Oh Gott, wie süß: Im Internet herrscht der „Cat Content“

Katzen bevölkern das Internet. Sie räkeln sich in Videos, schauen niedlich auf Fotos, ärgern ihre Besitzer in Comicfilmchen. „Cat content“ boomt – aber warum denn bloß?
Robert Braunmüller / TV/Medien |
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Katzen bevölkern das Internet. Sie räkeln sich in Videos, schauen niedlich auf Fotos, ärgern ihre Besitzer in Comicfilmchen. „Cat content“ boomt – aber warum denn bloß?

Eigentlich macht er nichts: Maru, ein etwas dicklicher Kater aus Japan, liegt auf dem Rücken, wedelt ein bisschen mit dem Schwanz und döst. Nicht viel los mit ihm. Und trotzdem haben mehr als 1,7 Millionen Menschen das knapp 50 Sekunden lange, private Video bei YouTube angeschaut. Gefallen hat es mehr als 11 000, kommentiert haben es fast 2000 Menschen. Der Tenor der meisten Einträge: „Oh, ist der süß“ und „Ich liebe Maru“. Und wenn der Kater mit Vorliebe und ordentlich Anlauf in viel zu kleine Kartons springt, können die Klickzahlen über vier Millionen steigen.

Maru ist nur ein Beispiel von vielen. Denn Katzen bevölkern das Internet. In Videos, Fotos oder Fotomontagen kuscheln sie mit Hunden, trinken aus Waschbecken, schwimmen in Badewannen oder tapsen auf dem Klavier herum. Und manchmal sitzen sie einfach nur da und sehen fürchterlich süß aus. Wer bei YouTube, Facebook oder Twitter unterwegs ist, kommt um den „Cat Content“ nur schwer herum. Kleine Filmchen und Bilder von Katzen werden millionenfach geklickt, angeschaut, kommentiert und weiterverschickt.

Nur: Warum eigentlich? „Wir finden Katzen ähnlich gut wie Süßigkeiten“, sagt der Medienpsychologe Frank Schwab von der Universität Würzburg. „Das liegt in unserer Spezies.“ Die Tiere „parasitierten“ unsere menschlichen Brutpflegemechanismen: „Sie nutzen genau die Reize, auf die wir auch ansprechen, wenn wir Kinder aufziehen. Die Leute stellen ja auch andauernd Bilder von ihren Kindern online, fotografieren sie am laufenden Meter und zeigen sie jedem – ob er will oder nicht“, sagt Schwab. „Katzen werden ganz ähnlich behandelt, das dockt an die gleichen Mechanismen an.“

Das Phänomen werde zudem bedingt durch die Art der Internet-Nutzung – die Filme und Fotos können in Häppchen angeschaut werden. „Man kann das zur Stimmungsaufhellung machen, das nennt man in der Psychologie "mood management", wie so ein kleines Bonbon“, sagt Schwab. „Und wenn man merkt, das hebt meine Stimmung, macht man es immer wieder – schon hat man eine kleine Gewohnheit etabliert.“ Und wer das Video oder Bild anschaut, leitet es oft weiter: „Das breitet sich exponentiell aus, und irgendwann sind alle mit Katzenvideos überflutet“, sagt Schwab.

Auch im echten Leben hat die Katze unter den Haustieren die Nase vorn. 2012 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 12,3 Millionen Katzen in deutschen Haushalten. Viele Besitzer, die Videos und Fotos von ihren Tieren ins Netz stellen, hoffen zudem auf Geld und Ruhm.

Denn auch bei der inzwischen weltweit bekannten „Grumpy Cat“, einer stets miesgelaunt aussehenden Katze aus den USA, fing alles mit einem Foto an: Die Besitzer stellten nach eigenen Angaben 2006 ein Bild ihres Haustieres ins Internet, später folgten einige Videos auf YouTube. Eines davon hat inzwischen fast zwölf Millionen Aufrufe, den „Gefällt mir“-Button auf Grumpy Cats Facebook-Seite haben bereits mehr als 1,1 Millionen Menschen gedrückt. Für manche ist der „cat content“ längst nicht nur Freizeitvergnügen, sondern auch eine mitunter lukrative Einnahmequelle geworden. Von Grumpy Cat, die ihr Gesicht vermutlich einem Katzen-Kleinwuchs verdankt, kann man T-Shirts, Tassen, Schlüsselanhänger und Handy-Hüllen kaufen, ein Buch über sie ist bereits erschienen, ein Film soll folgen.

Ähnlich erfolgreich ist der britische Illustrator Simon Tofield mit Zeichentrickfilmen und Büchern der Reihe „Simon's Cat.“ Und auch im deutschen Buchhandel tauchen die Katzen auf: Im Rowohlt Verlag erschien kürzlich das Buch „Cat Content“ von Katja Berlin, in der ein Kater seine Besitzerin per SMS mit Nachrichten aus seinem Leben versorgt. Höhepunkt des Catcontent-Jahres dürfte im vergangenen Sommer das erste „Internet Cat Video Film Festival“ in Minneapolis gewesen sein, zu dem laut „New York Times“ rund 10 000 Besucher strömten.

Viel Geld verdient haben auch der hawaiianische Blogger Eric Nakagawa und seine Freundin. Auf der Webseite „I Can Has Cheezburger“ posteten die beiden Katzenbilder mit Sprüchen in gewollt fehlerhaftem Englisch – so genannte „lolcats“. 2007 später wurde die Seite von einer Investorengruppe um den Südkoreaner Ben Huh übernommen, die laut Onlinedienst „golem.de“ 2,25 Millionen US-Dollar dafür zahlte - und ein kommerzielles Unternehmen daraus machte. 2011 habe „Cheezburger“ bei einer Finanzierungsrunde noch etwa 30 Millionen Dollar Kapital eingesammelt, sagte Huh kürzlich dem US-amerikanischen „Inc. magazine“. Die Firma sei innerhalb von neun Monaten von 45 auf 90 Mitarbeiter angewachsen.

Doch als die Nutzer anfingen, mit dem Handy ins Netz zu gehen, war Cheezburger darauf nicht ausreichend vorbereitet. Im April 2013 musste Huh ein Drittel seiner Mitarbeiter entlassen. „Das war die schwierigste Woche, die ich je erlebt habe.“

 

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