Neuer Taunus-Krimi: James Bond als Vorbild

Neubesetzungen gehören in Filmreihen zum Alltag. Ungewöhnlich ist aber, dass Annika Kuhl im Taunus-Krimi "Muttertag" nun die gleiche Rolle ihrer Vorgängerin Felicitas Woll ausfüllt. Den Segen hat die erfahrene Schauspielerin dabei von der Autorin der Vorlage, Bestsellerautorin Nele Neuhaus, bekommen.
Zweiteiler Muttertag mit illustrer Bestzung
In der neunten, gerade im zweiten Teil äußerst düsteren Adaption des Romans suchen Pia Sander (Annika Kuhl) und Oliver von Bodenstein (Tim Bergmann) nach einem gnadenlosen Serienmörder, der immer wieder am Muttertag zuschlägt. Den Reiz des von Felix Herzogenrath inszenierten Zweiteilers macht die illustre Besetzung aus, darunter Andreas Lust, Cornelius Obonya und Sophie von Kessel.
AZ: Frau Kuhl, es ist nicht ungewöhnlich, dass in TV-Krimis Kommissare ausgetauscht werden. Seltener aber, dass Sie wie hier exakt die gleiche Figur wie ihre Vorgängerin verkörpern.
ANNIKA KUHL: Mein Vorteil war in diesem Fall, dass sowohl Produktion, Autor als auch der Regisseur neu an Bord waren. Insofern gab es keine Erwartungshaltung, wie ich in dieser Rolle auftreten sollte. Ich habe mir beim Casting einfach vorgestellt, dass es hier so wäre wie bei James Bond. Man behauptet ja, dass man James Bond ist, dabei wird der immer wieder von einer ganz anderen Person gespielt.
Haben Sie den Kontakt zu Ihrer Vorgängerin gesucht?
Nein. Ich habe ganz bewusst weder mit ihr gesprochen noch mir die Vorgängerfilme angesehen. Für mich sollte das eine ganz neue Rolle sein. Anders ging es aber auch nicht für mich, ich kann ja nicht einfach etwas nachspielen.
"Nele Neuhaus und ich haben in der Vorbereitung sehr lange telefoniert"
Nele Neuhaus war in der Vergangenheit nicht immer glücklich mit den Verfilmungen ihrer Krimis. Deswegen wollte Sie diesmal angeblich mehr Einfluss nehmen. Wie sah diese Beteiligung konkret aus?
Für mich war es sehr hilfreich, dass Frau Neuhaus sich so offen zur Verfügung gestellt hat. Wir haben lange miteinander telefoniert. Und ich habe dabei sehr viel über Pia, sprich ihre Romanfigur, erfahren. Später beim Dreh habe ich sie als Quelle dann nicht mehr gebraucht. Für mich ist es jetzt spannend zu sehen, wie sie am Ende zu meinen Entscheidungen für diese Figur steht.
Sie beschreiben sich als nachdenklich, ruhig. Eigenschaften, die sich auch in der Figur der Kommissarin wiederfinden. Waren diese Gemeinsamkeiten ein besonderer Reiz?
Diese Figur ist tatsächlich nicht so weit von mir entfernt. Aber auch wenn ich eine Massenmörderin verkörpere, versuche ich immer mich darin zu finden. Die jeweils von mir gespielte Figur muss in ihren Sichtweisen und in ihren Aktionen einfach nachvollziehbar bleiben.
"Diese Rolle war für mich eine Herausforderung"
In den Taunus-Krimis spielt das Privatleben der Kommissare kaum eine Rolle. Was halten Sie auch als Schauspielerin von diesem heute eher puristischeren Ansatz?
Ich habe mich in der Vorbereitung ja hauptsächlich mit diesem einen Fall beschäftigt. Und da war es für mich besonders reizvoll, dass Pia auch als Privatperson gerade im zweiten Teil emotional involviert ist. Ich selber bin eigentlich nicht so der sachliche Typ, da fiel es mir gerade bei den strengen Verhörsituationen sogar schwer, mir den Text zu merken. Den speichere ich sonst eher über Emotionen ab. Insofern war die Rolle für mich eine Herausforderung.
Der Fall handelt auch davon, dass die psychischen Folgeschäden von Misshandlungen im Kindesalter enorm sind.
Wie wichtig es ist, eine behütete Kindheit zu haben, gerade im Hinblick auf die Erwachsenenbildung, ist in der Forschung ja längst belegt. Und dabei ist es nicht nur entscheidend, ob einem Kind wie im Krimi Gewalt angetan wurde. Auch die Abwesenheit der Eltern, bei doppelter Arbeit, kann erhebliche Folgeschäden haben. Entscheidend ist hier, dass das Kind Vertrauen zu jemandem hat, eine Bezugsperson, das müssen aber nicht unbedingt die Eltern sein.
"Vielleicht ist man nach einer Trennung doch eher man selbst"
Der Taunuskrimi ist ein klassischer Whodunit. Mögen Sie selbst Krimi-Rätsel?
Früher habe ich mir viele Krimis angesehen. Aber auch Sachbücher über Serientäter gelesen. Mit Mitte 30 war das für mich vorbei. Weiterhin interessiere ich mich aber für die Abgründe der menschlichen Psyche. Aber dann eher aus theoretisch-philosophischer Sicht wie bei einem C.G. Jung.
Früher wurden Sie oft als "Partnerin von Leander Haußmann" bezeichnet. Sind Sie froh, dass diese Wahrnehmung sich doch endlich verschoben hat, zur anerkannten Schauspielerin Annika Kuhl?
Da ist sicher was dran. Aber ich möchte diese Wahrnehmung gar nicht auf die veränderte Medienlandschaft schieben. Vielleicht ist man nach einer Trennung wie bei mir doch auch mehr man selbst. Und vielleicht muss man auch zwangsläufig einen Weg gehen, durch den man selber stärker wird als Persönlichkeit. Aber natürlich ist es auch so, dass einige Leute oberflächlich urteilen. Da ist nun mal die eine Person in der Öffentlichkeit bekannter. Und dadurch wird die andere automatisch immer in diesem Zusammenhang erwähnt. Das ist auch normal, aber gerade für den Betroffenen nicht gerade schön.
"Die professionelle Arbeit als Schauspieler ist nicht ohne"
Ihre elfjährige Tochter Edwina stand bereits mit zwei Jahren vor der Kamera. Will sie nach wie vor in die Schuhstapfen ihrer Mutter treten?
Ich habe sie damals im Film "Kinderparadies" mitspielen lassen, weil der Dreh in München war und ich sie einfach gut mitnehmen konnte. Dass sie dann wirklich eine Begabung, wie ich finde, für den Beruf entwickelt hat, hätte ich damals nicht gedacht. Und sie ist auch nach wie vor daran interessiert zu spielen.
Warum hat man sie zuletzt nicht mehr so oft im Fernsehen gesehen?
Leider ist sie etwas schlecht in der Schule, und die muss es letztlich auch erlauben. Deswegen soll sie meiner Meinung nach eher Theater spielen. Die professionelle Arbeit als Schauspieler ist ja auch nicht ganz ohne. Da muss man gerade bei jungen Leuten aufpassen, dass es nicht zu stark auf die Psyche geht. Erfolg oder auch Misserfolg sind nun einmal schwer zu ertragen.
ZDF, 14.2.2022 1. Teil, 16.2.2022 2. Teil, jeweils 20.15 Uhr