Anschauen so einer Serie eine Überwindung.
    Und wenn dann Filmemacher und Schauspieler den Bierzeltplan für 6000 Menschen glorifizieren (Ach, Gott), wenn ein Brauer seinen beiden Söhnen Prostituierte zukommen läßt und man beiwohnen darf, wie die miteinander verfahren (gähn), und wenn ein Sohn gegen seinen Vater aufbegehrt (gähn), dann sind das Längen, die einen wünschen lassen, die 3. Staffel von Babylon Berlin käme bald.
    Bei Leonard Cohen (WARUM?) hatte sich die Sache für mich dann erledigt.

  • am 16.09.2020 03:14 Uhr / Bewertung:

    ich habe mir in der Mediathek alle Folgen schon angeschaut. Die Miniserie gefällt mir besser als der 0815 "Amiserienkitsch". So eine ursprüngliche Wiesn (ich bin Münchner) würde mir heutzutage besser gefallen. Ohne Security, Schicki Micki etc. Alles war freier, lockerer, ungezwungen.
    Die hervorragenden Schauspieler haben gezeigt, dass sie Profis sind und ihr Handwerk beherrschen im Gegensatz zu den üblichen "Amateuramis".

  • am 15.09.2020 23:22 Uhr / Bewertung:

    ich habe mir in der Mediathek alle Folgen schon angeschaut. Die Miniserie gefällt mir besser als der 0815 "Amiserienkitsch". So eine ursprüngliche Wiesn (ich bin Münchner) würde mir heutzutage besser gefallen. Ohne Security, Schicki Micki etc. Alles war freier, lockerer, ungezwungen.
    Die hervorragenden Schauspieler haben gezeigt, dass sie Profis sind und ihr Handwerk beherrschen im Gegensatz zu den üblichen "Amateuramis".

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